Kolorieren für Faule
Um ein Schwarzweißbild zu kolorieren, damit es die Anmutung eines Farbfotos bekommt, muss man sich gar nicht viel Mühe machen. Dank einer optischen Täuschung genügt schon ein grobes Raster aus farbigen Linien, um den Eindruck eines vollflächig eingefärbten Bildes zu erwecken.
Wenn Sie sich dieses von Øyvind Kolås veröffentlichte Bild aus nicht zu geringer Entfernung anschauen, werden Sie es vermutlich für ein Farbfoto halten. Tatsächlich ist es ein Schwarzweißbild, das mit einem diagonalen Raster aus farbigen Linien überzogen ist. Im Großteil der Fläche sind jedoch nur Grauwerte zu sehen. Die Illusion einer vollflächigen Einfärbung bleibt gleichwohl bestehen, selbst wenn man die Linien als solche erkennt. Dass diese Täuschung funktioniert, hängt also nicht nur damit zusammen, dass die Auflösung unserer Augen für Farben geringer als die für Helligkeit ist, denn dann müsste wir das Bild aus einem so großen Abstand betrachten, dass die Linienstruktur nicht mehr aufgelöst wird und daher Farben und Tonwerte verschwimmen. Es ist genau genommen gar keine optische Täuschung; vielmehr täuscht uns unser Gehirn, dessen visueller Cortex sich nur so lange mit der Bildverarbeitung beschäftigt, bis es erkannt zu haben meint, was in den Sinnesdaten zu sehen ist. Im Bild eines mit blauen Linien übermalten Pullovers erkennt das Gehirn „Pullover“ und „blau“, was zusammen „blauer Pullover“ ergibt – und das ist es, was wir zu sehen meinen.
Damit wir das Schwarzweißbild und die farbigen Linien getrennt wahrnehmen, müssen wir das Bild in größerem Maßstab betrachten:
Wie man hier erkennt, reichten schon zwei gekreuzte blaue Linien, um die Illusion eines blauen Schraubverschlusses der Wasserflasche hervorzurufen. Warum machen wir uns eigentlich in Photoshop so viel Arbeit, wenn unser Gehirn mit so wenig zufriedenzustellen ist?