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Kippen, drehen schwenken – auf der Suche nach dem einzig wahren Kameradisplay

Im Vorfeld der gerade von Fujifilm angekündigten X-T4 entbrannte wieder einmal eine Debatte um die optimale Kameradisplay-Lösung: Ein fest eingebautes Display, ein bewegliches Display mit einem, zwei oder mehr Freiheitsgrade – oder sollte man besser ganz darauf verzichten?

Kameradisplay
Displaylos: Leica M10-D (Quelle: Leica)
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Das Statusdisplay der Fuji X-Pro3 (Quelle: Fuji)

Es gibt tatsächlich Puristen, die sich eine Kamera ohne Display wünschen – das Display bloß abzuschalten genügt ihnen nicht, denn allein das Wissen, dass es da ist, peinigt sie. Aber auch für sie gibt eine Lösung, wenngleich sie mit 7500 Euro etwas kostspielig ist: Die Leica M10-D hat auf ihrer Rückseite nur ein Belichtungskorrekturrad. Erschwinglicher ist die Fuji X-Pro3, deren Statusdisplay auf der Rückseite die gewählte Filmsimulation anzeigen kann, was auf den ersten Blick wie die Lasche der Filmschachtel aussieht, die man früher in eine dafür vorgesehene Halterung schob – die Älteren unter uns werden sich erinnern. Klappt man die Rückwand allerdings herunter, zeigt sich dahinter ein normales 3-Zoll-Display – es ist bloß etwas unpraktisch zu benutzen, fehlt aber nicht gänzlich, weshalb die X-Pro3 auch nur rund 1900 Euro kostet. Merke: Durch Weglassen von Komponenten werden Kameras nicht billiger, sondern teurer.

Auch unter den Display-Befürwortern gibt es unterschiedliche Strömungen. Die orthodoxe Position verlangt, das Display fest in die Rückwand zu integrieren, sei es, weil man das früher auch immer so gemacht hätte (was übrigens nicht stimmt, denn bewegliche Displays gibt es seit Jahrzehnten), wegen der minimal höheren Bautiefe, oder weil man solche Displays für reparaturanfällig hält. Die durch die Gelenke geführten flexiblen Leiterbahnen, die das Displaypanel mit der Kameraelektronik verbinden, wirken zwar fragil, aber in der Praxis erweisen sie sich doch als sehr robust. Und auch hier gilt: Es reicht nicht, ein bewegliches Display einfach nicht zu bewegen – dass man es könnte ist bereits ein Problem.

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Die Canon-typische Displaylösung, hier bei der EOS 850D (Quelle: Canon)

Die wirklichen Auseinandersetzungen beginnen aber erst, wenn es um die richtige Art geht, ein Kameradisplay in verschiedene Richtungen zu drehen. Die wohl älteste Methode kommt aus dem Camcorder-Bereich: Ein zur Kamera gekehrtes Display wird zum Gebrauch zur Seite ausgeklappt, und eine zweite Drehachse erlaubt dann, es nach oben, unten oder auch nach vorne zu kippen, womit auch Selfies möglich werden. Auf diese Konstruktion gab es ein Canon-Patent, weshalb sie von anderen Kameraherstellern verschmäht wurde, aber mittlerweile findet man sie auch bei Modellen anderer Hersteller. Diese Displays mit zwei Freiheitsgraden sind sehr flexibel und sie bieten den Vorteil, dass sich das Panel wahlweise nach hinten – also wie bei einem fest verbauten Display – oder zur Kamera hin einklappen lässt, womit es vor Kratzern und anderen Beschädigungen geschützt ist. Diesen Vorteil bietet ansonsten nur eine andere Konstruktion, bei der das Display nach unten statt zur Seite ausgeklappt wird. Wenn man die Kamera dann aber auf ein Stativ montiert, bringt es wenig, es für ein Selfie nach vorne zu drehen, da es dann vom Stativkopf verdeckt wird.

Der Nachteil von Canons Lösung besteht darin, dass man das Display zur Seite ausklappen muss, bevor es sich nach oben oder unten kippen lässt. Das nach links vorspringende Display erschwert es, die Kamera mit der linken Hand zu halten. Außerdem irritiert es – insbesondere bei Aufnahmen im Nahbereich –, dass das Display bei Aufnahmen im Querformat nicht in der optischen Achse liegt. Allerdings legen nicht alle Fotografen darauf gleichermaßen Wert.

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Bei der Fuji X-H1 lässt sich das Kameradisplay auch für Hochformataufnahmen nach oben kippen. (Quelle: Fuji)
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Bei der Pentax K-1 II hat Ricoh das Kameradisplay auf vier bewegliche Beinchen gestellt. (Quelle: Ricoh)

Manche Hersteller haben sich auf ein kippbares Kameradisplay beschränkt: Das Panel ist über ein Scharnier an der Unterkante mit einer Platte verbunden, deren Oberkante wiederum mit einem weiteren Scharnier an der Kamera befestigt ist. So lässt sich das Display für Aufnahmen aus niedriger Höhe nach oben kippen – oder nach unten, um mit der über den Kopf gehaltenen Kamera kontrolliert zu fotografieren. Mit einem dritten Scharnier kann man es auch bei Aufnahmen im Hochformat – je nach Konstruktion – nach oben oder unten kippen. Das Display bleibt bei all dem (annähernd) in der optischen Achse. Diese Lösung hatte Fuji beispielsweise bei der X-H1 und der X-T3 gewählt. Bei der Pentax K-1 (II) hat Ricoh die Grundplatte des Displays statt mit einem Scharnier mit vier beweglichen Beinchen mit der Kamera verbunden – damit kann man es für Hochformataufnahmen nach oben und nach unten kippen, wenngleich der Winkel stärker beschränkt ist.

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Ein kippbarer Sucher: Panasonic Lumix GX9 (Quelle: Panasonic)

Für die Verächter beweglicher Displays gibt es übrigens eine Alternative, wenn sie trotzdem – etwa bei Aufnahmen in Bodennähe – von oben auf ein Livebild blicken wollen. Statt des Displays lässt sich auch ein elektronischer Sucher nach oben kippen. Panasonic hat diese Lösung beispielsweise bei der Lumix GX9 verwirklicht. Auch Leicas Aufstecksucher Visoflex für die M10 kann man kippen. Die abnehmbaren elektronischen Sucher der Fuji GFX 50s und GFX100 lassen sich über ein gelenkiges Zwischenstück beweglich machen.

Während nun die Ankündigung der Fuji X-T4 bevorstand und auf den üblichen Gerüchte-Websites verkündet wurde, das neue Modell würde – neben einem integrierten 5-Achsen-Bildstabilisator, der mit einem Bildstabilisator im Stativ zusammenarbeiten kann – ein neuartiges, beweglicheres Display haben, begann die Debatte über das Für und Wider der verschiedenen Varianten. Wie sich herausstellte, ist Fuji vom bewährten Kipp-Design abgewichen und hat sich für die Canon-Konstruktion entschieden. Der Grund dafür ist nicht ganz klar, aber die vorherrschende Meinung ist, dass sie Vlogger ansprechen soll, die – so heißt es –, das Display nach vorne drehen wollen, um sich selbst im Blick zu haben.

Panasonic Lumix S1H (Quelle: Panasonic)

Ob das zutrifft, kann ich nicht beurteilen. Der Blick auf ein Display neben der Kamera ist eigentlich unvorteilhaft, weil der Betrachter des Videos dann den Eindruck bekommt, man blicke links an ihm vorbei. Praktischer wäre ohnehin ein großes HDMI-Display, das man auf die Kamera steckt. Zudem hätte es eine Alternative gegeben, wie sie Panasonic bei der Lumix S1H verwirklicht hat – eine Kipp-Konstruktion, die es aber auch erlaubt, das Display zur Seite und nach vorn zu schwenken. Gegenüber der Canon-Konstruktion fällt nur eine Option weg: Man kann das Display nicht mit dem zur Kamera gedrehten Panel vor Beschädigungen schützen.

Die neue Fuji X-T4 hat ein bewegliches Display, das zur Seite weggeklappt werden muss. (Quelle: Fuji)

Wenn es um das einzig wahre Kameradisplay geht, hege ich selbst ganz entschiedene Überzeugungen. Ich mag keine Displays, die ich erst zur Seite verschwenken muss, bevor ich sie nach oben oder unten kippen kann – also die Canon-Konstruktion. An der Möglichkeit, das Panel zur Kamera hin einzuklappen, liegt mir nichts. Die Schutzwirkung ist zwar nicht zu verachten, aber wann immer ich mit einer Kamera mit einem solchen Display fotografierte, ignorierte ich am Ende diese Option. Es war mir auf Dauer zu mühselig, das Display immer erst auszuklappen, zu drehen und wieder einzuklappen, nur damit ich mir die Aufnahmen im Wiedergabemodus anschauen oder eine Menüeinstellung ändern kann. Neben den vielen guten Eigenschaften, die die X-T4 zu haben scheint, finde ich die Displaylösung daher suboptimal. Aber wie es schon in „Some Like it Hot“ hieß: „Nobody ’s perfect“.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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5 Kommentare

  1. Es kommt wirklich an, ob man Traditionalist oder Praktiker ist. Wer ein Display nicht bewegen möchte, kann es ja bleiben lassen. Doch wer in den Video- oder Filmbereich über den Tellerrand der Fotografie schaut erkennt, dass dort die Sinnhaftigkeit und Funktionalität im Vordergrund steht. Abgesetzte Displays sind üblich, oder kann sich jemand eine Steadicam ohne ein solches vorstellen?
    Und auch beim Fotografieren ist ein bewegliches Display von Vorteil. Auch wenn man mit etwas Erfahrung auch ohne Durchblick mit einer hoch über dem Kopf oder tief am Boden gehaltenen Kamera passable Fotos machen kann, ist die Kontrolle über ein geklapptes Display jedenfalls vorzuziehen. Dass dabei bisher das Hochformat stiefmütterlich behandelt wurde, ist bekannt.
    Will man jedoch ein Video aus oberster Stativposition knapp unter der Zimmerdecke auf einen Tisch oder Boden darunter machen, ist ein möglichst bewegliches Display sehr vorteilhaft, auch deshalb, weil man für seltene Videos nicht unbedingt eine aufwändige Ausrüstung zur Signalverstärkung zur Überbrückung längerer Videoübertagungen über auch nur wenige Meter zu einem externen Monitor zu schaffen.

  2. Sehr geehrter Herr Hußmann,
    in der Tat, es gibt viele Lösungen von Displayaufhängungen.
    Eine Lösung sollten Sie sich noch einmal anschauen, die der Sony Alpha 77/99.
    Diese Lösung halte ich für die universellste am Markt, sehr Flexibel und das noch auf der Optischen Achse, leider hat Sony diese Aufhängung in den Kameras mit dem E-Mount noch nicht verbaut. Es lohn sich eine der Kameras in die Hand zu nehmen und die Möglichkeiten des Displays zu erkunden.

    Viel Grüße
    Peter Juzak

    Ein kleines Beispiel
    http://mikrokristalle.org/zur-technik/

  3. Ich brauche ein Display äusserst selten. Unter Bildjournalisten oder auch bei Sport und Mode gilt: „Wer aufs Display schaut, kommt zu spät und kann eh nicht fotografieren!“
    Ich nutze ein Display nur, um im Menue etwas zu ändern. Sonst ist es eingeklappt, um es im rauhen Alltag zu schützen. Olympus wies bei den alten „E“ darauf hin, dass die Kamera weiter funktioniere, auch wenn das Display abgeschert würde.
    Mir gefällt die Fuji mit der „Filmlasche“. Damit lässt sich abblocken, wenn Leute ankommen: „Zeigen Sie mir doch mal das Bild!“
    Wenn der Nachfolger der X-3Pro mit Bildstabilisator und silberfarben erscheint, muss ich ihn haben. Mit einem leichten Weitwinkel (-Zoom) zur Freude und als Notkamera 😉
    Bei der Presse-Arbeit ist mir aufgefallen, dass Kollegen, die über Displays fotografieren, Problem mit Sonne und Scheinwerfer haben und sehr viel Platz brauchen. „Zik“ war für den Kölner Express über den Sucher schon wieder weg, wenn die Konkurrenz noch am Zielen war.
    Auch Bild-Kompositionen sind mit Sucher viel genauer, da Displays dem Auge weit weniger Details zeigen. Das ist die Praxis und nicht die immer höhere Auflösung von Displays, welche weit über der Auflösung der Augen um 1 MOA liegt.

  4. Bei der Fuji X-3Pro gefällt mir der Sucher, der auf uns Langnasen Rücksicht nimmt. Da – und bei wenigen Andern wie Leica und der Lumix GX9 – drückt man nicht die Nase am Display platt 😉

    1. Da kann ich nur zustimmen. Bei meinen ersten Praxiseinsätzen mit der Lumix GX9 wunderte ich mich über den laufend verstellten Fokuspunkt. Es dauerte einige Zeit, bis ich herausfand, wer da immer wieder eingegriffen hatte. Es war meine Nase. Beim Blick durch den Sucher berührte ich mit der Nase den Monitor und verstellte damit den Fokuspunkt.
      Die GX9 ist jedoch so flexibel, dass ich das Problem ohne Deaktivierung der Fokuseinstellung über den Monitor lösen konnte. Ich klappte den Sucher etwas nach oben und meine Nase war beim Fotografieren nicht mehr beteiligt.
      In meinem Blogbeiträgen vom 23.04. – 23.08.19 habe ich über meine Entscheidung für eine spiegellose Systemkamera und die Erfahrungen mit der GX9 berichtet (letzter Beitrag: https://www.w-fotografie.de/eine-spiegellose-systemkamera-dslm-muss-her-7-kauf-einer-panasonic-lumix-gx9/#more-1179 )

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