Nachruf: DOCMA IT-Leiter Andreas Urban gestorben
Von Beginn des DOCMA-Projekts an, also seit 20 Jahren, sorgte Andreas Urban als geistiger Vater unserer IT-Lösungen und später als inoffizieller »Head of DOCMA-IT« dafür, dass Sie unsere Website über die Jahre zuverlässig erreichen konnten.
Daneben konzipierte und verfeinerte er auch unseren internen Datenfluss. Als über das Bundesgebiet verteiltes Team ermöglichte uns sein System eine virtuelle Zusammenarbeit, lange bevor man die heute üblichen Tools fürs Homeoffice kannte.
Auch für einige von Ihnen trat er in Erscheinung. Meist in Form ausführlicher Support-Mails, wenn es um komplexe Probleme auf unserer Website ging. Oft hat er wochenlang nach den Fehlerquellen in den Tiefen des digitalen Maschinenraums gefahndet und maßgeschneiderte Software geschrieben, um die Fehler ein für allemal aus der Welt zu schaffen.
Uns alle schmerzt dieser Verlust besonders, weil er als Mensch perfekt ins DOCMA-Team passte: Ein Nerd unter Nerds – im allerbesten Sinne.
Ich erinnere mich noch gut an eine Geschichte, die zwar inzwischen dreißig Jahre in der Vergangenheit liegt, aber sehr deutlich zeigt, wie Andreas „tickte“.
Bevor er beruflich mit IT zu tun hatte (er war übriges in dieser Hinsicht reiner Autodidakt), arbeitete er als Konstrukteur. Auf der Technikerschule kam der gelernte Schlosser mit Anfang zwanzig in Kontakt mit der digitalen Welt: In Form eines programmierbaren Taschenrechners.
Dieser Zugang zum Orbit der Bits und Bytes hat ihn derart fasziniert, dass er nach Abschluss der Weiterbildung von seinem ersten Gehalt einen PC kaufte. Sein Ziel war es, alles über das zu der Zeit als Standard laufende Betriebsystem MS-DOS herauszufinden. „Alles“ bedeutete für ihn in solchen Fällen wirklich alles. Er wollte das System in jedem Detail beherrschen. Nicht über grafische Oberflächen, sondern von der Konsole aus. Nur mit der Tastatur und ohne Maus.
Vielleicht klingt das in den Ohren der meisten heutigen User irritierend. Vor allem, wenn sie einen Rechner als Mittel zum Zweck begreifen. Ich jedenfalls hätte es befremdlich gefunden. Aber ich kannte Andreas damals schon länger und hatte erlebt, wie er seinen ersten gebrauchten Audi in alle Einzelteile zerlegte und wieder zusammenbaute – bevor er den Führerschein machte. Seine Logik: Ich muss doch verstehen wie es funktioniert, falls es mal kaputt geht.
Eines Tages rief ich ihn an, weil ich mich als Mac-Liebhaber durchgerungen hatte, nun auch die Welt von MS-DOS und Windows 3.1 zu erkunden. Die Installation war mir noch gelungen, aber das Ergebnis lief nicht besonders flüssig. Es fehlten augenscheinlich noch ein paar Einstellungen, die man per Tastatur in die Textdateien »Config.sys« und »Autoexec.bat« schreiben musste. Er lachte nur und sagte „Kein Wunder, da müssen wir wohl mal bei“, um mir dann etwa zehn Minuten lang am Telefon kryptische Befehlsketten zu diktieren.
Die Beschleunigung war für ihn dabei Nebensache. Sein eigentliches Anliegen bestand darin, die einzelnen Textelemente der Konsolendarstellung wie Pfade, Befehle und Argumente in vielen verschiedenen Farben darstellen zu lassen. „Damit Du die Struktur Deiner Eingaben besser erkennst und es Dich etwas mehr an Deine Klicki-Bunti-Macintosh-Welt erinnert“, war seine Begründung.
Am meisten faszinierte mich dabei, dass er selbst die sechsstelligen alphanumerischen Hexadezimalcodes der einzelnen Farben aus dem Kopf hersagen konnte. Er musste auch nichts nachschlagen, als ich die eine oder andere Farbe später noch geändert haben wollte. Auf die Frage, wie er seinen Kaffe am liebsten trinkt, hätte er damals vermutlich geantwortet „#000000“.
Andreas machte dieses Wissen dann bald zu seinem neuen Beruf. Natürlich nicht mit dem relativ einfachen MS-DOS, sondern mit verschiednen UNIX-, Windows-, MacOS- und Linux-Betriebssystemen. Um kleine Anwendungen selbst schreiben zu können, brachte er sich in seiner Freizeit die nötigen Programmierkenntnisse bei und lernte nebenher verschiedene Skriptsprachen.
Ein Dutzend Jahre später erzählte ich ihm von meinem Wunsch nach einem richtigen Redaktionssystem. Aber er winkte nur ab. Das sei nicht seine Baustelle. Diese Reaktion war völlig untypisch für ihn. Aber er begann bald, ohne es mir zunächst zu erzählen, ein Contentmanagement-System im Alleingang zu entwickeln. Es dauerte über drei Jahre, bis es an den Funktionsumfang der damals üblichen Standardsysteme herankam. Als er fertig war, meinte er nur beiläufig, jetzt könnten wir zu Wordpress wechseln. Das kenne er zwar noch nicht im Detail, aber er hätte nun genug Erfahrung in dem Bereich gesammelt, um uns fehlende Funktionen nötigenfalls selbst dazu zu programmieren.
Als er mir das sagte, musste ich innerlich lächeln. In seiner Anfangszeit mit dem PC hatte er einmal während eines vierwöchigen Urlaubs für den örtlichen Zahnarzt eine komplette Patientenverwaltung geschrieben. Sie blieb mit nur kleinen Anpassungen zehn Jahre lang im Einsatz. Erst nach dieser Fingerübung, die ihm eine umfassende Gebiss-Sanierung einbrachte, begann er sich mit „richtigen“ Datenbanken auseinanderzusetzen.
Natürlich konnten wir uns als kleiner Verlag einen eigenen Programmierer nie leisten. Schon gar keinen dieses Kalibers. Sein Brot hat er all die Jahre als Entwickler in der Autoindustrie verdient. Wir waren für ihn immer eine Art zeitintensives Hobby, das er aus alter Freundschaft pflegte. Und vielleicht auch ein wenig, weil die technischen Herausforderungen bei uns so völlig andersartig waren als die in seinem Arbeitsalltag.
In der Redaktion, im Verlag und im Vertrieb wurde er immer zu Hilfe gerufen, wenn alle anderen nicht mehr weiter wussten. Wie eine Art Technik-Papa, bei dem man sich darauf verlassen konnte, dass er sehr bald eine elegante Lösung finden würde – sofern er sie nicht bereits kannte.
Andreas Urban wurde 1967 geboren und wäre demnächst 55 Jahre alt geworden. Die DOCMA-Redaktion erinnert sich seiner mit großer Sympathie und noch größerer Dankbarkeit. Er hinterlässt seine Frau und seinen erwachsenen Sohn.
Klingt nach einem tollen, interessanten und rundum sympathischen Menschen! Und wenn ich dann noch lese, wie jung er gestorben ist: wie traurig!
Mein Mitgefühl für euch und vor allem seine Angehörigen!
Es bewahrheitet sich einmal mehr, „die Guten sterben Jung“. Euch und den Angehörigen viel Kraft.
Herrn Urban kannte ich nicht persönlich.
Aber nach diesem Nachruf, der weit weg liegt von den üblichen „wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren“-Floskeln, habe ich das Gefühl, ihn gekannt zu haben.
Mehr noch: Nun bin ich sogar traurig, ihm nie persönlich begegnen zu dürfen.
Daher kann ich auch ehrlich mein Mitgefühl aussprechen für diesen Verlust eines besonderen Menschen!