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Liebling, ich habe die Carters geschrumpft!

Ein Foto vom Besuch des aktuellen US-Präsidentenpaares beim Ex-Präsidenten Jimmy Carter und seiner Frau Rosalynn sorgt im Internet für Verwirrung: Sind die Carters wirklich so klein oder ist das Ehepaar Biden so groß? Weder noch …

Das Foto selbst wurde von einer verlässlichen Quelle veröffentlicht, nämlich dem von Jimmy und Rosalynn Carter selbst gegründeten Carter Center. Eine Bildmanipulation zum Nachteil der Abgebildeten lässt sich wohl ausschließen – vermeintlich kleinwüchsige Präsidenten waren hier ja schon mal ein Thema. Aber wieso hat es dann den Anschein, als sei die ehemalige First Lady Rosalynn eine Bauchrednerpuppe Joe Bidens? Jill Biden wirkt neben Jimmy Carter riesenhaft. Im vorgerückten Alter werden die Menschen zwar etwas kleiner und der aktuelle US-Präsident ist tatsächlich 5 Zentimeter größer als sein Vorgänger, aber das allein kann den Effekt nicht erklären. Sie haben es sich sicher bereits gedacht: Hier macht sich vor allem die Perspektive bemerkbar, und dazu die Verzerrung, die bei extremen Weitwinkelobjektiven durch die gnomonische Projektion entsteht.

Liebling, ich habe die Carters geschrumpft!
Joe und Jill Biden zu Besuch bei Jimmy und Rosalynn Carter. (Foto: The Carter Center)

Der Effekt der Perspektive verzerrt bereits die Proportionen Jimmy Carters, dessen Unterschenkel und Füße nicht zu Kopf und Oberkörper zu passen scheinen. Offensichtlich musste der Fotograf im Carterschen Wohnzimmer aus sehr kurzer Distanz arbeiten, was wiederum die Wahl einer sehr kurzen Brennweite erforderte, um beide Ehepaare abzubilden. Carters Füße sind der Kamera viel näher als sein Kopf, was die Diskrepanz erklärt. Joe Biden kniet nicht, wie man bei flüchtigem Hinschauen denken könnte, neben Rosalynn Carter, sondern vor ihr, so dass er aus der kurzen Entfernung viel größer als sie erscheint. Auch Jill Biden ist nicht so weit entfernt wie der Ex-Präsident, der sich im Sessel zurücklehnt, wenngleich der Unterschied des Abbildungsmaßstabs hier nicht ganz so groß ist.

Ein zweiter Effekt kommt noch hinzu. Extreme Weitwinkelobjektive, die eine gnomonische Projektion verwenden, bilden zwar gerade Linien gerade ab, verzerren aber die Abmessungen von Motiven am Bildrand. Wer in einem so aufgenommenen Gruppenfoto am Rand steht, wirkt deutlich massiger als Personen nahe der Bildmitte. Auch das trägt – in geringerem Maße – dazu bei, dass die Bidens größer wirken als die Carters. Ein Fisheye hätte diesen Effekt vermieden, aber dafür natürlich andere Verzerrungen produziert. Wer in beengten Platzverhältnissen fotografieren und daher zu einer kurzen Brennweite greifen muss, sollte die Personen in Gruppenfotos daher so dirigieren, dass solche Verzerrungen minimiert werden.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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4 Kommentare

  1. Diese Verzerrungen bringen einen ja bei Aufnahmen in Innenräumen manchmal zur Verzweiflung. Das gilt für Brennweiten von 24mm oder gar 17 mm bei Vollformatsensoren.
    Allerdings schafft man solche Weitwinkelverzerrungen IMO nur mit extrem kleinen Brennweiten, also deutlich kürzeren. Es wäre interessant zu wissen, welche Sensorgröße und welches Brennweite für diese Carter-Biden-Familienaufnahme verwendet wurde, wobei natürlich die Brennweite wichtiger wäre, denn ein Sensor croppt ja nur den Bildwinkel., der Verzerrungsefffekt wäre bei jeder Sensorgröße, zumindest theoretisch, gleich.

      1. Diese Feststellung verstehe ich nicht. Es ist doch so, dass bei einer so kurzen Brennweite die optische Achse und die Entfernungsebenen wichtig sind. Wäre des abgebildete Objekt zweidimensional und die optische Achse genau im rechten Winkel darauf gerichtet, so käme es nie zu solchen Effekten. Je flacher der Winkel der optischen Achse zu den Objekten ist, desto unterschiedlicher werden die Abstände zu den einzelnen Entfernungsebenen. Diese Effekte wurden schon lange in Filmen für die Steigerung der Dynamik des Geschehens, auch zum Verstärken von 3D-Effekten, genutzt.
        Außer für solche Effektfotos ist es in der Fotografie meist nur störend. Der Effekt hängt nur von der Brennweite und der räumlichen Positionierung der fotografierten Objekte ab, die Sensorgröße hat IMO keinen Einfluss, die Sensorgröße croppt nur den Bildwinkel. In der Praxis gibt es für kleinere Sensoren auch kleinere Brennweiten, doch wenn man mit einem 14 mm Objektiv ein Gesicht formatfüllend, also ganz aus der Nähe, mit einer Vollformatkamera fotografiert, wird dieses auch schon ziemlich deformiert abgebildet, nicht gerade ein Beauty-Shot.

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