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Die Zukunft der Fotografie: KI oder Megapixel?

Die neue Fujifilm GFX 100RF mit ihrem fest verbauten Objektiv (35mm, f/4.0) und 102 Megapixeln weckt Begehrlichkeiten – vor allem bei den Edelamateuren. Als Mittelformatkamera vereint sie High-End-Technik mit minimalistischem Konzept – ein faszinierendes, wenn auch mit 5.500 Euro eher kostspieliges Produkt. Ähnliche, gerüchteweise verbreitete, Ankündigungen von Hasselblad und Leica dürften preislich noch deutlich darüber liegen. Aber ist das die Zukunft der Fotografie?

Und wie oft beim Erscheinen neuer Kameras mit Haben-wollen-Faktor stellt sich die Frage: Würde sie mir wirklich einen Mehrwert bieten? Und dann geht das Grübeln los. Also schauen wir uns zunächst das Umfeld an…

Smartphones: Das Taschen-Studio für jedermann

Haben Sie sich auch schon mal erwischt, wie Sie mit Ihrem Smartphone aus einer Laune heraus einen Schnappschuss machen – ein Sonnenuntergang, die Katze auf dem Sofa oder der perfekt angerichtete Teller im Restaurant – und dann denken: „Wow, das sieht ja aus wie aus einem Hochglanzmagazin!“?

Willkommen in der Zukunft der Fotografie, wo Algorithmen das neue Objektiv sind und KI als unsichtbarer Assistent für uns die Arbeit übernimmt. Aber ich frage Sie: Ist das die Zukunft der Fotografie? Oder nur ein cleverer Trick, uns zu beeindrucken? Lassen Sie uns das gemeinsam herausfinden.

Früher…

Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Urlaub mit einer „richtigen“ Kamera. Eine DSLR, schwer wie ein mittelgroßer Ziegelstein, mit einem Zoom-Objektiv etwa gleicher Größe. Ich war unglaublich stolz – bis ich nach ein paar Tagen merkte, dass ich mehr Zeit damit verbrachte, Einstellungen zu studieren, als den eigentlichen Moment zu genießen.

…und heute

Heute nehme ich mein Smartphone aus der Tasche, drücke auf den Bildschirm, und voilà – das Bild ist fast perfekt. HDR, Bokeh, Nachtaufnahme – alles automatisch. Aber mal ehrlich: Ist das noch Fotografie oder nur Knipsen im Premium-Modus?

Die Technik hinter diesen kleinen Wundern ist auf jeden Fall beeindruckend. Moderne Smartphones arbeiten mit hochentwickelten, mehrschichtigen Sensorsystemen, die trotz ihrer kompakten Größe beeindruckende Bildqualität liefern. Sie machen mehrere Aufnahmen in Millisekunden, stapeln die besten Teile übereinander und zaubern ein Bild, das aussieht, als hätte unsereins einen ganzen Nachmittag mit Photoshop daran gearbeitet. Und das Beste daran? Sie müssen gar nichts tun, außer auf den Auslöser zu drücken – und vielleicht darauf zu achten, dass Ihr Finger nicht ins Bild ragt.

Innovationsmotor Smartphone

Das Smartphone hat die Fotografie verändert, darüber müssen wir nicht diskutieren. Als regelmäßiger Leser unserer DOCMATISCHEN DEPESCHE wissen Sie vermutlich, dass viele Innovationen, die heute auch in Profi-Kameras zu finden sind, ursprünglich aus der Smartphone-Welt kommen. Denken Sie an den Porträtmodus, der den Hintergrund weichzeichnet, damit das Motiv hervorsticht. Oder an Nachtaufnahmen, bei denen das Smartphone mehrere Bilder kombiniert, um ein Ergebnis zu erzielen, das aussieht, als hätten Sie eine Profi-Lichtausrüstung dabei gehabt. Diese Technologien sind derartig attraktiv für Fotografen, dass selbst Hersteller von Systemkameras, wie OM System oder Canon, sie mittlerweile übernehmen. Es scheint, als ob die großen Kamerahersteller ihre Hausaufgaben bei den Smartphone-Entwicklern abschreiben.

Aber hier liegt auch das Problem: Smartphones sind so gut geworden, dass viele Menschen gar keine klassische Kamera mehr brauchen. Warum auch? Die Kamera in Ihrer Hosentasche ist immer dabei, sie ist einfach zu bedienen, und die Ergebnisse sind meistens mehr als ausreichend. Für die meisten von uns geht es doch darum, den Moment festzuhalten – und nicht, ein Kunstwerk zu schaffen, das in einer Galerie hängen könnte.

Warum Profis immer noch auf „richtige“ Kameras schwören

Doch bevor Sie jetzt Ihre alte Kamera endgültig bei eBay einstellen und sich jeden Gedanken an eine neues Modell versagen, lassen Sie mich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen: Vor ein paar Monaten war ich auf einer größeren Feier – als Gast, nicht als Fotograf, zum Glück. Während ich mit meinem Smartphone ein paar Schnappschüsse machte, sah ich den Profi-Fotografen mit einer Mittelformatkamera herumlaufen. Das Ding sah aus wie ein Relikt aus einer anderen Zeit: groß, schwer und irgendwie einschüchternd. Aber als ich später seine Bilder sah, wurde mir klar, warum er dieses Monster mit sich herumschleppte. Die Details, die Farben, die Tiefe – das war gut erkennbar eine andere Liga.

Mittelformatkameras, wie sie von Fujifilm, Phase One, Leica, Pentax oder Hasselblad hergestellt wurden und werden, sind nichts für den Alltag. Aber für Menschen, die in der Mode-, Werbe- oder Fine-Art-Fotografie arbeiten, bleiben sie oft unverzichtbar. Diese Kameras bieten eine Qualität, die kein Smartphone erreichen kann. Noch nicht, jedenfalls. Wenn Sie also Perfektion suchen – echte Perfektion, nicht die KI-optimierte Version davon – dann führt kein Weg an solchen Kameras vorbei.

Koexistenz statt Konkurrenz

Aber müssen wir uns wirklich entscheiden? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass Smartphones und klassische Kameras in Zukunft einfach nebeneinander existieren werden? Die einen für den Alltag, die anderen für die besonderen Momente?

Die meisten Menschen wollen nicht zwischen mehreren Geräten wechseln. Sie möchten ein Foto machen, es sofort teilen können und dabei gut aussehen. Smartphones erfüllen diese Bedürfnisse perfekt. Aber für diejenigen, die mehr wollen – für die, die bereit sind, Zeit und Geld zu investieren, um das perfekte Bild zu schaffen – gibt es immer noch Kameras, die diesen Anspruch erfüllen.

Die Zukunft der Fotografie: Wie geht es weiter?

Die Fotografie steht an einem spannenden Punkt. Auf der einen Seite sehen wir Smartphones, die immer besser werden, mit größeren Sensoren, intelligenteren Algorithmen und KI-Funktionen, die uns fast glauben lassen, wir wären professionelle Fotografen – selbst wenn die Kamera das erste Mal benutzen. Auf der anderen Seite gibt es Kameras, die sich auf ihre fotografischen Stärken besinnen und auf Qualität statt Bequemlichkeit setzen.

Fragen Sie sich jetzt: Was soll ich tun? Soll ich mir eine neue Kamera kaufen oder einfach mein Smartphone nutzen? Es kommt darauf an. Wenn Sie einfach nur Spaß am Fotografieren haben und Ihre Bilder hauptsächlich auf Instagram oder in der Familiengruppe teilen, dann reicht Ihr Smartphone heutzutage völlig aus. Aber wenn Sie die Fotografie wirklich ernst nehmen, wenn Sie bereit sind, Zeit und Mühe in Ihre Bilder zu stecken, dann lohnt es sich, über eine neue Kamera nachzudenken oder das vorhandene System weiter auszubauen.

Und wer weiß? Vielleicht werden wir in ein paar Jahren gar nicht mehr über Kameras und Smartphones sprechen, sondern über Geräte, die beides vereinen. Kameras mit viel KI und/oder Smartphones mit High-End-Kamera-Zubehör. Am einfachsten ist es, erstmal die Technik zu nutzen, die wir ohnehin schon haben, um die Momente festzuhalten, die uns wichtig sind und die Bilder zu machen, die unser Herz erfreuen. Erst wenn wir mit dem, was wir haben, an Grenzen stoßen, ist es Zeit über ein neues Gerät nachzudenken.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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