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Ist Google Maps das bessere Metaversum?

Wie soll die digitale Zukunft aussehen? Würden wir viel Zeit in einer dreidimensionalen virtuellen Welt verbringen wollen? Oder ist es vielleicht reizvoller, die reale Welt um zusätzliche Informationen anzureichern und auf Wunsch mit Google Maps jeden Ort auf dem Planeten in einer 3D-Simulation bereisen zu können?

Das Metaversum – nach Facebook

Wie sich Mark Zuckerberg, CEO von Meta (vormals Facebook) unsere Zukunft vorstellt und was das für uns als Nutzer und Kreative bedeuten könnte, habe ich kürzlich in einem Blogpost etwas ausführlicher beleuchtet.

Die Kurzfassung: Wir sollen mit VR-Brillen und Bewegungssensoren ausgestattet in eine 3D-Welt eintauchen, um dort möglichst viel unserer Arbeits- und Freizeit zu verbringen. Den persönlichen Status dokumentieren wir mit der virtuellen Ausstattung unseres Avatars. Wir kaufen oder basteln ihm Gadgets, leisten uns vielleicht eine schicke 3D-Immobilie in guter Lage. Also irgendwie alles wie im richtigen Leben, nur zusätzlich im virtuellen.

Einige Vorzüge liegen auf der Hand. Wer nur noch virtuell agiert, verbraucht zwar mehr Strom, aber sonst weniger Ressourcen: Keine Reisen, kein Individualverkehr, minimale Wohnfläche, kein Büro. Mode, Medien, Berufs- und Freizeitaktivitäten finden hauptsächlich online statt.

Ist Google Maps das bessere Metaversum?

Und aus Sicht der Plattformen, die uns die virtuellen Rahmenbedingungen liefern, sind wir wegen der vielen Sensoren noch besser zu überwachen. Die Kontrolle ist natürlich kein Selbstzweck, sondern hilft den Algorithmen, unsere Wünsche und unser Verhalten immer präziser vorherzusagen – was uns zu perfekten Kunden macht.

Googels Antwort

Im Geschäft mit personenbezogenen Daten ist Google eine noch viel größere Nummer als Facebook. Aber auch Suchmaschinen müssen sich nach neuen Geschäftsmodellen umsehen, wenn sie für ihre Aktionäre interessant bleiben wollen. In den letzten Jahren bröckelt das Business, da viele User eigentlich artfremde Angebote wie Amazon (für Produkte) oder Facebook beziehungsweise Instagram für die Suche nach Nachrichten nutzen.

Immersive Views

Aus diesem Grund intensiviert Google seit einiger Zeit viel Geld in sein Produkt „Maps“. Das ist bisher eher ein weltweiter Kartendienst, basierend auf Google Earth – das übrigens der Idee nach eine deutsche Erfindung ist. Die meisten Smartphone-User setzen Maps längst als Alternative zu klassischen Navigationssystemen ein. Und entsprechend gut sind dessen Echtzeitvorhersagen zu Staus und Behinderungen.

Googles Ziel ist es, diesen kostenlosen Dienst zur nächsten großen digitalen Infrastruktur umzubauen. So wird Maps etwa unter dem Stichwort „Immersive View“ um dreidimensionale Ansichten erweitert, die Google aus Karten, Satellitenbildern, Street-View-Aufnahmen, privaten Fotos und mithilfe von viel künstlicher Intelligenz generiert.

Damit sind auch Innenansichten von (öffentlichen) Orten möglich, die man dann per Maps virtuell begehen kann. Die App erzeugt ein Abbild der echten Welt, erweitert um zusätzliche Informationen. In der Fachsprache nennt man das eine Augmented-Reality-Cloud.

Google Maps als Mega-App

Im Idealfall funktioniert das in naher Zukunft so: Egal, wo man sich auf der Welt befindet (natürlich vorausgesetzt man hat Internetzugang) erfährt man über den jeweilige Ort alles: Also zunächst einmal welche Geschäfte/Restaurants/Museen/etc. es in der Umgebung gibt und wie weit sie vom aktuellen Standpunkt entfernt sind. Okay, das ist längst Realität.

Neu wäre es, wenn wir gleich sehen könnten, was die Tagesspezilität eines Restaurants ist, welche aktuellen Ausstellungen in einem Museum gezeigt werden oder welche Sonderangebote es jetzt in dem Schmuckgeschäft schräg gegenüber gibt.

Praktisch könnte es auch sein, während man an der Bushaltestelle steht, zu der man von der App geschickt wurde, um ins Kino zu kommen, unter derselben Nutzeroberfläche die Navigation vorzunehmen sowie das Ticket für die Beförderung und das für den Kinoeintritt mit Platzwahl zu kaufen.

Oder mit derselben App Arzttermine zu vereinbaren inklusive Gesundheitsdaten-Übermittlung, einen Tisch im Restaurant zu reservieren beziehungsweise einen Hotelaufenthalt komplett abzuwickeln.

Ist Google Maps das bessere Metaversum?

Oder gleich einen digitalen Reisebegleiter in der Hosentasche zu haben. Einen, der von der AirBnB-Buchung, der Transportorganisation zur Unterkunft, der Verpflegung vor Ort (unter Berücksichtigung aller Lebenmittel-Unverträglichkeiten) bis hin zur stadtführungsartigen Erklärung der Hotspots oder der Suche nach günstigen Geschäften mit landestypischen Souvenirs alles übernimmt. Kurz, den komfortableren Zugang zum realen Leben zu bekommen – mithilfe einer viele Services umfassenden KI-App.

Augmented Reality

Der nächste Schritt besteht darin, weitere Informationsebenen zu verknüpfen. Vorausgesetzt man nutzt eine Kamera im Smartphone oder eine AR-Brille, bekommt Google immer aktuelle Bilder der Orte mit hoher Publikumsdichte. Es ließe sich also für jeden aus der Ferne überwachen, wie es jetzt gerade an allen belebten Orten aussieht. Theoretisch könnte man auch abgleichen, was oder wer sich dort gerade befindet.

Sich den Namen einer exotischen Blume in einem botanischen Garten mit Hintergrundinfos anzeigen zu lassen, ist vermutlich eher unterhaltsam. Aber sich den Namen, den Lebenslauf und die sexuellen Vorlieben von der Dame, die im Café am Nebentisch sitzt, anzeigen zu lassen, würde man vermutlich schon als übergriffig bewerten.

Ist Google Maps das bessere Metaversum?

Zum Glück leben wir in einer Demokratie europäischer Art, und so bleibt die automatische Personenerkennung ein Tabu. Ebenso Informationen, wer in welchem Haus lebt oder was diese Menschen Interessantes in den sozialen Medien und beim Suchen bei Google an digitalen Spuren hinterlassen haben.

Genau genommen können Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft und natürlich auch die NSA seit Jahren auf all diese Informationen zurückgreifen. Die genannten Wirtschaftsunternehmen nutzen sie nicht nur, die meisten verkaufen sie auch. Gläsern sind wir also längst, sofern wir das Internet benutzen. Die einen sind es mehr, die anderen etwas weniger. Da muss man sich nichts vormachen. Getreu dem Motto: Wenn es nichts kostet, bist Du die Ware.

Fazit

Vermutlich werden sich beide Konzepte durchsetzen. Metas Idee vom 3D-Metaversum mit eher unterhaltsamen Inhalten trifft überwiegend den Geschmack der Generation Z und wird die jüngeren Millenials begeistern. Googles aufgebohrte Komfort-Realität findet ihre Freunde eher bei den Älteren, die lieber mit einem handlichen Device wie einer Brille oder dem Smartphone Dienste abrufen, statt ganz in virtuelle Welten einzutauchen. Es werden sich in den nächsten Jahre beide Welten parallel entwickeln, wobei das 3D-Metaversum es schwerer haben wird, sich durchzusetzen. Kurzfristig ist mit Sicherheit ein besseres Google-Maps der Gewinner. Allein schon deshalb, weil es weltweit bereits auf weit über 80 Prozent aller Smartphones installiert ist.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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