Malen mit Mumien
In der Kunstgeschichte gab es schon verschiedene kuriose Farbpigmente, aber das Seltsamste war vermutlich das treffend benannte Mumienbraun.
Wir sind es gewohnt, die mit verschiedenen Verfahren haltbar gemachten Leichen ägyptischer Pharaonen und anderer reicher Ägypter des Altertums als Mumien zu bezeichnen, aber dieser Begriff ist nicht ägyptisch und entspringt eigentlich einem Missverständnis. In der Antike sprach man Bitumen, das mit seinem persischen Namen Mumia genannt wurde, verschiedene Heilkräfte zu. Da man annahm, dass die alten Ägypter Bitumen zur Balsamierung benutzt hätten, übertrug sich das Wort später auf die einbalsamierten Leichen, die daraufhin als Quelle für das begehrte Heilmittel genutzt wurden.
Seit der frühen Neuzeit wurde Mumia oder Echte Mumie, eine aus zerkleinerten ägyptischen Mumien bestehende Substanz, als Mittel gegen alle möglichen Leiden von Zahnschmerzen bis zur Epilepsie sowie als Aphrodisiakum gehandelt. So schrieb Boltz von Ruffach 1549: „Mummian find man nienan dann in den Apotecken, dass ist menschen fleisch künstlich ussgedorret und bereittet. Gibt auch fyne harfarb und kleidungen. Ist gar nützlich zu vylen Dingen“. Noch im Jahre 1924 bot die Firma Merck ein Kilo Mumienpulver zu einem Listenpreis von 12 Goldmark an.
Zu den nützlichen Dingen, die man aus Mumien herstellen konnte, zählte auch ein Farbpigment für Künstlermalfarben – das Mumienbraun. Tausende von Mumien wurden für diesen Zweck pulverisiert, zunächst menschliche Mumien, aber man griff später auch auf Katzenmumien und Mumien anderer Tierarten zurück, und schließlich auf allein zu diesem Zweck einbalsamierte einheimische Leichen dubioser Herkunft. Obwohl nach Auskunft eines Herstellers eine einzige Mumie ausreichen sollte, einen Maler für 20 Jahre mit Mumienbraun zu versorgen, wurde der Rohstoff immer knapper. Das trieb den Preis des Pigments in die Höhe, bis es für Künstler an Attraktivität verlor. Die Londoner Firma Roberson & Co. hatte Mumienbraun allerdings noch lange im Angebot; erst 1964 wurde die Produktion endgültig eingestellt, nachdem ihnen die Mumien ausgegangen waren. Das Mumienbraun, das man heute noch kaufen kann, ist ein Ersatz, der keine pulverisierten Leichen mehr enthält.
Bei der britischen Künstlergruppe der Präraffaeliten erfreute sich Mumienbraun großer Beliebtheit, wobei nicht allen klar war, womit sie da malten. Als Edward Burne-Jones Künstlerkollege Lawrence Alma-Tadema 1881 bei einem Besuch beiläufig erwähnte, dass er bei einem Farbenhersteller die Zerkleinerung einer Mumie zur Herstellung des Pigments beobachtet hätte, reagierte Burne-Jones entsetzt – er hatte bis dahin geglaubt, dass Mummy Brown nur ein beschreibender Name wäre und die Farbe nicht wirklich aus Leichenteilen bestünde. Er lief in sein Atelier, holte die angebrochene Farbtube und bestattete sie feierlich im Garten; eine seiner Töchter pflanzte dann noch ein Gänseblümchen auf das Grab. Sowohl Burne-Jones Frau Georgina wie auch ihr Neffe Rudyard Kipling (der spätere Autor des Dschungelbuchs) haben diese Episode beschrieben.
Längst nicht alle Maler waren so skrupulös. Michel Martin Drolling (1786–1851) erwarb einige der mumifizierten Herzen französischer Könige und Königinnen, die in der Kathedrale von Saint-Denis bestattet gewesen waren, bis die Gräber 1793 im Zuge der Französischen Revolution geplündert wurden. Die daraus hergestellte Farbe soll er unter anderem in L’interieur d’une cuisine von 1815 verwendet haben; das Bild hängt im Louvre.
Heutzutage können Sie digital mit Mumienbraun malen, ohne dafür Leichen schänden zu müssen. Im RGB-Farbmodell nehmen Sie dazu 51,4 Prozent Rot, 28,6 Prozent Grün und 16,1 Prozent Blau (#834929); die ähnlichste Pantone-Farbe ist 7601 C.
Vielleicht sollte man ja mal dazuschreiben, dass die Werte nur für s-rgb gelten, bzw. sonst recht anders aussehen…
beste Grüße…