Motivsuche
Bei einer Mordermittlung spräche es gegen einen, wenn man eines hätte, aber als Fotograf braucht man es unbedingt: ein gutes Motiv. Woher eines nehmen, wenn nicht stehlen?
Bei Werbe- oder Fashion-Fotografen kommt das Motiv mit dem Kunden, aber Natur- und Landschaftsfotografen beispielsweise müssen sich selbst die Themen suchen, auf die sie sich konzentrieren wollen. Auf dem Umweltfotofestival »horizonte zingst«, wo ich mich diese Woche mit dem Großteil des DOCMA-Teams aufhalte, findet man viele Beispiele für Fotografen, die das Thema ihres Lebens gefunden haben, seien es etwa die Wüsten der Welt für Michael Martin oder die Wale für Flip Nicklin. Dem ESA-Astronauten Alexander Gerst drängte sich das Motiv auf, das er an Bord der Internationalen Raumstation Dutzende Male pro Tag umrundete: unsere Erde. Die Bilder dieser und anderer Fotografen sind in diesem Jahr in Zingst zu sehen.
DOCMA-Chefredakteur Christoph Künne hat sein Thema im Porträt gefunden. Wie in jedem Jahr fotografiert er in Zingst die „Faces of Festival“, die dann nach Sonnenuntergang bei der „Bilderflut“ am Strand präsentiert werden. Daneben gibt er seine Erfahrungen in den Workshops „Puristische Porträts“ und „Das inszenierte Porträt“ weiter. Auch viele andere der in Zingst angebotenen Workshops können bei der Motivsuche helfen.
Amateurfotografen tun sich damit oft schwer. Olympus hat darauf reagiert, indem sie nicht nur ihre Kameras und Objektive zum Kennenlernen ausleihen, sondern auch von verschiedenen Künstlern Motive schaffen lassen, mit denen sich interessierte Fotografen auseinandersetzen können. In Zingst hat Olympus nun einen FotoKunstPfad mit ganz unterschiedlichen Motiven eingerichtet, die man über den Ort verteilt aufspüren muss – teils stehen sie an belebten Straßen, teils mitten im Wald, am Strand oder auf der Seebrücke. Einige sind gar nicht zu übersehen wie etwa Marc Mosers gigantische rosarote Brille „Sea Pink II“, andere wie die winzigen Figuren von Sibylle Oellerich und Katharina Göbel muss man erst einmal aufspüren. Die spiegelnden Figuren von Rob Mulholland bleiben selbst fast unsichtbar – sie erzeugen eine Instant-Montage aus zwei in unterschiedlichen Richtungen liegenden Ansichten der Umgebung. Es liegt allein am Fotografen, was er daraus macht; so kann die Riesenbrille „Sea Pink II“ als Objekt gesehen werden oder durch ihr rosarot gefärbtes Licht den Zingster Strand in eine Marslandschaft verwandeln.
Manche Fotografen machen es sich auch ganz einfach und finden ihre Motive in den Fotos anderer Fotografen. Wie etwa jener Teilnehmer am Wettbewerb der Olympus-Community zum Thema „Heroes“, der im vergangenen Jahr ein Panel mit den DOCMA „Faces of Festival“ eines Tages abfotografiert hatte. Geht auch. (Immerhin hat er kein Geheimnis daraus gemacht, woher die Bilder stammten.)