Ist das Mittelformat geschrumpft?
Unter „Mittelformat“ stellt man sich traditionell eines der Bildformate des Rollfilms Typ 120 vor, also etwa 56 mm × 42 mm oder das quadratische 56 mm × 56 mm-Format. Die Kameras, die heute den Mittelformatmarkt dominieren, haben dagegen kleinere Sensoren von 44 mm × 33 mm. Haben größere Formate noch eine Zukunft?
Nach den größeren Sensoren muss man mittlerweile suchen. Auf Hasselblads Website findet man nur noch Modelle des X- und des V-Systems, beide mit den kleineren Sensoren, deren Diagonale 1,25 mal größer als die des Kleinbildformats ist (das H-System ist versteckt und wird im Store nicht mehr angeboten). Fuji, die den Mittelformatmarkt mit ihrem GFX-System aufgerollt haben, setzte von Anfang an auf dieses Format. Leica, deren S-System mittlerweile aus der Zeit gefallen scheint, weil es weiter auf die Spiegelreflextechnik setzt, verwendet das minimal kleinere Format von 45 mm × 30 mm. Immerhin ist PhaseOne dem traditionellen Format treu geblieben und bietet weiterhin Kameras mit 150-Megapixel-Sensoren an, die 53,4 mm × 40 mm messen.
Auf der anderen Seite ist der Markt für das „große“ Mittelformat zwar geschrumpft, der Markt im Ganzen aber gewachsen, was insbesondere Fuji zuzurechnen ist. Während eine Mittelformatausrüstung früher Wünsche weckte, die sich die allermeisten Fotografen am Ende nie erfüllt haben, sind Formate jenseits des Kleinbildformats inzwischen im Mainstream angekommen. Die Kameras sind kleiner und leichter geworden, aber vor allem erschwinglicher, und die kleineren und in größeren Stückzahlen produzierten Sensoren haben einen wesentlichen Anteil daran.
Im alten digitalen Mittelformatmarkt wurden so wenige Kameras abgesetzt, dass er für die großen Hersteller uninteressant war. Das führte auch dazu, dass technische Neuerungen dort zuletzt ankamen. Lange Zeit wirkten die Mittelformat-SLRs mit digitalen Rückteilen wie Bastellösungen, da die beiden Teile nur rudimentär miteinander kommunizierten und jeweils eine eigene Batterie benötigten. Die neuen spiegellosen Mittelformatkameras bieten dagegen den gewohnten technischen Standard und die Funktionen, die vom Kleinbildformat bis MFT längst selbstverständlich sind.
Insgesamt hat das Mittelformatsegment einen großen Entwicklungssprung gemacht und ist heute attraktiver denn je. Nicht so sehr trotz, sondern vor allem wegen der kleineren Sensoren.
Marketingleute schaffen ja alles. Wundersame Brennweitenverlängerungen bei kleineren Sensoren als Beispiel. Und da man meines Wissens keine größeren Sensoren bauen kann, nennen Marketingleute eben alles, was größer als 24×36 ist, Mittelformat.
Marketingleute sind immer im Recht. Siehe von allen Journalisten und den meisten Kameraherstellern genannte Brennweitenverlängerung, die es eben nicht gibt. Doch welcher Marketingmensch versteht denn etwas von Cropfaktor? Und das soll man einem dummen Kamerakäufer zumuten?
Ich bin ja nicht so ein hochgebildeter Fachmann wie der Autor des Blogs, doch nach meinen laienhaften Vorstellungen wäre, wenn technisch überhaupt möglich (also ohne großen Ausschuss bei der Fertigung), es sehr schwierig einen Waver für einen so großen Sensor in einem für eine Kamera brauchbaren Temperaturbereich zu halten.
So vorteilhaft und wünschenswert wirklich große Bildformate besonders für Fachkameras und für Aufnahmen in Innenräumen (viel längere Brennweiten bei gleichem Bildwinkel und damit viel geringere Weitwinkelverzerrungen) wären, erkenne ich seit Jahren keine technische Entwicklung in diese Richtung.
Wenn nicht wirklich professionelle Anwendungen aus anderen Bereichen der Wirtschft eine Entwicklung anstoßen sehe ich keinen Bedarf aus dem Consumersektor, der bekanntlich auch den professionellen Fotografenbedarf umfasst.
Wer also tatsächlich Fotos, wie man sie rund um 1900 machen konnte machen will, muss analog fotografieren, und das mit Filmgrößen um die 8 oder 10 Zoll.
Die Wafer, also die aus einem Silizium-Einkristall gesägten Scheiben, aus denen wiederum die Chips geschnitten werden, gibt es mit einem so großen Durchmesser, dass man auch größere Sensoren als die größten Mittelformatsensoren produzieren kann. (Der englische „Wafer“ ist übrigens mit der deutschen „Waffel“ verwandt.) Canon hatte schon vor 13 Jahren einen CMOS-Sensor im Format 202 mm x 205 mm entwickelt, der aus einem 300-mm-Wafer geschnitten wurde. Dessen Einsatzgebiet lag allerdings nicht in der bildmäßigen Fotografie, sondern unter anderem in der Astrofotografie.
Mittelformatsensoren im Formfaktor 53 mm × 40 mm sind dagegen ein gängiges Produkt; man kann sie aus dem Katalog bei Sony bestellen, wie es PhaseOne wohl tut. Solche Sensoren, die 150 Megapixel auflösen, decken dann annähernd das Bildfeld ab, das früher der Rollfilm bot. Sie sind aber nicht nur überproportional teurer als Kleinbildsensoren, sondern lassen sich auch nur recht langsam auslesen.
Generell ist die Ausschussquote bei großen Sensoren deutlich höher, was den Preis in die Höhe treibt. Die Größe des Wafers spielt dabei keine Rolle; ausschlaggebend ist vielmehr die Größe der Chips. Wenn man einen großen Wafer in viele kleine Chips zerschneidet, werden einige davon Fehlstellen im Silizium enthalten und müssen aussortiert werden, aber die meisten Chips sind einwandfrei. Wenn man aus dem Wafer aber nur einen sehr großen Chip schneidet, ist bei der gleichen Zahl von Fehlstellen die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Fehler im Bereich dieses einen Chips liegen, und dann ist der ganze Wafer Ausschuss.
Die Ableitung der Wärme ist nicht so sehr das Problem, schon weil eine größere Fläche des Chips ja auch die Fläche vergrößert, über die man die Wärme abführen kann. In der Astrofotografie ist es gängig, die verwendeten Sensoren über Peltier-Elemente zu kühlen, was bei den verwendeten langen Belichtungszeiten ratsam ist, um das Dunkelstromrauschen zu begrenzen. Das ist aber bei allen Sensorgrößen so.
Nebenbeibemerkt: Einen Vorteil „viel längere(r) Brennweiten bei gleichem Bildwinkel und damit viel geringere Weitwinkelverzerrungen“ gibt es nicht. Die Verzerrungen/Verzeichnungen sind durch große Bildwinkel bedingt, nicht durch eine kurze Brennweite. Bei extremen Weitwinkelobjektiven ist es immer eine Herausforderung, die tonnenförmige Verzeichnung in Grenzen zu halten, auch wenn die Brennweite aufgrund eines großen Bildformats relativ lang ist. Dasselbe gilt für die perspektivischen Verzerrungen am Bildrand, die durch die rektilineare Projektion verursacht sind.
Wenn ich einen bestimmten Standpunkt einnehme und von hier aus einen bestimmten Bildausschnitt fotografieren möchte:
Ja, dann gilt: Je größer der Sensor, desto länger die Brennweite.
Aber: Je größer der Sensor, desto größer auch der Bildausschnitt.
Beide Effekte heben sich auf, so dass die perspektivischen Verzerrungen gleich sind.
Also nicht weniger Verzerrung durch die längere Brennweite, wenn der Bildausschnitt um denselben Faktor steigt (hinsichtlich der Diagonale).
… oder: Bildkreis (statt Bildausschnitt).
Im ersten Satz ist „Bildausschnitt“ richtig.
Aber danach muss es „Bildkreis“ heißen:
Je größer der Sensor, desto größer auch der Bildkreis.
— Könnte man Kommentare editieren, hätte ich es oben direkt verbessert. Sorry.
(Jetzt „Bildausschnitt“ und „Bildkreis“ richtig eingesetzt)
Wenn ich einen bestimmten Standpunkt einnehme und von hier aus einen bestimmten Bildausschnitt fotografieren möchte:
Ja, dann gilt: Je größer der Sensor, desto länger die Brennweite.
Aber: Je größer der Sensor, desto größer auch der Bildkreis.
Beide Effekte heben sich auf, so dass die perspektivischen Verzerrungen gleich sind.
Also nicht weniger Verzerrung durch die längere Brennweite, wenn der Bildkreis um denselben Faktor steigt (hinsichtlich der Diagonale).
Zitat: Mittelformatsensoren im Formfaktor 53 mm × 40 mm sind dagegen ein gängiges Produkt
Gängig heißt, dass es z.B. die Hasselbald zum Schnäppchenpreis von jenseits von € 25000,- gibt. Oder noch teurere, wenn sie mehr als 100 Megapixel haben sollen. Un dbei einem Sensorformat 53×40 sind wird, was die Brennweiten anbelangt, noch weit vom Rollfil und um Längen von einer Fachkamera entfernt. Präzision ist fast alles im Leben.
Zitat: Die Größe des Wafers spielt dabei keine Rolle; ausschlaggebend ist vielmehr die Größe der Chips.
Eben, da ein Sensor üblicherweise ein Chip ist.
Zitat: Wenn man einen großen Wafer in viele kleine Chips zerschneidet…
Kann man aus kleinen Chips keinen großen Sensor zusammenkleben.
Zitat: Die Ableitung der Wärme ist nicht so sehr das Problem…
Man hat ja erfahren, dass größere Chips, aus denen man noch dazu in erträglicher Zeit die Informationen auslesen sollte, mit dem Vergrößerungsfaktor LängexBreite, also nicht(!) linear, Stromflüsse haben. Jeder Stromfluss bedeutet auch wegen des elektrischen Widerstands Wärmeentwicklung. In einer handlichen Kamera möglichst mit passiver Kühlung ist die Wärmeableitung sehr wohl eine Herausforderung.
Zitat: Canon hatte schon vor 13 Jahren einen CMOS-Sensor im Format 202 mm x 205 mm entwickelt…
So ein Sensor ist ist dann sicherlich in einer Kamera um 600 Euronen eingebaut worden.
Zitat: Nebenbeibemerkt: Einen Vorteil „viel längere(r) Brennweiten bei gleichem Bildwinkel und damit viel geringere Weitwinkelverzerrungen“ gibt es nicht. Die Verzerrungen/Verzeichnungen sind durch große Bildwinkel bedingt, nicht durch eine kurze Brennweite. Bei extremen Weitwinkelobjektiven ist es immer eine Herausforderung, die tonnenförmige Verzeichnung in Grenzen zu halten…
Wenn man mit Brennweiten von z.B. 24mm oder gar 17mm z.B. in einem Innenraum fotografiert, kann man Verzerrungen von nahen Objekten sehr gut erkennen. Man muss es eben nur mal tun. Wenn man an einer Seitenwand in einem alten Schloss eine Stuhlreihe hat, dann wird der vorderste Sessel so langgesteckt wie eine Dreierbank. Auf alten Fotos mit einer Fachkamera konnte für den selben Bildausschnitt mit einer ungleich längeren Brennweite der selbe Ausschnitt fotografiert werden, ohne scheinbare Streckung der Stuhlbreite.
Weitwinkelverzerrungen haben _nichts_ _mit_ _tonnenförmigen_ _Verzerrungen_ _zu_ _tun_. Tonnen- und kissenförmige Verzerrungen sind Eigenschaften von Objektiven, die bei teureren Objektiven durch geeignete Linsenkombinationen zu einem guten Teil vermindert werden können. Kann man, wenn man sich die Mühe macht zu fotografieren, verifizieren. Anders bei sogenannten Fisheye-Objektiven, bei denen man diesen Effekt eher noch fördert.
Zitat: Die Verzerrungen/Verzeichnungen sind durch große Bildwinkel bedingt, nicht durch eine kurze Brennweite…
Wenn man mit unterschiedlichen Filmformaten fotografiert kann man mit ausreichender Aufmerksamkeit erkennen und feststellen, dass man bei einem kleineren Filmformat aus der selben Position eine kürzere Brennweite verwenden muss. Und dass eben bei kürzeren Brennweiten Objekte ganz im Vordergrund ungleich größer erscheinen. Wenn das zusätzlich in Fluchtlinien geschieht kann der Effekt unangenehm werden. Wenn man es nicht selbst fotografiert und es nicht erkennt, dann sei es eben so.
Das alles zu beantworten, würde Mitleser sicher ermüden, und nur für die schreibe ich das ja …
Aber um einem leider oft zu lesenden Unsinn entgegen zu treten: Wenn Objekte im Vordergrund sehr viel größer als solche im Hintergrund erscheinen, liegt das allein an der Perspektive, die wiederum von der Entfernung abhängt. Und nicht von der Brennweite. Spätestens seit Erscheinen von Albrecht Dürers Standardwerk über die Perspektive ist das endgültig geklärt.
Also ich finde Artikel und Postings, die die Welt der Kameratechnik tiefer abhandeln, als eh alle anderen 08/15 Blablas, eher erhellend als ermüdend und vermute, dass es auch andere Leser gibt die so denken könnten. Ich bin neu hier und nehme dieses Medium als eines, dass tiefergehende Informationen bereitstellt, war. Das gefällt mir und wenn ich das hier bekomme, bleibe ich auch da. Und ich denke, ich bin da nicht alleine.
Im Grunde ist es nämlich so, ich bin Fotograf und dass schon seit über 40 Jahren und immer wieder fällt mir auf, dass nicht nur ich, sondern auch viele jungen Kollegen von der Technik hinter der Fotografie recht wenig Ahnung haben. Aber viele sind neugierig. Immer wieder werden mir Fragen gestellt, die ich einfach nicht beantworten kann, ohne mich selbst zu informieren. Deshalb bin ich für vertiefte Informationen immer dankbar.