Grianghrafadóireacht
Kürzlich schickte mir eine Freundin das Foto eines Schildes, das sie im Flughafen von Dublin aufgenommen hatte – verbotenerweise, denn auf dem Schild stand „Cosc ar Grianghrafadóireacht“, also sinngemäß „Fotografieren verboten“. Grianghrafadóireacht, das klingt wie einem irischen Epos entsprungen, wie der Name der Ebene, auf der sich einst die Krieger von Ulster und Connacht zur Entscheidungsschlacht rüsteten. Tatsächlich ist es einfach nur das irische Wort für Fotografie.
Grian heißt „Sonne“ und ghrafa ist ein offensichtliches Lehnwort; Grianghrafa entspricht also grob unserem Wort „Fotografie“. Was aber hat es mit dóireacht auf sich? Ich habe mir die Bedeutung so zusammengereimt, dass es für „um es zu besitzen“ steht – „die Sonne [ein Bild] zeichnen lassen, um es [das Bild] zu besitzen“. Daher zählt die Camera obscura noch nicht zur Fotografie im eigentlichen Sinne, sondern ist nur ein Vorläufer. Erst wenn wir die flüchtigen, vom Licht gezeichneten Bilder fixieren und damit etwas Bleibendes nach Hause tragen, wie es zuerst Nièpce, Fox Talbot und Daguerre gelang, dürfen wir von Grianghrafadóireacht sprechen.
Mir fiel ein Erlebnis aus meiner Kindheit ein: Mein Vater hatte seine neueste Errungenschaft angekündigt, einen Diaprojektor, mit dem er, wie er sagte „Bilder an die Wand werfen“ konnte. Ich war sehr gespannt und die Diavorführung beeindruckte auch, aber wie enttäuscht war ich, nachdem der Projektor aus- und das Licht wieder eingeschaltet worden war – keines der an die Wand geworfenen Bilder war daran haften geblieben.
Unsere Digitalbilder werden von der Kamera zwar sicher gespeichert und wir können sie auf SD- oder CF-Karten nach Hause tragen, aber als elektronisch gespeicherte, digitale Bilder bleiben sie immateriell. Vielleicht kommt deshalb regelmäßig Freude auf, wenn jemand eine Sofortbildkamera zückt, die qualitativ zwar diskussionswürdige, aber dafür handgreiflich erfahrbare Fotos produziert. Die Sofortbildfotografie, nach dem Ende Polaroids bereits totgesagt, erfreut sich insbesondere durch Fujis Instax-Kameras und -Filme einer neuen Welle der Popularität, die von Japan ausgehend auch zu uns herüber geschwappt ist. Wie viel stärker muss dann aber die Wirkung eines sorgfältig in großem Format auf Fotopapier geprinteten Bildes ausfallen? So argumentieren die Fine-Art-Experten, die ich für meinen Artikel „Auf die feine Art“ in der aktuellen DOCMA 64 interviewt habe. Es gibt viele gute Gründe, öfter Bilder zu produzieren, die man auch anfassen kann – Grianghrafadóireacht eben.