Modellauto Minimalismus: Eva Gieselberg
Eva Gieselberg hat sich auf eine ganz besondere Form der Fotografie spezialisiert. Als Kunstobjekte in Galerien verkauft sie minimalistische Bilder von Spielzeugautos. Bei einem vorweihnachtlichen Kaffeetrinken im Hamburg erklärt sie DOCMA-Chefredakteur Christoph Künne ihr unkonventionelles Konzept.
DOCMA: Jeder Fotograf, der heute erfolgreich sein will, muss sich spezialisieren. Das steht inzwischen außer Frage. Wie kommt man aber zu so einer exotischen Nische wie deiner?
Eva Gieselberg: Das war bei mir recht naheliegend. Ich arbeite seit rund 20 Jahren als Motorjournalistin und habe ein Faible für alte Fahrzeuge. Lange Zeit habe ich Autos für Magazine fotografiert. Dann entdeckte ich die Modellautosammlung meines damaligen Freundes als Fotomotiv und fragte mich, ob sich kleine Autos wohl ähnlich interessant fotografieren lassen wie ihre großen Vorbilder. Eines Sonntags saß ich im Garten, die Sonne schien, ich schnappte mir mein iPhone und fing an, mit einem Lamborghini Espada von Siku und einfarbigem Karton als Hintergrund zu experimentieren.
DOCMA: Was macht für dich den Reiz der kleinen Wagen aus?
Eva Gieselberg: Im Gegensatz zu den meisten echten Autos sieht man den kleinen Modellen ihre Geschichte oft an. Sie sind bespielt, sie haben Beulen, deutliche Abplatzer am Lack – viele visuelle Zutaten, die dem Modell einen einzigartigen Charakter verleihen und die man bei richtigen Fahrzeugen in der Art nicht zu sehen bekommt.
DOCMA: Ich kenne künstlerische Modellautofotografie sonst eigentlich nur als Inszenierungen der Fahrzeuge in Modellwelten. Du arbeitest aber ausschließlich mit klaren, eher grafischen Hintergründen. Warum?
Eva Gieselberg: Diese Bilder kenne ich natürlich und finde die meisten Dioramen-Inszenierungen sehr speziell (lacht). Sie lenken nach meinem Geschmack zu sehr vom eigentlichen Charme der Objekte ab. Ich ziehe da den Minimalismus einer monochromen Farbfläche vor, die grafisch mit der Farbigkeit des Autos in einer Beziehung steht. Und mit den Spuren der Vergänglichkeit in Kontrast. Allerdings arbeite ich inzwischen auch mit mehrfarbigen abstrakten Hintergründen, um noch intensivere Bildstimmungen zu erzeugen.
DOCMA: Wie ging die Entwicklung weiter? Hast du dir ein Mini-Studio und einen an die Erfordernisse angepassten Photoshop-Workflow eingerichtet?
Eva Gieselberg: Zunächst bin ich kameratechnisch vom iPhone auf eine Nikon-DSLR umgestiegen. Ansonsten bin ich bis heute bei der puristischen Arbeitstechnik geblieben: Fotografiert wird draußen in der Sonne und die Farbigkeit entsteht direkt bei der Aufnahme. Photoshop nutze ich nur, um die Bilder zu optimieren und für den Druck abzustimmen.
DOCMA: Wie hast Du ein Publikum für Deine Bilder gefunden – über die sozialen Medien?
Eva Gieselberg: Das bot sich an. Ich hatte schon einen Instagram-Account, auf dem ich meine normalen Arbeiten geteilt habe. Dort konnte ich die Modellauto-Bilder leicht veröffentlichen und sehen, wie sie bei meinen Followern ankommen. Ich habe aber schnell festgestellt, dass diese Art von Bildern einen eigenen Kanal brauchen. So entstand nach kurzer Zeit zusätzlich der @candycars.de-Account bei Instagram, bei dem es nur um Kleinstwagenbilder geht.
DOCMA: Warum der Name: Candy Cars?
Eva Gieselberg: Wegen der Bonbon-Farben und weil die kleinen Autos so niedlich sind. Die Bilder sollten in erster Linie gute Laune vermitteln. Außerdem hat der Name auch gut als sympathischer Hashtag funktioniert.
DOCMA: Sind die Candy Cars schnell zum Erfolg geworden?
Eva Gieselberg: Insgesamt ging es recht schnell. Im Frühling 2015 entstand das erste Candy Car-Foto. 2016 hatte ich schon die erste Einzel-Ausstellung.
DOCMA: Was war der Punkt, an dem Du erkannt hast: Das ist mehr als ein schönes Hobby?
Eva Gieselberg: Eigentlich waren das mehrere Ereignisse. Zunächst war ich erstaunt, wie viele Menschen, vor allem aus dem Ausland, sich für meine Bilder begeistert haben. Der Account hat zwar „nur“ gut 2000 Follower, aber ich war beeindruckt, wie stark die Interaktion hier war. Die meisten Bilder haben mehrere hundert Likes, im Schnitt liken also etwa 20 Prozent der Follower regelmäßig. Und es gibt sehr viele Kommentare. Das kannte ich sonst nicht so. Außerdem hat es mich stark motiviert, über den Account mit Leuten auf anderen Kontinenten in Kontakt zu kommen. Einer wollte dann ein Bild kaufen und in dem Moment dachte ich: Es wäre doch ein Traum, mit solchen Bildern den Lebensunterhalt zu bestreiten. Da fing ich an, Candy Cars auch in ihrer wirtschaftlichen Dimension wahrzunehmen.
DOCMA: Was hatte das für Folgen?
Eva Gieselberg: Zunächst habe ich mir die Marke gesichert, dann über Vertriebsstrukturen für Drucke nachgedacht. Vielleicht hätte ich einen eigenen Webshop aufgebaut, aber glücklicherweise lernte ich gerade zu der Zeit im privaten Umfeld einen Galeristen kennen. Der war von den Arbeiten begeistert und bot mir in seiner „Galerie 5“ in Köln eine erste Einzelausstellung an.
DOCMA: Eine Ausstellung in der richtigen Welt ist ja nicht Instagram. Wie hast du den Sprung vom Online-Bild zum Ausstellungsdruck gemeistert?
Eva Gieselberg: Das war viel Arbeit. Eine Ausstellungszusage bekommen und eine Ausstellung realisieren sind zwei Paar Schuhe. Glücklicherweise hatte ich ja hochauflösende Originalbilder aus meiner Nikon. Die Datenbasis war also kein Problem. Doch bis die Prints farblich genauso aussahen wie am Monitor und die Materialen zu den Motiven passten, waren viele Schritte nötig. Es fing damit an, dass ich mir einen Eizo-Monitor zugelegt habe. Dann folgten Experimente mit Online-Druckereien. Ich war zunächst etwas zurückhaltend, was die Investition in die Drucke anging, denn als ausstellender Künstler sind die Kosten hierfür allein dein Risiko. Doch auch hier kam mir der Zufall zu Hilfe. Ich bekam in Hamburg Kontakt zu LEO LAB Photographie. Die halfen mir nicht nur, die Daten druckfertig aufzubereiten, sondern auch mit Materialproben passende Medien zu finden. Jetzt blieb mir nur noch, die endgültige Auswahl der Motive zu treffen, Größen und Auflagen festzulegen und mir Gedanken über die Preise zu machen.
DOCMA: Und hat es funktioniert? Ich erlebe immer wieder sehr schöne Ausstellungseröffnungen, aber es kommt dort eher selten vor, dass auch Arbeiten in nennenswertem Umfang verkauft werden.
Eva Gieselberg: Glücklicherweise hatte ich bei dieser Ausstellung nicht nur eine große Resonanz, sondern auch gute Verkäufe. Erste Bilder hatten schon vor der Vernissage Besitzer gefunden, und bei der rappelvollen Eröffnung ließen sich auch noch eine Reihe der Arbeiten – vornehmlich – an den Mann bringen. Für mich war damit klar: Das ist der richtige Weg. Nicht nur wegen der Verkäufe. Es war vor allem faszinierend zu sehen, dass die Menschen, die hier live vor den Bildern standen, über die Motive miteinander ins Gespräch kamen. Da wurde mir klar, die verbinden mit den Bildern ähnlich wie ich ein Stück Kindheit und das erzeugt für sie auch eine Bedeutungsebene.
DOCMA: Wie ging es weiter?
Eva Gieselberg: Seit 2016 habe ich mir ein deutschlandweites Netz an Galerien aufgebaut. Die Standorte sind aktuellKöln, Nürnberg, Ravensburg, Bielefeld, Hannover und Hamburg. Als Kooperationspartner kam zur Photokina [LiINK-INTERN] der Papierhersteller Hahnemühle hinzu. Die hatten auf der Messe mit dem neuen Spezialpapier Photo Rag Metallic[https://www.hahnemuehle.com/en/digital-fineart/fineart-media/glossy-fineart/p/Product/show/5/996.html] ein ideales Medium für meine Arbeiten vorgestellt. Zusammen mit diesen Partnern habe ich inzwischen fast ein Dutzend Ausstellungen realisiert.
DOCMA: Wie kommst du an deine Modelle?
Eva Gieselberg: Das ist ganz unterschiedlich. Viele finde ich über eBay oder auf Flohmärkten und Automessen. Inzwischen habe ich rund 700 eigene Modelle. Hinzu kommen die Autos, die mir Freunde und Sammler gelegentlich zur Verfügung stellen. An Motiven herrscht also kein Mangel.
DOCMA: Ist die Galeriewelt jetzt dein einziger Verkaufskanal?
Eva Gieselberg: Im Prinzip ja. Gelegentlich produziere ich bei individuellen Anfragen auch Unikate. Da kommen dann Menschen zu mir, die unbedingt ein Candy Car-Bild von ihrem ersten oder emotional wichtigsten Auto haben möchten. Wenn es sich dabei um ein Spielzeugauto aus der Kindheit handelt, das noch vorhanden ist, ist das natürlich unproblematisch. Manche Kunden möchten aber ein ganz bestimmtes Auto in einer speziellen Farbe haben. Dann wird die Suche nach einem passenden Modell schon aufwändiger.
DOCMA: Noch eine letzte Frage: Was fährst du selbst für ein Auto?
Eva Gieselberg: Auch bei großen Autos zähle ich eher zu den Sammlern. Momentan habe ich drei Autos. Im Alltag fahre ich einen Land Rover, im Sommer und fast ausschließlich bei schönem Wetter bewege ich zwei alte, weiße Volvo-Kombis: Einen Schneewittchensarg und einen 145er, beide aus den frühen 70ern.