Hinter’m Horizont geht’s weiter – photokina 2016 und die Zukunft
Die photokina ist beendet, aber hat sie eine Richtung aufgezeigt, in die sich die Fototechnik entwickelt? Die Marktführer ließen keine langfristige Strategie erkennen; die Akzente setzten andere. DOCMA macht sich Gedanken zur photokina 2016 und die Zukunft.
Die gute Nachricht ist, dass es mit der photokina weitergehen soll. Das Datum der nächsten Weltmesse der Fotografie steht schon fest: 25. bis 30. September 2018. Mit geschätzt rund 191.000 Besuchern war die Messe in diesem Jahr auch gut besucht – etwas besser sogar als die photokina 2014. Der Anteil der jüngeren Besucher (unter 30 Jahren) ist um ein Fünftel gestiegen. Wären die Eintrittspreise nicht so hoch gewesen (53 Euro für eine Tageskarte, 33 Euro im Vorverkauf), hätte die photokina vermutlich noch ein deutlich größeres Publikum gefunden. Aussteller zahlten übrigens zwischen 175 und 199 Euro pro Quadratmeter, abhängig vom Datum der Buchung. Die Tatsache, dass manche Hersteller ihre Stände verkleinert haben, könnte darauf hindeuten, dass es die Messegesellschaft überzieht. Wie viele Hallen in zwei Jahren noch gefüllt werden können, bleibt abzuwarten. Photokina 2016 und die Zukunft? Besonders auffällig war der Schrumpfungsprozess in Halle 3.2, die sich wie eh und je Canon und Panasonic teilten: Der Panasonic-Stand sah aus wie immer, während der Canon-Stand zwar noch immer der Größere der beiden, aber an allen Seiten deutlich geschrumpft war. Da die freigewordenen Flächen offenbar nicht vermietet werden konnten, entstanden große Freiflächen – nützlich für das schnelle Fortkommen gestresster Messebesucher, die eigentlich zu Nikon oder Olympus in Halle 2.2 wollten, aber auch kein gutes Zeichen für die Zukunft der Messe.
Die Marktführer Canon und Nikon haben keine (nennenswerten) neuen Produkte auf der photokina vorgestellt, auch wenn natürlich die im Vorfeld der Messe angekündigten Kameras und Objektive zu sehen und auszuprobieren waren. Sony hat die Alpha 99 Mark II angekündigt – eine zweischneidige Neuerung, wie ich bereits erwähnt hatte. Die Fotobranche ist in der Krise, wofür üblicherweise die Smartphones verantwortlich gemacht werden, die die Kompaktkameras weitgehend ersetzt haben. Da Fotos schon lange nicht mehr in Alben geklebt, sondern in sozialen Netzwerken geteilt werden, ist eine Kamera ohne eigenen Internetzugang hier eine Sackgasse. Manche Hersteller suchen daher ihr Heil in Kooperationen: Leica konzipierte eine duale Kamera für Huaweis Smartphone P9, während Hasselblad gemeinsam mit Motorola eine sich magnetisch mit dem Handy verbindende Kamera mit 10fach-Zoom entwickelt – leicht verdientes Geld, wie bei Hasselblad zu hören war.
Natürlich bedrohen die Smartphones nicht den gesamten Fotomarkt, denn obwohl aktuelle Handys durchaus respektable Bilder liefern können, werden sie in der professionellen Fotografie kaum Fuß fassen. Aber wie geht es dort weiter? Die vor acht Jahren eingeführten spiegellosen Systemkameras haben die Spiegelreflexkameras zwar nicht verdrängen können, aber mittelfristig ist die Wachablösung unausweichlich. Spiegellose DSLR-Alternativen gibt es nicht länger nur mit Sensoren im APS-C- und Micro-FourThirds-Format, sondern mittlerweile auch im Kleinbildformat (von Sony und Leica) und neuerdings sogar im Mittelformat (von Hasselblad und demnächst von Fuji).
Die spiegellose Kameratechnik zeigt derzeit die größere Dynamik, verglichen mit den DSLRs, und wenn man im Spiegelreflexbereich nach pfiffigen Lösungen sucht, findet man sie eher bei kleineren Herstellern wie Ricoh und ihrer Marke Pentax. Canon und Nikon wursteln derweil weiter. Canon ist im Kameramarkt, was Bayern München in der Bundesliga ist, und die Einstellung „Mia san mia“ und „Wo wir sind, ist oben“ macht wohl zu selbstgefällig, was leicht abgeschwächt auch für Nikon gilt. Ob Nikons schon durch die geringe Sensorgröße benachteiligtes spiegelloses System überhaupt noch weiterentwickelt wird, lässt sich schwer sagen – großzügigerweise könnte man annehmen, dass nur die nach dem Erdbeben andauernde Verknappung von Sony-Sensoren die Ankündigung neuer Produkte verhindert. Canon hat mit der EOS M5 endlich eine spiegellose Systemkamera vorgestellt, die dem Ruf dieses Herstellers gerecht wird, aber das grundlegende Problem bleibt: Diese Kamera repräsentiert bereits die höchste Ausbaustufe ihres Systems. Wer mit einer von Canons DSLRs für den Amateurmarkt anfängt, darf davon träumen, irgendwann zu einer EOS 5D und EOS-1D aufzusteigen, aber im spiegellosen Bereich hat man schnell das Ende des Weges erreicht. Eine Antwort auf die Frage, ob es irgendwann eine spiegellose Alternative auch für den Profi und den fortgeschrittenen Amateur geben wird, bleiben Canon wie Nikon schuldig.
Sony wiederum probiert viele Alternativen aus und baut Kameras sowohl mit als auch ohne Spiegel, aber eine wohlüberlegte Strategie lässt sich nicht durch die Methode von Versuch und Irrtum ersetzen. Die Nachteile zeigen die aktuellen Alpha-Modelle – einerseits Kameras mit Spiegel, aber ohne Spiegelreflexsucher, andererseits spiegellose Modelle, bei denen Sony einen Kleinbildsensor hinter ein eigentlich für APS-C konzipiertes Bajonett gezwängt hat. Allerdings hat Sony eine sichere Bank: Fast alle Kamerahersteller setzen ganz oder überwiegend auf Sony-Sensoren.
Im Mittelformatmarkt verspricht es spannend zu werden, denn die spiegellose Technologie wird mit kleineren Kameras zu kleineren Preisen unsere Vorstellungen von der Mittelformatfotografie gründlich verändern – erst recht, wenn künftig ein globaler elektronischer Verschluss den bislang üblichen Zentralverschluss in jedem Objektiv überflüssig machen wird. Für Canon und Nikon wäre es schwierig, hier mitzumischen. Natürlich könnten beide Hersteller jederzeit ein technisch überzeugendes Mittelformatsystem auflegen, aber sie werden es vermutlich nicht tun. Insbesondere Canon hat schon lange – und zu Recht – betont, dass digitale Kleinbildkameras längst leisten, wofür früher eine Mittelformatausrüstung nötig war, und dieser Erkenntnis werden sie nicht abschwören. Ein Kamerasystem mit größerem Sensor würde unweigerlich die Botschaft senden, dass eine EOS-1D doch nicht alles bietet, was sich ein Fotograf wünschen könnte, und wertet damit das gesamte EOS-System ab. Entsprechendes gilt für Nikon.
Fuji hat es geschickt angestellt, das Kleinbildformat zu überspringen und ergänzend zum X-System mit APS-C-Sensoren nun das GFX-System mit doppelt so großen Sensoren zu entwickeln. Die GFX 50s ist zwar nicht größer und sogar leichter als eine professionelle Kleinbild-DSLR und ihr Preis wird vermutlich deutlich unter 10.000 Euro bleiben – zum X-Systen bleibt der Unterschied hinsichtlich Größe, Gewicht und Preis dennoch so groß, dass ein X-Fotograf neidlos zugeben kann, dass eine GFX 50s wohl leider geil sei, eine X-T2 oder X-Pro2 aber doch die insgesamt sinnvollere Wahl ist.
Nach dem gleichen Muster könnten Olympus und Panasonic auf die Idee kommen, als Ergänzung zu Micro-FourThirds ein Kleinbildsystem zu entwickeln. Ähnlich wie bei Fuji entspräche dem ein Faktor 2 bei den Sensorgrößen – groß genug, dass kein Kunde lange überlegen wird, welches das optimale System für ihn ist. Kannibalisierungseffekte wären dabei nicht zu befürchten, dafür aber eine Ausweitung des Marktes, den man erreichen kann. Photokina 2016 und die Zukunft – die nächste photokina 2018 könnte spannend werden.