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Fliegende Untertassen und schwebende Jungfrauen

Es ist mal wieder Zeit für Doc Baumanns Bildkritik. Die Fehler sind immer noch dieselben wie vor Jahrzehnten, Lernerfolge gibt’s da wohl nicht: Perspektive, Schatten, Plausibilität. Diesmal geht es um Luxus-Zubehör für den Swimmingpool, UFOs, eine schwerelose Dame und einen Skyr-Becher aus der Anderswelt.

Fliegende Untertassen und schwebende Jungfrauen. Bildkritik Montagefehler UFO

Vor ein paar Wochen gab es ein Jubiläum: Vor 75 Jahren hatte der Pilot Kenneth Arnold am Mount Rainier aus seinem Flugzeug neun seltsame Objekte in der Luft gesehen, die er als so etwas wie über eine Wasseroberfläche gleitende Untertassen beschrieb. Jahrzehntelang wurde derlei immer wieder gesichtet, zahllose Bücher und Artikel darüber veröffentlicht, Fotos aufgenommen und liebevoll verfälscht. Das meiste erwies sich bei genauerer Prüfung als irrtümliche Zuordnung, vieles als Fake, doch es blieben durchaus einige Sichtungen übrig, für die sich keine Erklärung fand.

Nun ist das mit den UFOs so eine Sache … Ausgeschrieben bedeutet das ja nichts anderes als Unidentifiziertes Flug-Objekt, und ob das Ding vom Mars, Sirius, der Andromeda-Galaxis oder aus einem Paralleluniversum kommt oder aus einer Antarktis-Station der Nazis, dem Inneren der hohlen Erde oder nur mit einer Kerze drin von einem Kindergeburtstag gestartet wurde, weiß man nicht. Das ist erst mal schlicht unbekannt. Und dieses Unbekannt-sein kann man schlecht zu einer positiven Identifikation umstricken. Wenn Sie im Radio hören „Die Sparkasse von X-hausen wurde gerade von drei unbekannten Männern überfallen“ und sie begegnen eine halbe Stunde später vor ihrer Haustür drei ihnen unbekannten Männern, wäre es etwas überzogen, deswegen die 110 zu wählen.

Nachdem nun eine Weile Ruhe war an der UFO-Front, werden die Dinger zunehmend an deutschen Swimmingpools gesichtet. Glaubt man den Beschreibungen der Verkäufer dieser nun als „Pool-Getränkehalter“ getarnten Objekte, lassen sich in den Vertiefungen theoretisch Coladosen oder Paprikachips unterbringen. Wahrscheinlich ist das aber eine moderne Urban Legend, denn es gibt kaum Fotobeweise, die diesen Verwendungszweck belegen würden. Nahezu alle, die ich entdecken konnte, waren Montagen, bei denen Bierflaschen, Eiswürfel oder Bananen mehr schlecht als recht einkopiert waren.

Auf diese spezielle Klasse überflüssiger Luxusartikel aufmerksam gemacht hatte mich eine Zuschrift unseres Lesers Peter Bauer aus Österreich: „ … Ich bin auf eine Vielzahl von Artikeln, sicherlich überwiegend aus chinesischer Produktion, gestoßen. Ein schöner Beweis dafür, dass mit billiger, aber in schier unerschöpflicher Menge vorhandener, Arbeitskraft in fernen Landen trotzdem nicht immer ausreichende Qualität zu erzielen ist, liegt in diesen Bildern.“

Besonders gut gefallen hat mir das eingangs gezeigte Bild, auf dem das Objekt nicht gemächlich auf dem Wasser treibt, sondern gerade in der Startphase abhebt und gleich mit Warp-Geschwindigkeit im All verschwinden wird. Was man im Vordergrund für Wasserspritzer halten könnte, ist wahrscheinlich der direkte Übergang vom flüssigen Aggregatzustand in den als Plasma. Sehr schön auch der jeder Schwerkraft trotzende Hügel aus Eiswürfeln, die schwebende halbe Cola-Dose, die Mini-Bananen oder – je nachdem – Makro-Chips im Hintergrund. Als weiterer Montagefehler kommt bei einer anderen Variante etwa die Größe der Poolwellen hinzu. Im Verhältnis zu denen müsste die Fressalienscheibe samt Inhalt enorme Ausmaße haben. Sollte noch jemand daran gezweifelt haben, dass es sich um getarnte UFOs handelt – hier ist der Beweis.

Fliegende Untertassen und schwebende Jungfrauen. Bildkritik Montagefehler UFO

Am Rande sei angemerkt, dass die Anschaffung solcher Objekte wohl auf lange Sicht eine unsinnige Geldausgabe ist, denn angesichts des Klimawandels dürften mit Trinkwasser gefüllte Pools wohl bald der Vergangenheit angehören, sofern sie nicht in der Nachbarschaft eines Baches liegen, der bei Starkregen die ganze Region überflutet und dann auch gratis das Schwimmbecken gefüllt zurücklässt. Nur ist dann vielleicht leider auch das Haus daneben weg. Die lange Phase fetter Jahre (durchaus nicht für alle) dürfte dank Corona, Krieg, Inflation und Erderwärmung ohnehin vorbei sein, so dass bald kaum noch jemand an die Anschaffung derartige Luxusartikel denkt und sie nur noch im Schatten stacheldrahtbewehrter Mauern um die Villen der Krisengewinnler ihr trauriges Dasein fristen dürfen.

Bei der Suche nach weitern Beispielen für verkappte UFOs – das Web ist voll damit –, stieß ich zufällig auf diese schwebende Jungfrau. Die gehört nun zwar nicht in die Kategorie der Naschartikel, ist aber ein so grauenvolles Beispiel für schlechte Montage, dass ich es nicht übers Herz gebracht habe, sie ihnen vorzuenthalten. Hier passt wirklich überhaupt nichts zusammen: der Poolsessel nicht zum Wasser, die Dame nicht zum Sessel. Die Aufzählung der Fehler ergibt eine beeindruckende Liste: Miserabel bröckelige Kontur dank grober Farbauswahl – unsauberes Freistellen bei Füßen, Hand und Haaren – ein schwer verletzter linker Oberarm – ein mit mittelalterlicher Streckbank brutal in die Länge gezogener Unterarm – eine höchst merkwürdige Verlängerung des verschmutzten Bikinioberteils – die Abwesenheit von Schlagschatten …

Fliegende Untertassen und schwebende Jungfrauen. Bildkritik Montagefehler UFO


Nettos Team-Deutschland-Template

Da fliehen wir lieber ganz schnell an den Ort, an dem du die Stars von Team Deutschland findest. Entdeckt hat diese Montage mein Kollege Olaf Giermann, der in DOCMA gelegentlich auch den Einsatz von Templates vorstellt. (Wikipedia definiert das als: „Eine Vorlage (englisch template) dient in der Datenverarbeitung zur Erstellung von Dokumenten oder Dokumentteilen. Sie stellt eine Art „Gerüst“ dar, das einen Teil des Inhaltes oder der Gestaltung des Dokumentes vorgibt. Durch Einsetzen der fehlenden Bestandteile wird die Vorlage zu einem vollständigen Dokument ergänzt. Sie werden hauptsächlich für DTP- oder Textverarbeitungsprogramme und Webseiten genutzt.“ Aber, wie Bildbearbeiter wissen, auch in unserem Bereich.)

Fliegende Untertassen und schwebende Jungfrauen. Bildkritik Montagefehler UFO

Zuerst ging es bei dieser Montage aber gar nicht um Templates, sondern nur um den vertrauten Unsinn: Der Skyr-Becher ist nicht nur viel zu groß, sondern auch unter perspektivischen Bedingungen fotografiert, die nicht zum Rest der Szene passen. Daran orientiert müsste der Fluchtpunkt des Bildes etwa in Höhe des Zeigefingers liegen. Doch dann könnte man die Tischplatte nicht schräg von oben sehen, sondern kaum mehr als ihre Vorderkante.

Damit nicht genug: Die Hand befindet sich perspektivisch eher hinter dem Becher, der waagerecht ausgestreckte Zeigefinger aber davor. Dagegen sind die bemühten Schlagschatten auf dem Tisch fast zu vernachlässigen.

Doch damit immer noch nicht genug. Als ich im Web recherchierte, ob ich mehr dazu finden könnte, stieß ich auf drei weitere Beispiele aus derselben Serie: Immer derselbe Markus Eisenbichler mit immer demselben ausgestreckten Zeigefinger (ich hätte den darunter passender gefunden), mal mit einem Apfel im Kürbisformat (ich bin schon seit Jahren gegen Gentechnik bei Lebensmitteln), mal mit überdimensionierten Tellern mit Gemüse und Geflügel.

Offensichtlich ist das Markus-Eichenbichler-Template mehrschichtig: Hintergrund, Herr Eisenbichler, Tischplatte, Hand mit Zeigefinger. Und dazwischen darf man dann eigene Ebenen mit was auch immer einfügen. Und Sie dürfen raten, welche der Anzeigen nicht aus der Netto-Werbung stammt und gefakt ist.

Fliegende Untertassen und schwebende Jungfrauen. Bildkritik Montagefehler UFO
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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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