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Leserbrief zur Creative Cloud

Auf viel Ablehnung stößt Adobes Entscheidung, seine Kreativsoftware nur noch im Abo anzubieten. Hier macht DOCMA-Leser Andreas Kmieciak seinem Ärger Luft.

Sehr geehrter Herr Wilwerding und Doc Baumann,

Erst mal vielen Dank an DOCMA und das redaktionelle Team, die Proteste gegen die Adobe Cloud ernst zu nehmen!

Ich bin ja schon/erst etwas über ein Jahrzehnt Photoshop-User und seit CS 3 (oder war es CS 2?) Creative Suite-Besitzer.
Da gab es natürlich immer berechtigte Kritiken an Adobe – z.B. wegen der vollmundig gepriesenen Integration der einzelnen Produkte und wie toll diese jetzt zusammen arbeiten und der abweichenden Realität, dass man umständliche workarounds finden musste um tatsächlich die eine, oder andere Datei (ohne Verluste!) in das eine oder andere Programm zu laden. Programmabstürze, weil z.B. eine Schrift Konflikte auslöst und Wochen bis man weiß, was das Problem ist und noch mal Monate bis Bugfixes greifen.
Trotzdem hat die Adobe-Gemeinde all das geduldig hingenommen.

Nie las ich so großen Unmut der Adobe-User wie zu diesem CC-Anlass! Das Internet macht es natürlich erst möglich.

Die Argumente des Adobe-Vertreters (DOCMA 53) lesen sich wie die immer gleichen Argumente der vielen Politiker, die Umstände schön reden wollen, die die Bevölkerung schon lange abschließend als falsch erkannt hat. Ich fühle mich da genauso verarscht wie von diesen Politikern, die nach Erklärungen/Änderungen gefragt werden und weder Rede noch Antwort stehen wollen – geschweige denn etwas ändern.
Natürlich ist das Argument, dass ein Adobe-User der sich die CC nicht leisten kann, ein erfolgloser User und somit einer, der die Software nicht verdient, ein unverschämtes Totschlag-Argument!
Sozial-Darwinismus als Smartobjekt – bitte mehr von diesen Erniedrigungen!

Natürlich ist das Modell für viele Firmen ein gutes Modell. Wird die Firma abgewickelt ist die Kündigung des Abos einfacher, als die Software in die Konkursmasse zu übernehmen…
Aber genauso wie bei Photoshop, sind es die kleinen! User von Illustrator, Flash und Dreamweaver, die tausenden von engagierten Freelancern, die sich zwischen den eigentlichen Aufträgen hinsetzen und die spektakulären Werkstücke erstellen. Und genau diese Werke sind das Aushängeschild der Firma Adobe. Diese Studenten, engagierten Amateure und armen Künstler werden mit der CC abgestraft, weil sie auch durch die Marktsituation immer öfter in prekäre Verhältnisse getrieben werden.
Die meisten der mittleren und großen Kreativschmieden haben zu 90% gar nicht die Zeit für Experimente und deshalb könnten die auch gut auf Photoshop 7 arbeiten, da da eh nur 5 Werkzeuge genutzt werden und ca. 10 Funktionen für die EBV, wie die Gradationskurve und Farbton/Sättigung.

Es bleibt einfach nur der Eindruck übrig, dass alle möglichst fett Gewinne machen wollen und zwar auch noch garantierte Gewinne – siehe Abhängigkeit im Abo.

Da ist die Telekom mit dem neuen Geschäftsmodell (rudert gerade zurück!), Kreative und IT-Spezialisten, die sich (wie in der Plus-Minussendung vom 12.06.2013 ARD geschildert) immer öfter als Tagelöhner ohne Verdienstgarantie verdingen müssen und Firmen die immer weniger bereit sind in Dienstleistungen zu investieren, obwohl die Rekordgewinne machen.

Dann noch der Wahnsinn, dass die neuen Adobe-Produkte hohe Hardwareanforderungen haben.
Meine Macs müssen für die neuen Programme ausgetauscht werde. Schon bei der CS 6 funktionierten diverse Funktionen auf meinem iMac von Frühjahr 2009 nicht mehr. Da ist der schöne neue Belichtungseffekte-Filter und die 3-D- Funktion nicht nutzbar! Grafikkarte? Treiber! Firmware? Update? Nein! Frust!
Selbst Lightroom 5 verlangt jetzt mindestens Mac OS 7 und wenn ich bereit bin meinen gut funktionierenden Schneeleoparden in die Schneewüste zu schicken, wer garantiert mir, das dieses Programm mit dem Berglöwen läuft – wie viele Beschwerden von Usern schon bei LR 4 gezeigt haben. Dann habe ich ein „vielleicht“ funktionierendes LR 5, aber andere alte Programme wollen dann nicht mehr mit dem Berglöwen laufen.
Weiterer Frust ist vorprogrammiert.
Und dann noch all die Sachen die auf der DOCMA-Site von Ralf Melish/„Stoppt die digitale Vernetzung“, mit vollem Recht zu beklagen sind.
Das ist eine schöne, neue Albtraum-Welt.

Irgendwann ist einfach genug!
Da schaue ich mir (überflüssiger Weise) die Mac WWDC vom 10.06.13 an und kann nicht mehr anders, als all das lächerlich zu finden, was noch vor Jahren spannend war. Da lassen große Jungs jetzt Spielzeugautos um die Wette fahren um das neue iOS 7 als überragend zu schildern – in einer endlos lang scheinenden Präsentation. Die eigentliche Topmeldung – der neue MacPro – geht mit lächerlichen 4 Minuten im Schnelldurchlauf gnadenlos unter in den ganzen Apps und pseudo-news, die, seien wir mal ehrlich, fast keiner braucht.
Jeder ernsthafte Mac-User wird sich danach nur an den neuen MacPro erinnern (und an die Spielzeugautobahn, weil lachlach), aber nicht an den ganzen ChiChi von iOS 7.
Und als Analogie:
Wird sich die Welt bald nur noch an Adobe erinnern als ehemalige Top-Firma die ihre Loser-User nicht mehr wollte…?

Nein, es ist nicht nur ein notwendiges, zeitgeistiges, zwingend notwendiges Geschäftsmodell, sondern Adobe bedroht mit seinem Verhalten (die Corel-Studie belegt die Gründe ja sehr anschaulich) die Existenzen von vielen.
Wer will noch DOCMA kaufen, wenn es um Features geht die keiner mehr auf dem Rechner hat und auch in Zukunft nicht mehr anschaffen will, oder kann? (Sorry Mädels und Jungs – muß mal gedacht werden können)
Wer kauft die Tutorials und Bücher von Video2brain, GalileoDesign und anderen, wenn die Programme nicht mehr gekauft werden?
Und ich behaupte es waren bisher die engagierten Amateure, Semiprofis und Profis – genau die, die sich jetzt empören und verweigern.
Auch ich habe Tausende von Euro für die Adobe-Produkte ausgegeben und nochmals vielleicht  Zweitausend (Euro) für Tutorials, Bücher und Magazine und jetzt habe ich seit kurzem das Gefühl, das das alles rausgeschmissenes Geld und vergeudete Zeit war.
Ich merke leider auch mit jeder Faser, dass mich die neuen CC-Features nicht mehr so interessieren…

Bildlich gesprochen sehe ich mich jetzt an einem Abgrund stehen.

Mit den großen Firmen ist es genauso wie in der Politik – ein paradoxes Verhältnis zu den Massen die die Macht verleihen!
Wie heißt es in V-wie Vendetta: Der Staat muß Angst vor dem Volk haben und nicht das Volk Angst vor dem Staat (Gedächtniszitat).

In dem Sinne von Stéphane Hessel: „Empört euch!“ und immer öfter und überall.

PS: Da wird in Berlin auch noch ein vollkommen unangemessenes Stadtschloss „wiederaufgebaut“…
Unglaublich! Kneif mich mal einer – ich glaube ich träume…

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Andreas Kmieciak

Danke Doc Baumann für den Wolkenbruch-Artikel! So isses!

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Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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