Fuji GFX100 II: Mittelformat, schön schnell
Der Fujifilm X Summit in Stockholm war diesmal allein dem Mittelformatsystem GFX gewidmet. Fuji stellte gestern das neue Spitzenmodell GFX100 II vor, dazu zwei Tilt/Shift-Objektive und ein sehr lichtstarkes Normalobjektiv. Ich konnte bereits einige Erfahrungen damit sammeln.
„There is always a bigger fish“, wie es in Star Wars: Episode One heißt, und für Fuji bedeutet das, dass die Größenskala der Bildformate nicht beim sogenannten Vollformat endet, das ja eigentlich das Kleinbildformat ist. Ihr Mittelformatsystem GFX basiert auf Sensoren, die 44 mm × 33 mm messen und damit 68 Prozent mehr Fläche als ein Kleinbild/Vollformat-Sensor bieten. Zugegeben: Im Mittelformatsegment gibt es Kameras mit noch größeren Sensoren, aber von den Stückzahlen her spielen sie nur eine geringe Rolle. Beim „kleinen“ Mittelformat von 44 mm × 33 mm spielt derzeit die Musik, denn dies ist der Bereich, in dem der lange Zeit behäbige Mittelformatmarkt wächst.
Aber Größe, in diesem Fall die Bildfläche, ist ja nicht alles. Mit einem größeren Sensor kann man, entsprechend lichtstarke Objektive vorausgesetzt – denn der Sensor allein tut es nicht –, mehr Licht einfangen, und mehr Licht ist der entscheidende Faktor für ein Mehr als Bildqualität. Mit der Sensorfläche wachsen aber auch die Abmessungen und das Gewicht von Kameras und Objektiven, und dazu auch die Zeit, die das Auslesen des Sensors und die Bildverarbeitung bis hin zur Speicherzeit in der Kamera braucht, denn die größeren Sensoren bieten ja auch mehr Pixeln Platz. Mittelformatsysteme galten daher traditionell als optimale Wahl, wenn es um die höchste Bildqualität ging, aber wenn eine hohe Geschwindigkeit gefragt war, sei es beim Autofokus oder der Serienbildfrequenz, griff der Profi zum Kleinbildsystem oder, wenn eine besonders kleine und leichte Ausrüstung gefragt war, zu APS-C oder MFT.
Auf dem X Summit beschrieb Fuji die bisherige Entwicklung im GFX-System mit der Formel I.Q. + IBIS − Volume: Neben einer höheren Bildqualität (I.Q.) konnten ihre Kameramodelle schon länger einen integrierten Bildstabilisator (IBIS) bieten, und mit der GFX100S hatten sie gezeigt, dass dazu nicht der Formfaktor des bisherigen Spitzenmodells GFX100 nötig war. Die kleinere GFX100S bewegte sich größenmäßig im Rahmen professioneller Kleinbildkameras. Der Makel einer vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeit jedoch blieb, und hier soll nun das neue Spitzenmodell GFX100 II ansetzen, das Ende September 2023 zu einem Preis von rund 8000 Euro in den Handel kommt. Fujis Kameraformel lautet nun (I.Q. + IBIS − Volume) + Speed, denn die GFX100 II soll neben einer verbesserten Bildqualität die bislang fehlende Geschwindigkeit bringen, und das in einem kompakten Gehäuse ähnlich dem der GFX100S. Da passt dann auch noch ein verbesserter Bildstabilisator hinein, der je nach verwendetem Objektiv bis zu 8 EV bringen soll, also bis zu 256 mal längere Belichtungszeiten aus der Hand erlaubt.
Wer Fujis Spitzenmodelle im X-System (mit APS-C-Sensor) kennt, dem wird vieles bekannt vorkommen. Die GFX100 II verwendet denselben X-Prozessor 5 und dieselben KI-Funktionen im Autofokus, der eine Motiverkennung und -verfolgung unterstützt, egal ob es um Personen, Vögel, Insekten, andere Tiere, Autos, Züge, Flugzeuge oder Drohnen geht. Auch die Speicherung der Bilddaten auf CFexpress-Karten des Typs B und/oder SDXC-Karten kennt man von der X-H2 und X-H2S.
Die höhere Geschwindigkeit der GFX100 II basiert aber nicht nur auf dem schnelleren Prozessor und seiner KI-Unterstützung, sondern vor allem auf einem neuen Sensor. Der CMOS II HS-Sensor löst wie bisher 102 Megapixel auf, ist aber eine weitgehende Neuentwicklung. Eine Optimierung des Microlens-Shifting verbessert die Lichtausbeute im Randbereich (was dort auch dem Autofokus hilft), und die Fähigkeit der Sensorpixel, elektrische Ladungen zu speichern, wurde um 30 Prozent vergrößert. Daraus resultiert eine auf ISO 80 gesunkene Grundempfindlichkeit, und speziell bei dieser Empfindlichkeit (oder nicht weit darüber) lohnt es sich, den 16-Bit-Modus zu wählen, in dem die A/D-Wandler des Sensors die Tonwerte viermal feiner als im 14-Bit-Modus auflösen.
Wie es Fuji geschafft hat, die Sensorauslesung zu verdoppeln, ohne Kompromisse bei der Bildqualität einzugehen – gewöhnlich gilt, dass mit einer verkürzten Digitalisierungszeit das Rauschen steigt –, konnte ich trotz intensiven Nachfragens nicht in Erfahrung bringen, aber jedenfalls sieht es so aus, als sei das tatsächlich gelungen.
Wie auch immer: Der neue Sensor kann in nur 25 Millisekunden (1/40 Sekunde) ausgelesen werden, was für einen Sensor dieser Größe und Auflösung höchst respektabel ist. Viele Sensordaten in kurzer Zeit zu verarbeiten, das setzt einen entsprechend vergrößerten schellen Pufferspeicher voraus, und dessen Größe hat Fuji auf 16 Gigabyte verdoppelt. Damit sind nun Serienbildaufnahmen mit 8,0 Bildern pro Sekunde mit dem mechanischen Schlitzverschluss und 8,7 Bilder pro Sekunde mit dem elektronischen Verschluss möglich. Apropos mechanischer Verschluss: Der Schlitzverschluss wurde leider nicht beschleunigt, so dass die Synchronzeit bei 1/125 Sekunde bleibt.
Wenn der Sensor besonders schnell auslesbar ist und sich die Bilddaten dank eines schnellen Prozessors ebenso schnell verarbeiten lassen, liegt es nahe, auch den Videomodus auszubauen. Mittelformatkameras waren bislang nicht die erste Wahl für Filmproduktionen, aber die GFX100 II hat auch in diesem Bereich einiges zu bieten. 8K-Video kann mit 30p und 4K-Video mit 60p aufgenommen werden; welches Bildformat man dabei wählt, hängt weitgehend davon ab, welchen Bildkreis die verwendeten Cine-Objektive bedienen. Super35, das Standardformat des Kinofilms, entspricht APS-C und das Mittelformat des GFX-Systems ist für Filmproduzenten bereits ein Großformat. Schauen wir mal, was für Kinofilme künftig mit solchen Mittelformatkameras statt mit etablierten Videosystemen wie Arri oder RED produziert werden. Da längere Videoaufnahmen die Kamera naturgemäß aufheizen können, unterstützt die GFX100 II den von den X-Modellen bekannten optionalen Lüfter FAN-001. Interessanterweise lässt er sich montieren, obwohl die GFX100 II nicht das von den X-H2 und X-H2S (für die der Lüfter zunächst entwickelt wurde) bekannte dreh und schwenkbare Display hat; ihr Display lässt sich nach oben, unten und rechts kippen.
Zu den neuen Objektiven werde ich demnächst noch etwas schreiben. Was die GFX100 II in der Praxis leistet und wie groß der Vorsprung gegenüber etablierten Kleinbildsystemen tatsächlich ist, werden wir in DOCMA anhand eines Testmodell mit finaler Firmware untersuchen.