Mittelformat Mainstreaming?
Eigentlich werden die Sensoren ja immer kleiner; dennoch hätte das Mittelformat jetzt Chancen, aus seiner Nische auszubrechen.
APS-C und Micro-FourThirds sind, was die Verbreitung dieser Sensorformate und die damit erzielbare Bildqualität betrifft, das neue Kleinbild. Entsprechend haben DSLRs mit Kleinbildsensor viele Bereiche erobert, die einst die Domäne von Mittelformatkameras waren. Hat das echte Mittelformat da überhaupt noch eine Existenzberechtigung? Möglicherweise stehen seine Chancen heute besser denn je.
Digitale Mittelformatkameras konnten zwar das Potential eines großen Sensorformats demonstrieren, blieben technisch aber lange Zeit hinter DSLRs mit kleineren Sensoren zurück. Die Hersteller im Mittelformat sind meist relativ kleine Unternehmen mit einem gegenüber Canon, Nikon oder Sony eng begrenzten Budget für Forschung und Entwicklung. Beispielsweise verfügt allein Pentax über einen eigenen AF-Sensor für seine Mittelformatkameras; andere Anbieter müssen diese Komponente zukaufen. Das oft bis heute beibehaltene Bauprinzip einer Mittelformatkamera mit digitalem Rückteil als Ersatz für das Filmmagazin führt dazu, dass es zwei Komponenten mit jeweils eigenständiger Elektronik gibt, die miteinander kommunizieren müssen; integrierte Lösungen, wie sie im Kleinbildbereich üblich sind, führen zu eleganteren Lösungen – solche Kameras sind einfacher bedienbar. Vor allem aber war das Mittelformat lange Zeit das letzte Rückzugsgebiet der CCD-Sensoren. Mit CCDs kann man zwar Bilder sehr hoher Qualität aufnehmen; ihre Weiterentwicklung in den letzten Jahren erfolgte aber nur noch in immer kleineren Schritten, während die vor 20 Jahren noch klar unterlegene CMOS-Technologie große Fortschritte machte. Mittelformatkameras mit CCDs sind kaum dazu geeignet, mit hohen ISO-Werten bei vorhandenem Licht zu fotografieren; ihre Domäne ist das Studio, in dem man für so viel Licht sorgen kann, wie man eben braucht.
Im vergangenen Jahr wurden nun allerdings die ersten Mittelformatmodelle mit modernen CMOS-Sensoren von Sony und CMOSIS angekündigt, und das ist einer der Gründe, weshalb das Mittelformat jetzt neue Märkte erobern könnte. Neben neuen Modellen von Hasselblad und Phase One sind auch die Ricoh Pentax 645Z und die Leica S (Typ 007) mit einem CMOS-Sensor ausgestattet. Die Leica S wie auch die Pentax 645Z sind zudem integrierte DSLRs, also Kameras aus einem Guss, wie man sie als Kleinbildfotograf gewohnt ist. Zudem ist die Pentax mit einem Preis von rund 8000 Euro vergleichsweise erschwinglich.
Vermutlich ist das aber erst der Anfang einer Renaissance des Mittelformats. Ich rechne für die nähere Zukunft mit neuen Mittelformatsystemen, die auch noch die Spiegelreflexbauweise hinter sich lassen. CMOS-Sensoren machen spiegellose Mittelformatkamera mit elektronischem Sucher möglich, die keinen dedizierten AF-Sensor mehr brauchen – Phasendetektionspixel auf dem Bildwandler, wie sie jetzt schon viele spiegellose Kameras mit kleinerem Sensorformat besitzen, könnten dessen Aufgabe übernehmen, und Phasendetektionstechnologie wäre noch mit einem Kontrastvergleichs-AF kombinierbar. Das Auflagemaß, also der Abstand zwischen Bajonett und Sensor, könnte kürzer und die Kamera daher kleiner sein. Auch wenn sich die meisten Objektive kaum verkleinern lassen und die Gesamtgröße daher weitgehend unverändert bliebe, würden die Kameras handlicher. Spiegellose Kameras ließen sich auch kostengünstiger als DSLRs produzieren – erst recht, wenn größere Stückzahlen als im Mittelformatbereich bislang üblich hergestellt würden. Das Interesse am größeren Bildformat ist ja vorhanden; nur das hohe Preisniveau ist bislang hinderlich.
Wer aber sollte diesen Schritt wagen? Es wird schon länger gemunkelt, dass Fuji an einem Einstieg in das digitale Mittelformat interessiert wäre, und Unternehmensvertreter haben dem zumindest nicht widersprochen. Durch die Zusammenarbeit mit Hasselblad (Fuji stellt viele Objektive sowie den Spiegelreflexsucher der H-Reihe her) haben sie bereits eigene Erfahrungen in diesem Bereich. Auch Leica könnte hier eine Chance sehen, seinen Marktanteil zu erhöhen. Sony müsste sich nicht darauf beschränken, die Sensoren für solche Kameras herzustellen; eine A7 „on steroids“, also eine vergrößerte Version mit Mittelformatsensor und maßstäblich vergrößertem Bajonett, läge zweifellos in der Reichweite von Sonys Entwicklungsabteilung. Auch Canon könnte, wenn sie wollten – einen selbst entwickelten Mittelformatsensor haben sie schon vor Jahren vorgeführt –, nur dass niemand weiß, was sie planen. Nikon wiederum könnte hier wie üblich mit Sony kooperieren.
Die spiegellose Mittelformatkamera wird früher oder später kommen, und wer seine Karten richtig und rechtzeitig ausspielt, könnte damit den Hebel ansetzen, um die etablierte Rangordnung unter den Herstellern aufzubrechen. Der Kameramarkt verspricht, interessant zu bleiben.