Neues von Lytro
Über die Lichtfeldkameras der Firma Lytro hatten wir schon mehrfach berichtet. Nun verlegt der Hersteller seinen Schwerpunkt auf Kameras für die Filmproduktion.
Schon seit mehr als 10 Jahren arbeiten Forschungsinstitute und Unternehmen an Lichtfeldkameras, die nicht nur aufzeichnen, wieviel Licht auf jeden Punkt des Sensors trifft, sondern auch, woher dieses Licht kommt. Aus diesen Lichtfelddaten kann man im Nachhinein Bilder mit unterschiedlicher Entfernungseinstellung und Blende berechnen – man stellt also nicht vor der Aufnahme scharf, sondern entscheidet sich erst im Nachhinein, auf welchem Motiv der Fokus liegen und wie weit sich die Schärfenzone erstrecken soll. Vor vier Jahren brachte der US-Hersteller Lytro die erste erschwingliche Lichtfeldkamera für den Massenmarkt heraus, dem 2014 ein verbessertes Modell folgte, aber diese Kameras kamen über den Status eines Kuriosums nicht hinaus. Die Möglichkeit der nachträglichen Fokussierung ist zwar verblüffend, aber der praktische Nutzen der relativ niedrig aufgelösten Bilder blieb gering.
Lytro hat daher seinen Schwerpunkt verlagert. Man will nicht mehr erschwingliche Kameras an Endverbraucher verkaufen, sondern mit Lichtfeldkameras die Filmproduktion revolutionieren. Lytros jüngst angekündigte Filmkamera wird mit einem 755-Megapixel-Sensor ausgestattet sein, der bis zu 300 Bilder pro Sekunde liefern soll. Die extrem hohe Sensorauflösung ist nötig, damit auch der Winkel der Lichtstrahlen erfasst werden kann, die auf einen Bildpunkt treffen. Wie bei den kleinen Lichtfeldkameras kann man im Nachhinein fokussieren und beispielsweise die Schärfe einem Schauspieler präzise nachführen, der sich auf die Kamera zu oder von ihr weg bewegt. Aufgrund der großen Eintrittspupille von rund 100 mm kann die Kamera sogar zwei Stereobilder erzeugen, so dass sie sich auch für die Aufnahme von 3D-Filmen eignet.
Mit den Lichtfelddaten lässt sich aber noch mehr anfangen. Statt Schauspieler vor einem Green Screen zu filmen, um das Grün des Hintergrunds durch ein anderes Bild zu ersetzen, kann man einen beliebigen Hintergrund verwenden. Aus den Lichtfelddaten ergibt sich, wo sich ein bestimmtes Detail befindet, und wenn die Schauspieler 2 Meter entfernt sind, kann man alle Teile des Bildes ausblenden, deren Distanz 2,5 Meter überschreitet. Es ist so, als sei das Bild von vornherein in Ebenen gestaffelt, die sich beliebig ein- und ausblenden lassen. Freistellen war noch nie so einfach.
Da die Kamera bis zu 300 Bilder pro Sekunde liefert, kann man bewegte Motive wahlweise scharf aufgelöst filmen oder durch die Verrechnung mehrerer Frames eine beliebige Bewegungsunschärfe erzeugen. Der große Dynamikumfang von 16 Blendenstufen, wie ihn Lytro verspricht, gibt auch bei der Belichtung einigen Spielraum. Regisseur und Kameramann müssen zwar immer noch entscheiden, welchen Blickwinkel die Kamera aufnehmen soll, aber viele andere Entscheidungen können auch erst in der Postproduction getroffen zu werden und auch danach noch revidiert werden.
Für den Kinozuschauer ändert sich wohlgemerkt nichts. Die mit der Lytro-Kamera (von der noch in diesem Jahr erste Exemplare verfügbar werden sollen) produzierten Filme wären gewöhnliche 2D- oder auch 3D-Filme, denen man nicht unbedingt ansieht, wie sie aufgenommen worden sind. Die Lichtfeldtechnologie könnte aber Filmtricks möglich machen, die bislang am erforderlichen Aufwand gescheitert waren. Warten wir ab, was die ersten Kinofilme dieser Art zu bieten haben.