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Fotos im und aus dem Weltraum

Okay, „Weltraum“ ist übertrieben, aber in gut 30 Kilometer Höhe sieht es schon ein bisschen so aus, als wäre man im All, und um eine Kamera dorthin zu bringen, reicht ein handelsüblicher Ballon.

Die Sigma fp, die kleinste spiegellose Kamera mit Kleinbildsensor, habe ich in DOCMA 93 (ab Seite 124) vorgestellt. Der kompakte Quader eignet sich optimal für den Einbau in ein Rig, etwa für Videoaufnahmen, und Sigma UK hat nun eine besonders originelle Montierung der fp realisiert – unter einen Ballon, der die Kamera in die Stratosphäre trug. Genau genommen waren es zwei Kameras und zwei Ballons, denn Sigma wollte sowohl Video- als auch Standbilder vom „Rand des Weltalls“ („edge of space“) aufnehmen.

Fotos im und aus dem Weltraum
Die Nutzlast, die am Gasballon hing, bestand aus einer Sigma fp mit 14-mm-Weitwinkel und einem Sender, der die GPS-Koordinaten zum Boden funkte. (Foto: Sigma)

Dazu verhalf das auf solche Publicity-Stunts spezialisierte Unternehmen Sent Into Space in Sheffield. Um eine Systemkamera mit Objektiv – Sigma nutzte das lichtstarke Weitwinkel 14 mm DG HSM F1.8 | Art – auf rund 30 Kilometer Höhe zu bringen, ist ein mit Wasserstoff gefüllter Wetterballon nötig. An diesem hängt ein Gestell, in das die Nutzlast eingebaut wird. Je höher ein Ballon steigt, desto geringer ist der Luftdruck, so dass sich die Hülle immer weiter ausdehnt. Am Ende platzt sie und der Rücksturz zur Erde wird nach einiger Zeit, wenn hinreichend dichte Schichten der Atmosphäre erreicht sind, durch einen Fallschirm so weit abgebremst, dass die Nutzlast die Landung meist schadlos übersteht.

Fotos im und aus dem Weltraum
In 30 Kilometern Höhe hat die Kamera den größten Teil der Atmosphäre hinter sich gelassen, weshalb der Himmel auch am Tage nicht länger blau, sondern schwarz ist. (Foto: Sigma)

Und das gelang auch mit den beiden Sigma fp, die nach ihrem Aufstieg in den nicht-ganz-Weltraum wieder eingesammelt werden konnten. Wo sie gelandet waren, verriet ein Sender an Bord, der die aktuellen GPS-Koordinaten funkte. Den Ablauf der Ballonaufstiege und die Bild- und Videoausbeute hat Sigma auf YouTube dokumentiert.

Mit den extremen Verhältnissen in der Stratosphäre hatten die Kameras kein Problem; nur die Abfuhr der Wärme, die die fp und die zur Speicherung der Videodaten genutzte Festplatte erzeugten, erforderte besondere Aufmerksamkeit. Wer während einer Flugreise die Anzeige der Außentemperatur verfolgt hat, könnte denken, dass es in so großer Höhe sehr kalt wäre, aber das ist ein Irrtum. In der Stratosphäre steigt die Temperatur mit zunehmender Höhe wieder an, auch wenn sie unter dem Gefrierpunkt bleibt. Das eigentliche Problem ist der geringe Luftdruck – es gibt nur noch wenige Moleküle, die die Wärme transportieren könnten, und so ist die Konvektionskühlung nicht so wirksam wie auf der Höhe des Meeresspiegels.

Fotos im und aus dem Weltraum
Die Siegerbilder von „Portrait of Humanity“ 2019 und 2020, präsentiert in der Stratosphäre. (Foto: British Journal of Photography, präsentiertes Foto: Zuzanna Krajewska)

Übrigens eignen sich Stratosphären-Ballons nicht nur dazu, von dort aus die Erde zu fotografieren, sondern auch als Location für eine Fotoausstellung. Das mag absurd klingen, aber 1854 Media, der Verlag des British Journal of Photography, hat jüngst die Siegerbilder des Wettbewerbs Portrait of Humanity von Sent Into Space auf mehr als 30 Kilometer Höhe steigen lassen und diese Präsentation gefilmt. In der Stratosphäre gab es schließlich keine Zuschauer, aber um sicher zu gehen, wurden die Bilder in digitaler Form ins Weltall gefunkt – vielleicht fangen irgendwann Außerirdische diese Funksignale auf und können die Fotos würdigen.

Aber was ist nun von dem Anspruch zu halten, die Ballons hätten von Sheffield aus den Rand des Weltalls erreicht? Die gängigste Definition der Grenze zwischen Erdatmosphäre und Weltall ist die Kármán-Linie, die bei 100 Kilometern Höhe liegt. Die Ballons von Sent Into Space erreichen nicht einmal ein Drittel dieser Höhe. Aber warum sollte man die Grenze zum Weltall bei der Kármán-Linie ziehen?

Die Erdatmosphäre endet nicht irgendwo, sondern wird lediglich immer dünner. Die ISS, die in rund 400 Kilometern Höhe die Erde umkreist, wird noch durch die – wenn auch sehr dünne – Atmosphäre abgebremst und müsste auf lange Sicht abstürzen, wenn sie nicht regelmäßig mit der Schubkraft eines angedockten Raumschiffs auf ihre Nenngeschwindigkeit beschleunigen würde, um ihre normale Bahnhöhe zu erreichen. Selbst in der Mondumlaufbahn gibt es noch rund 0,2 Atome der Erdatmosphäre pro Kubikzentimeter – für alle praktischen Belange ist das ein Vakuum, aber es ist nicht das absolute Ende der Atmosphäre.

Die Kármán-Linie markiert nun die Höhe, ab der ein Flugzeug unweigerlich zu einem Erdsatelliten wird. Da die Luft mit der Höhe immer dünner wird, muss ein Flugzeug in größerer Höhe immer schneller fliegen, um noch genug Auftrieb zu erzeugen. Ab einer Flughöhe von 100 Kilometern müsste seine Geschwindigkeit so groß werden, dass sie der Orbitalgeschwindigkeit für diese Höhe entspräche – das Flugzeug wäre so schnell, dass es gar keinen Auftrieb mehr brauchte, denn die Fliehkraft allein hielte es in der Umlaufbahn.

Kein Ballon wird die Kármán-Linie erreichen, aber rund 30 Kilometer, lediglich das Dreifache der typischen Reiseflughöhe eines Verkehrsflugzeugs, sind gut genug für einen Eindruck davon, was für einen Ausblick eine Umlaufbahn böte. In dieser Höhe hat man bereits den bei weitem überwiegenden Teil der Luftmoleküle hinter sich zurückgelassen. Die dünne Luft des Himmels darüber kann das Sonnenlicht – und insbesondere dessen kurze Wellenlängen – nicht mehr nennenswert streuen, und daher erscheint dieser Himmel nicht blau, sondern schwarz. Auch die Krümmung der Erdkugel ist aus dieser Höhe bereits deutlich sichtbar.

Wenn Sie solche „Raumfahrtmissionen“ selbst einmal ausprobieren wollen, wäre das gar nicht so schwer und der finanzielle Einsatz überschaubar. Ein geeigneter Wetterballon kostet um die 100 Euro, hinzu kämen Helium oder Wasserstoff für die Füllung und ein paar Teile aus dem Baumarkt, um eine Gondel zu bauen, die am Ballon hängt. Zur Lokalisierung der wieder gelandeten Nutzlast genügte schon ein altes iPhone, das sich mit der „Wo ist?“ App eines zweiten iPhones wiederfinden ließe. Und dann bräuchten Sie natürlich eine hinreichend robuste Kamera, die Sie dem Risiko einer harten Landung aussetzen mögen – und dem, dass sie ein anderer schneller findet. Aber wie man so sagt: No risk, no fun!

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. …nicht zu vergessen die Anmeldung der Aktion bei der Luftfahrtbehörde – die wohl sehr teuer sein wird oder (wahrscheinlicher) gleich ganz scheitert.
    Man will ja möglicherweise nicht, dass wegen ein bissel Baumarktbastelei-Fotokunst-Spaß ein vollbesetzter Jumbo abstürzt, der blöderweise geradewegs den Aufstieg des Ballons genau im richtigen Moment kreuzt…

    ?!

    *koppschüttel*
    Aber da die Spaßgesellschaft offenbar sonst keine Sorgen weiter hat, ist ja alles in Butter.

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