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Entsorgt

Entsorgt
Entsorgt – wilde Müllkippe auf dem Weg vom Parkplatz zum Burgberg mit der Festung der Johanniter-Ritter in Lindos auf Rhodos / Foto: Doc Baumann

Was so mancher bedenkenlos entsorgt, hinterlässt Spuren, die – nicht nur – Doc Baumann besorgen. Bei seiner Reise nach Rhodos, wo er für seinen Roman auf den Spuren der Johanniter-Ritter recherchierte, stieß er immer wieder in der Natur auf Müll und Weggeworfenes.

Früher nannte man das das wegwerfen oder in die Tonne stopfen. Dank technokratischer Wortneuschöpfungen sprechen wir heute davon, jemand habe etwas „entsorgt“. Das trifft die Sache recht genau: Zunächst macht man sich Sorgen darüber, wie man irgendetwas los wird – von der Zigarettenkippe bis hin zum Schrottauto –, dann trägt man es entweder sortenrein getrennt in den passenden Abfallbehälter oder ruft die Sperrmüll-Abholung an … oder man packt es in einen Müllsack und lädt es in der Abenddämmerung irgendwo am Waldrand ab. Wobei sich manche den Müllsack auch ersparen, wahrscheinlich aber nicht, um Plastikabfall zu vermeiden. Und schon ist man die Sorge über den Verbleib los, man ist entsorgt.

Man kann das Zeug auch nach Gebrauch einfach fallen lassen; irgendwer wird sich schon drum kümmern, wozu bezahlen wir schließlich Steuern? Ist man unterwegs und weit und breit kein Abfallbehälter in Sicht, so hat die körperliche Energie zwar bis zu diesem Zeitpunkt gerade mal ausgereicht, die volle Wasserflasche oder die Würstchen-Verpackung bis zu diesem Punkt zu schleppen. Nach neuer Zufuhr für den Stoffwechsel ist man wieder ein wenig gestärkt – bedauerlicherweise aber keineswegs so sehr, dass man die nun nutzlosen Verpackungen auch wieder unnötig zurückschleppen mag. Also lässt man sie am Wegesrand fallen und ist entsorgt.

Schließlich weiß man: Plastikabfälle bedrohen die Meere und ihre Tiere, und als im Laufe der Jahre zerkrümeltes Mikroplastik landet das Zeug auch wieder in unserem Körper. Das Problem ist inzwischen so ausgeprägt, dass sogar EU und UN davon etwas mitbekommen haben. Umweltverbände weisen ja auch erst seit wenigen Jahrzehnten auf die Gefahr hin, aber so schnell mahlen die Mühlen der Bürokratie bekanntlich nicht.

Mit Einschränkungen der Verpackungsflut könnte man sich als Politiker ja bei einem Teil der Wählerschaft unbeliebt machen. Ich erinnere nur an die hochgespielten Diskussionen zu Zeiten eines grünen Umwelt-Ministers über Pfand und Recyling-Quoten. Der Wirtschaft sind die Folgen ihres Handelns sowieso scheißegal. Allerspätestens seit der Abgas-Verschwörung der Autoindustrie wissen wir, dass nicht nur wir Verbraucher nach Strich und Faden beschissen werden, sondern dass die Umwelt lediglich in Hochglanzprospekten eine Rolle spielt, ihre Berücksichtigung in der Praxis aber nur den Profit schmälern würde. Dort reicht das Denken kaum weiter als bis zum nächsten Quartalsbericht – in der Politik sind immerhin ein paar Jahre bis zur nächsten Wahl. (Wobei die Autoindustrie den Verkehrsministern und Behörden ja nun wirklich nicht vorwerfen kann, sie hätten nicht bis zum letzten Augenblick versucht, die Affäre zu vertuschen.)

Was den Verpackungswahnsinn betrifft, macht es kaum noch Spaß, sich zu ernähren. Alles ist ein- oder mehrfach verpackt, jeder Schluck Milch und der Joghurt fürs Müsli kommt in einer Kunststoffhülle daher. Vor einiger Zeit wollte ich in meinem Lebensmittelmarkt die Kräuterzutaten für grüne Soße kaufen. Bisher gab es die in einer Papiertüte. Nun werden sie nur noch in einer transparenten Plastikwanne angeboten, die stabil genug wäre, sie nach dem Abwasch als Schüssel in den Geschirrschrank zu stellen. Als ich beim Marktleiter protestierte und forderte, die Zutaten wie bisher angeboten zu bekommen, sagte er mir, diese Neuerung sei die Folge einer neuen Verordnung aus Brüssel. Also, erst sorgt die EU für Berge neuen Plastikmülls, und wenige Wochen darauf sorgt sie sich öffentlichkeitswirksam um die selbst verschuldete Verpackungsflut.


Aber zurück zu dem, was der eine oder andere so unterwegs entsorgt. Vielleicht kennen ja jene, die Flaschen, Verpackungen und Grillfolien am Ort ihrer letzten Nutzung wegwerfen, die Berichte über die zunehmende Vermüllung der Meere und haben sich gedacht: Lieber hier neben der Bank liegen lassen, als in den nächsten Fluss schmeißen. Hier belastet es ja das Meer nicht – und mich auch nicht mehr. Clever!

In deutschen Städten können sich diese Zeitgenossen sogar ein gutes soziales Gewissen verschaffen, indem sie sich sagen: Jede Flasche, die ich irgendwo liegen lasse, wird über kurz oder lang von Flaschensammlern entdeckt und zum nächsten Supermarkt getragen und dort ordnungsgemäß entsorgt. Soll ich durch egoistisches Sammeln und Wegtragen den Rentnern auch noch die paar Euro vorenthalten, mit denen sie ihre Rente ein wenig aufbessern können?


Natürlich fallen mir auch hierzulande die Folgen dieser Mentalität ständig auf – in der Landschaft entsorgt und aus dem Sinn. Von einzelnen Plastikverpackungen bis hin zu ganzen Kofferraumladungen am Waldrand. Oder Schrottautos mit abgeschraubten Kennzeichen am Straßenrand. Insofern ist meine Kritik an dem, was ich auf Rhodos gesehen habe, keineswegs misszuverstehen als „bei uns ist alles besser“.

Manches allerdings schon. Denn dort wird weder der Müll getrennt – alles landet in einer Tonne –, noch werden etwa Plastikflaschen gegen Pfanderstattung geschreddert und recycelt oder gar zurück genommen. Für Konzerne wie Coca Cola ist das das Paradies: Nicht mal große PET-Cola-Flaschen nimmt der Handel zurück. Alles landet im Müll.

Na ja, eben nicht alles. Plastikflaschen und Verpackungen liegen in der ansonsten unberührten Natur herum; auf dem Parkplatz in Lindos (oben auf dem Foto die Akropolis der Stadt, ehemals Athena-Tempel, dann mittelalterliche Festungsanlage der Johanniter-Ritter) rosten etliche Schrottautos vor sich hin, die dort jemand entsorgt hat, und auf dem Weg von einem anderen Parkplatz in die Stadt bietet sich die oben dokumentierte Szene.

Mein eigenes Umweltbewusstsein habe ich übrigens nicht erst mit dem Aufkommen der Grünen 1980 entwickelt. Lange zuvor im zarten Alter von fünf Jahren besuchte ich mit meinen Eltern die Bundesgartenschau. Dort war in der Ecke einer Ausstellungshalle ein kleines Wäldchen aufgebaut, Tannen und Büsche aus grün bemalten Sperrholzplatten ausgesägt. Mitten drin eine Bank zum Rasten, umgeben von Müll, Orangen- und Bananenschalen. Davor stand eine – ebenfalls aus Sperrholz ausgesägte – Wildschweinfamilie, und eines der Kleinen sagte – per Sprechblase – empört zu seiner Mutter: „Mama, hier haben die Schweine gehaust!“ Der Satz hat sich in meinem Kopf festgesetzt, und in diesem Augenblick habe ich mich entschieden, lieber zur Klasse der Menschen als zu jener der Umwelt-Schweine zu gehören.

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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Kommentar

  1. Nun auf diesen Hocker haben sicher viele Touristen gesessen. Umweltschutz fängt im Kopf und mit Verzicht an, die Mülltrennung steht hinter der Vermeidung. MM gehören Billigflüge untersagt und bei div. Kreuz- und Schifffahrten eine Einschulung wie Schweröl verbrennt wird. Jeder Einzelne ist heute gefordert und ohne Verzicht wird’s wohl nix werden.
    Aufgabe: Wie viel Equipment steht herum, was ist tatsächlich in Verwendung, wie oft brauche ich Posterwände mit 50cm Betrachtungsabstand und welche Fotoreisen dienen der Allgemeinheit, oder sind beruflich und nutzen nicht alleine meinen Ego? Die Aufgabe darf ruhig über alle Tätigkeiten gelegt werden und ja unsere Eltern hatten bez. Fußabdruck nicht recht. Es grüßt die feudale Lebensweise und reicht einen Besen für, vor der eigenen Türe kehren.

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