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Leben wir in einer Simulation?

Sind wir alle Teil einer gigantischen Simulation und bilden uns nur ein, real zu sein? Tesla-Motors-CEO Elon Musk ist der Prominenteste unter jenen, die das nicht nur für sehr wahrscheinlich halten, sondern auch kein Problem damit haben. Die Idee ist nicht neu, aber sie ist Unsinn.

Simulation: Hinter der rasanten Action und den für ihre Zeit bahnbrechenden Effekten der „Matrix“-Filme verbirgt sich eine Grundfrage der Philosophie: Leben wir in der realen Welt und können wir die Realität überhaupt erkennen?
Hinter der rasanten Action und den für ihre Zeit bahnbrechenden Effekten der „Matrix“-Filme verbirgt sich eine Grundfrage der Philosophie: Leben wir in der realen Welt und können wir die Realität überhaupt erkennen?

Die „Matrix“-Trilogie (1999 bis 2003) der Geschwister Wachowski hat eine Idee popularisiert, die in verschiedenen Formen weit zurück reicht: Könnte es nicht sein, dass unsere vermeintlich reale Welt tatsächlich nur eine Simulation ist? Dass wir also die Schöpfung einer Software sind, die in der wirklich realen Welt auf einem Computer läuft, zum Erkenntnisgewinn oder dem Amüsement wirklich realer Menschen, wenn nicht für die Zwecke der Maschinen selbst?

Simulation Stanisław Lem: Der futurologische Kongress
Stanisław Lem: Der futurologische Kongress

Die Matrix Idee  der Welt-Simulation war nicht neu


Die etwas einfältige und nur durch Action und CGI aufgehübschte Grundidee von „Matrix“ (Menschen als Energielieferanten für Maschinen – ernsthaft?) ist auch im Genre der Science Fiction schon überzeugender umgesetzt worden. 1964 erschien Daniel F. Galouyes Roman „Simulacron-3“, den Rainer Werner Fassbinder 1973 als „Welt am Draht“ verfilmt hat. Noch tiefgründiger ist Stanisław Lems „Der futurologische Kongress“ aus dem Jahre 1971, der auch das Matrix-Motiv der Wahl zwischen verschiedenen Pillen vorweggenommen hat. Aber während Science-Fiction-Autoren durch Zweifel an der Realität unserer Welt meist zu Dystopien inspiriert wurden, gibt es Menschen, die ganz im Gegenteil hoffen, nur eine Simulation zu sein.

Zu ihnen gehört auch Elon Musk, Gründer des Raumfahrtunternehmens SpaceX und CEO von Tesla Motors. Wenn Musk seine neuesten Einfälle formuliert, finden sie ein breites mediales Echo, auch wenn seine Ideen bisweilen etwas spinnert erscheinen. Die Vision etwa, in den nächsten Jahrzehnten eine Million Kolonisten auf dem Mars anzusiedeln, oder die Vorstellung, Menschen würden sich – gezwängt in eine fensterlose Kapsel – als überschallschnelle Rohrpost durch eine „Hyperloop“ schießen lassen. Vor wenigen Monaten nun spekulierte er, dass unsere reale Existenz doch sehr unwahrscheinlich sei; viel plausibler sei es, dass wir Teil einer Simulation sind.


Ist das Computerspiel Pong der Gottesbeweis?


Sein Gedankengang beruht darauf, dass er von der Entwicklung der ersten, höchst primitiven Computerspiele wie „Pong“ mit dessen Klötzchengrafik bis zu den aktuellen, fotorealistisch gerenderten Spielen in die Zukunft extrapoliert. Er sagt voraus, dass die Menschheit irgendwann in der Lage sein wird, Milliarden vernunftbegabter Wesen zu simulieren. Wenn sie aber erst einmal diese Fähigkeit besitzen, werden sie auch davon Gebrauch machen, so dass es dann eine Vielzahl solcher Simulationen geben wird. Der einen „base reality“, wie Musk die wahre Welt nennt, stehen dann vermutlich Milliarden simulierter Welten gegenüber, und damit gäbe es eine immens hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir in einer dieser Simulationen leben. Es könnte aber auch sein, dass die Menschheit niemals diesen technologischen Stand erreichen kann, weil sie sich vorher entweder selbst zerstört oder durch eine kosmische Katastrophe ausgelöscht wird. Nur dann gäbe es außer der „base reality“ keine anderen. Wenn wir in der wirklichen Welt leben, dann ist es wahrscheinlicher, dass dieses zweite Szenario zutrifft, und dann hätten wir als Zivilisation nur eine begrenzte Lebenszeit. In einer Simulation zu leben gäbe mithin Grund zum Optimismus.

Das klingt etwas verschwurbelt und erinnert vage an einen der Gottesbeweise, mit denen sich Theologen seit dem Mittelalter die Zeit vertrieben haben. Die Argumentation ist auch ebenso zwingend – nämlich überhaupt nicht. Allerdings hat Elon Musk hier keine eigenen Gedanken formuliert. Die Idee stammt von dem britischen Philosophen Nick Bostrom, der sie 2003 im Philosophical Quarterly publiziert hat.


Was ist dann aber die Realität?


Wenn wir aber nur simuliert sind, dann haben wir keinerlei Möglichkeit, darauf zu schließen, wie die wirkliche Welt aussieht. Elon Musk und viele andere Vertreter derselben Ideen gehen stillschweigend davon aus, die Realität gliche unserer Welt, sei nur technologisch weiter entwickelt – und eben real (Nick Bostrom hinterfragt diese Vorstellung immerhin). Das ist aber eine durch nichts gerechtfertigte Spekulation. Unsere simulierte Welt könnte auch einfach ein schlechter Scherz sein; ein bloßes Kuriosum. Wir können das nicht wissen. Daher haben wir auch keinerlei Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten zu berechnen.

Vor allem aber geht Elon Musk philosophisch naiv davon aus, wir hätten eine Vorstellung davon, was unter „Realität“ zu verstehen sei und wie wir diese erkennen könnten. Schon Platos Höhlengleichnis zeichnete ein skeptischeres Bild: Vielleicht sehen wir nur Schattenbilder auf einer Höhlenwand, ohne je zu erfahren, wie die Welt außerhalb der Höhle aussieht. Descartes rechnete mit der Möglichkeit eines Dämons, der uns systematisch täuscht, so dass wir unseren Wahrnehmungen nicht trauen können – weshalb er sich auf sein „cogito ergo sum“ zurückzog: Nur seines eigenen Denkens könne er sich sicher sein. Baruch de Spinoza sah uns wie die gesamte Welt als Teil Gottes – also als Simulation, wenn man so will, nur dass diese Simulation die einzige Realität wäre. Und da Spinozas Gott keine Wünsche und Absichten hegt, hätte diese Simulation nicht einmal einen Zweck. Der radikale Konstruktivismus leugnet schließlich jegliche erkennbare äußere Realität – was wir als Wirklichkeit ansehen, sind bloße Konstruktionen.


Fazit


In philosophischer Sicht ist die Unterscheidung zwischen Realität und Simulation alles andere als offensichtlich. Wir müssen akzeptieren, dass wir einen solchen Unterschied nicht erkennen können, womit die Unterscheidung müßig wird. Uns bleibt nur, unsere Welt zu erforschen, was für eine Realität (was immer das ist) oder was für eine Simulationssoftware (wie immer wir uns diese vorstellen soll) auch immer dahinter steht. Der Anthropologe und Philosoph Gregory Bateson hat einmal gesagt, dass es keinen Unterschied gibt, der keinen Unterschied macht. Und ob wir in der „base reality“ oder einer Simulation leben, macht in der Praxis keinen Unterschied.

Michael J. Hußmann
Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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