Blog

Hohe Weihen fürs Fixierbad: Analoge Fotografie ist Immaterielles Kulturerbe

Die klassische, chemiebasierte Fotografie, gemeinhin als analoge Fotografie bezeichnet, zählt nun zum Immateriellen Kulturerbe in Deutschland. Sie reiht sich damit in eine Liste ein, altehrwürdiger Praktiken wie der Falknerei, dem Orgelbau oder der Flößerei ein. Oder weniger geläufiger Praktiken wie dem Englmarisuchen, dem Singen des Steigerlieds oder Rotwelsch-Dialekten. Dennoch ist die Aufnahme ein Schritt, der die historische und kulturelle Bedeutung des „Zeichnens mit Licht“ unterstreicht.

Von der Ministerin geadelt

Die formale Anerkennung erfolgte durch die Kulturministerkonferenz der Länder und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Noch-Kulturstaatsministerin Claudia Roth betonte die kulturelle Vielfalt, die sich in den Neuaufnahmen spiegele, und nannte die Aufnahme der Analogen Fotografie „wie etwa auch [den] Glockenguss und [die] Glockenmusik eine wichtige Würdigung dieser Kulturtechnik“.

Der Antrag des Deutschen Fotorats, eingereicht im Herbst 2023, wurde durch Gutachten von Prof. Dr. Rudolf Gschwind und Prof. Ute Mahler gestützt. Bereits im Herbst 2024 war die analoge Fotografie in das Landesinventar von Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden, was die Basis für die bundesweite Nominierung bildete.

Die Begründung der UNESCO-Kommission hebt die prägende Rolle der im 19. und 20. Jahrhundert entwickelten Verfahren für unsere Gesellschaft hervor. Es ist also eine Anerkennung einerseits für eine historische Technik, deren breite Anwendung der Vergangenheit angehört, andererseits aber auch für eine Nische, die von Enthusiasten und Profis bewusst gepflegt und neu entdeckt wird.

Zwischen Nischendasein und Kultstatus

Was bedeutet diese Ernennung nun für die Praxis der Fotografie und Bildbearbeitung? Direkte finanzielle Zuwendungen sind mit dem Status als Immaterielles Kulturerbe in der Regel nicht verbunden. Der Wert ist primär symbolischer Natur – eine offizielle Bestätigung des kulturellen Rangs. Es ist eine Anerkennung für all jene, die sich weiterhin bewusst für die Arbeit mit Film, Chemikalien und Vergrößerungsgeräten entscheiden, sei es aus Faszination für den Prozess, wegen der spezifischen Ästhetik, oder aus einem Interesse an der handwerklichen Tiefe. Die UNESCO würdigt explizit den Charakter als „traditionelle Handwerkstechnik“.

Diese offizielle Würdigung kann Institutionen wie der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh), Vereinen, Festivals wie analogueNOW! oder spezialisierten Laboren und Werkstätten ideellen Rückenwind geben. Sie unterstreicht, dass analoge Fotografie mehr ist als nur ein nostalgischer Trend. Es geht um die Bewahrung eines komplexen Wissenssystems und die Wertschätzung des Handwerklichen und des bewussten, limitierten Vorgehens in einer Zeit der digitalen Bilderflut und der sofortigen Verfügbarkeit.

Die Aufnahme ins Verzeichnis stellt die analoge Fotografie somit in einen größeren kulturellen Kontext. Sie erinnert daran, dass die Grundlagen unserer heutigen visuellen Welt – von der Komposition bis zur Lichtsetzung – maßgeblich in der Auseinandersetzung mit den analogen Verfahren entwickelt wurden. Für Profis, die vielleicht selbst noch den Geruch von Fixierbad kennen oder heute bewusst wieder zur analogen Mittelformat- oder Großbildkamera greifen, ist es eine Bestätigung, dass ihr Handwerk und dessen Geschichte einen festen Platz im kulturellen Gedächtnis verdient haben. Die Weitergabe des Wissens, so die UNESCO, erfolge heute vor allem niedrigschwellig über soziale Medien, Magazine und Tutorials. Ob dies die ganze Komplexität abbilden kann, bleibt abzuwarten, doch die Anerkennung als Kulturerbe schafft eine wichtige Grundlage für die weitere Auseinandersetzung mit der immer noch faszinierenden Technik.

Zeig mehr

Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

3 Kommentare

  1. Gut, ja gut, daß es nun wieder Personen gibt, die noch den Unterschied zw. D-76 und ID-11 kennen oder sich zumindest dafür interessieren. Wir haben in den 90ern Cibachrome-Entwickler selbst angestzt, und auf dem Knie die Jobo-Dose gedreht, da der Jobo-Motor für die sanfte Cibachrome-Entwicklung einfach zu schnell und hysterisch war. Stichwort VPS zum Dia hatte extreme Blautöne, die nur bei langsamer Bewegung kamen.
    WIr wissen also wovon wir sprechen……, in der Praxis ist es immer etwas anders….
    By the way, ID-11 war ab 1992 aufgrund von inhaltlich Metol anstelle des Phenidon(-S) im D-76 Entwickler einiges kornschärfer, getestet und selbstredend belegt.
    Eine saubere Low-Color-C41 Entwicklung mit push +1 bei VC800 war und ist immer noch unsere beste Errungenschaft in der damaligen Metorette 8012 Filmentwicklungsmaschine, die letzte ihrer Art steht bei uns nagelneu im Keller und soll bald wieder Low-Color/ LC41 zaubern.

    Weiter Ankedoten sind selbstredend abrufbar, best Jens Rosendahl
    rosen@pr-inter.de

  2. Danke für den schüchternen Hinweis, dass die klassische Fotografie als „chemiebasiert“ beschrieben wird. „Silberbasiert“ ginge auch, nur „analog“ ist insofern schwachsinnig, weil die digitale Fotografie natürlich genauso analog ist und das mit diesem Wort als kein Unterschied beschrieben werden kann. „Eingeführt“ heißt eben für ein Wort nicht automatisch sinnvoll.

    1. Nicht alle chemische Fotografie ist silberbasiert, auch wenn die Silberhalogenidfotografie sicherlich dominiert. Die Cyanotypie (eine Technik, auf die wir in DOCMA schon mehrfach eingegangen sind) kommt ohne Silber aus.

      Der Sensor einer Digitalkamera ist tatsächlich ein analoges Bauelement, denn seine wesentliche Aufgabe ist die fotoelektrische Umwandlung, die eine dem einfallenden Licht analoge elektrische Ladung erzeugt. Erst die Analog/Digital-Wandler erzeugen daraus digitale Werte, sind heutzutage allerdings durchweg in den Sensor-Chip integriert, so dass an dessen Ausgang bereits digitale Werte anliegen.

      Auf der anderen Seite ist es gar keine so einfach zu beantwortende Frage, was denn in der „Analogfotografie“ die der Lichtmenge analoge Größe ist. Auf dieses Thema war ich hier schon mal eingegangen (https://www.docma.info/blog/analoge-und-digitale-fotografie), vor allem weil man auf diesem Wege herausfindet, weshalb ein Vergleich der Bildauflösung elektronischer und chemischer fotografischer Verfahren so schwierig ist – manche versuchen ja, die Auflösung von Filmemulsionen in Megapixeln zu beziffern, was nicht so ganz aufgeht.

Schreibe einen Kommentar

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu schreiben.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"