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KI-Food-Fotografie im Uncanny Valley: Wenn Fast-Perfekt unappetitlich wirkt

Eine für April angekündigte Studie im Fachjournal „Appetite“ bringt ans Licht, was viele Bildbearbeiter bereits ahnten: KI-generierte Lebensmittelbilder können bei Betrachtern unbewusste Abwehrreaktionen auslösen. Ursache ist das sogenannte „Uncanny Valley“-Phänomen, das die Forscher nun speziell für den Bereich der KI-Food-Fotografie nachweisen konnten.

Das Forschungsteam präsentierte 95 Teilnehmern insgesamt 38 Bilder: realistische Nahrungsmittelfotos, imperfekte KI-generierte Food-Bilder, unrealistische KI-Nahrungsmittel und Aufnahmen verdorbener Lebensmittel. Die Probanden bewerteten diese hinsichtlich Unheimlichkeit, Wärme und Realismus, während sie zusätzlich einen Fragebogen zu ihrer Lebensmittelneophobia ausfüllten.

Die Resultate sind eindeutig:

KI-generierte Nahrungsmittelbilder, die fast, aber nicht ganz realistisch erscheinen, lösen die stärksten negativen Reaktionen aus. Sowohl eindeutig unrealistische KI-Food-Grafiken als auch echte Lebensmittelfotografien wurden hingegen als deutlich angenehmer empfunden. Menschen mit ausgeprägter Lebensmittelneophobia reagierten besonders sensibel auf die subtilen visuellen Fehler in der KI-Food-Fotografie.

Für die Fotografie- und Bildbearbeitungsbranche hat dies handfeste Konsequenzen. Während viele Unternehmen bereits über den Einsatz der KI-Food-Fotografie nachdenken, zeigt die Studie, dass die Technologie möglicherweise noch nicht marktreif ist – zumindest nicht ohne sorgfältige Nachbearbeitung. Das menschliche Wahrnehmungssystem reagiert nach wie vor äußerst sensibel auf feine Unstimmigkeiten, besonders bei etwas so Fundamentalem wie Nahrung.

Entwarnung – zumindest für Food-Fotografen

Diese Erkenntnisse dürften für Food-Fotografen einerseits beruhigend sein, da der Bedarf an echter Lebensmittelfotografie offenbar bestehen bleibt. Andererseits eröffnet das Verständnis der psychologischen Mechanismen hinter dem „Uncanny Valley“-Effekt auch neue Möglichkeiten für hybride Workflows, die konventionelle Fotografie mit KI-Food-Fotografie-Techniken kombinieren.

Die Studie wirft auch grundsätzlichere Fragen auf: Was macht ein „gutes“ Nahrungsmittelbild aus, und wie verändert sich diese Definition im Zeitalter der KI-Food-Fotografie? Während menschliche Fotografen jahrzehntelang an der perfekten Food-Inszenierung gefeilt haben, steht die KI vor der Herausforderung, nicht nur technisch korrekte, sondern auch emotional ansprechende Nahrungsmittelbilder zu erzeugen. Die gleichen Mechanismen könnten zudem auf andere Bereiche der KI-Bildgenerierung übertragbar sein.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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