Eine Alles-falsch-Montage und ein Tyrannosaurus-Rex-Model
Es ist mal wieder an der Zeit für eine Bildkritik: Zum einen haben wir da die Montage eines Ausflugsschiffs auf dem Schweizer Zugersee, die fast alles in sich vereint, was man falsch machen kann – zum anderen präsentiert Ihnen Doc Baumann die Titelseite des aktuellen Tchibo-Prospekts, auf dem das Model aussieht, als sei es mit einem Tyrannosaurus Rex gekreuzt worden.
Kürzlich erhielten wir eine Mail aus der Schweiz von einem Leser, der uns schrieb: „Liebes DOCMA-Team, kürzlich flatterte bei uns ein Werbeflyer einer Schiffsgesellschaft ins Haus. Das ,sensationelle‘ Titelbild brachte mich ins Grübeln, ich dachte, das muss ich Euch für die ,Bildkritik‘-Rubrik weiterleiten. Beste schmunzelnde Grüsse aus der Innerschweiz“
Spiegelungs-Grundlagen
Unser Leser hat völlig recht. Hier wurde bei der Montage fast alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Noch immer gibt es Menschen, die glauben, weil Photoshops entsprechende Transformation „Spiegeln“ heißt, würde das Programm auch genau dies tun. Vielleicht sollte man Adobe darum bitten, zur Vermeidung dieses Missverständnisses den Namen in „Umklappen“ zu ändern. Denn mehr kann dieser Eingriff nicht erreichen. Klar, ist ja auch nur ein Bild und nicht 3D.
Wenn man das weiß, ist es ja auch völlig in Ordnung. Die Bezeichnung „Spiegeln“ verführt aber allzu viele dazu, diese Transformation anzuwenden und zu erwarten, das Ergebnis entspräche einer optisch korrekten Reflexion.
Um nachzuvollziehen, dass dem nicht so ist, reicht es aus, sich einen schräg von oben betrachteten Tisch vorzustellen, der auf einem spiegelnden Boden steht. Sie sehen dessen Oberfläche (natürlich von oben) und drei Beine, eines ganz vorn, die beiden anderen weiter nach hinten versetzt. Die Reflexion zeigt Ihnen die Unterseite des Möbelstücks, reale und reflektierte Tischbeine stehen direkt aufeinander.
Jetzt „spiegeln“ Sie eine Duplikatebene des Tisches in Photoshop. Das Ergebnis: Sie sehen die Tischplatte noch immer von oben, obwohl Sie eigentlich die Unterseite sehen sollten, die Standflächen der Beine treffen sich nicht, sondern liegen weit auseinander, und die Spiegelung ist mit der Perspektive des Ausgangs-Tisches nicht in Übereinklang zu bringen. (Eine reale Spiegelung dagegen gehorcht immer der Perspektive der Szene, in der sie vorkommt.)
Oder, um beim Schiff zu bleiben, hier eine ähnliche Montage mit einem Spielzeugschiff: Mit der umgeklappten Version lässt sich nie eine optisch richtige Reflexion erreichen. (Bei einem Kamerastandort sehr dicht über der Wasseroberfläche immerhin eine, bei der die Abweichung den meisten Betrachtern nicht auffällt.) Der Vergleich der beiden Montagen zeigt den Unterschied – auf eine Verzerrung der Reflexion durch die Wellen habe ich der einfacheren Vergleichbarkeit wegen bewusst verzichtet.)
Fehler der Bildmontage
Die Prospekt-Gestalter/innen jedoch haben das ignoriert. Dabei haben sie das Schiff aber nicht nur schlicht umgeklappt, sondern auch noch lieblos das hintere Ende der Reflexion unter dem Schiff verschwinden lassen, während die Spiegelung am Bug dem Schiff vorauseilt. Die der Berge ist ebenso falsch, auch die würden sich nicht einfach als umgeklappte Verdopplung darstellen. Hinzu kommt, dass die Reflexion des Gebirges rechts eine ganz andere Kontur hat als die Berge selbst.
Aber das ist noch nicht alles: Das Wasser weist im Vordergrund Wellen auf – wieso ist die Spiegelung dann völlig unverzerrt? Und woher kommt an diesem strahlenden Sonnentag die Rotfärbung des Wassers in der Ferne sowie in der Reflexion?
All diese Mängel sind – gerade auf einer Titelseite – nicht nachvollziehbar, zumal auch in diesem Fall eine bessere Umsetzung kaum mehr Zeit gebraucht hätte. Ich habe die Montage mal schnell nachgebaut. Auch hier ist die Spiegelung falsch, aber irgendwo muss man sie ja hernehmen. Also habe auch ich ein freigestelltes Duplikat des Schiffs vertikal umgeklappt (und mit einer eigenen Wasseroberflächen-Datei gearbeitet). Allerdings habe ich 1. die Spiegelung verzerrt, und zwar per „Versetzen“-Filter, wobei das als Matrix gespeicherte Wasser-Bild die Verzerrung gesteuert hat. 2. wurde die Ebene abgedunkelt, 3. ihre Deckkraft leicht reduziert, 4. eine Ebenenmaske hinzugefügt, welche die Spiegelung mit zunehmender Entfernung abschwächt, 5. kam ein Schlagschatten des Schiffs auf das Wasser hinzu, 6. wurden die hellen Bereiche der Wellen auf der Spiegelungs-Ebene per „Ausblenden“ wieder sichtbar gemacht. Das Ergebnis ist noch immer optisch nicht korrekt, aber das fällt jetzt viel weniger auf. Der Zeitaufwand für die zusätzlichen Schritte betrug wenige Minuten.
Vollends unverständlich wird das Ganze, wenn man im Inneren des Prospekts der Schifffahrtsgesellschaft für den Zugersee jede Menge Bilder findet, die einfach nur fotografiert sind und daher alle nötigen Elemente aufweisen. (Den Aspekt der fehlenden Bugwellen habe ich außen vor gelassen, das Schiff könnte sich ja in Ruhe befinden.) Zumindest hätten sich die Monteure diese Vorlagen mal anschauen können, um zu sehen, wie eine wirkliche Spiegelung aussieht.
Tyrannosaurus Rex lässt grüßen
Das Cover des aktuellen Tchibo-Prospekts zeigt, dass man nicht unbedingt montieren muss, um schlechte Bilder zu erhalten – es reicht schon ein einfaches Foto.
Warum denke ich hier an einen Tyrannosaurus Rex? Die Dame hat weder ein Riesenmaul mit rasiermesserscharfen Zähnen noch schuppige Haut (falls die Dinos nicht doch ein Federkleid trugen), und sicherlich ist sie auch nicht ein paar Meter hoch. Aber mit dem Saurier verbindet sie – zumindest auf diesem Foto –, dass auch jener nur über zwei praktisch unbrauchbare Stummelärmchen verfügte. Ein echter Ausrutscher der Evolution, der zeigt, dass diese nicht zielgerichtet vorgeht: Die arme Schreckensechse konnte sich mit diesen verkümmerten Gliedmaßen nicht mal die Knochensplitter aus den Zahnzwischenräumen puhlen, geschweige denn damit ein Opfer festhalten.
Fotos im Inneren des Prospekts belegen, dass das Model ganz normale Arme hat. Misst man das Stummelchen in Photoshop aus, so hat es von der Ellbogenbeuge bis zur Fingerspitze dieselbe Länge wie das Gesicht von der Stirn bis zum Kinn. Da der Arm weiter von der Kamera entfernt ist als das Gesicht, darf sich die Perspektive zwar bemerkbar machen und er etwas kleiner erscheinen. Aber nicht so viel.
Weitwinkelobjektive sind ja eine feine Sache – aber man muss sie auch einzusetzen wissen.
…tja, man kann das so oder so sehen. Ich finde hier den Einsatz des Weitwinkels überhaupt nicht unvorteilhaft. Portrait und Weitwinkel – warum denn nicht? Gut in Szene gesetzt wirken solche Bilder dynamischer. Ich persönlich hätte den Kamerastandpunkt etwas höher gewählt, aber ich gehe mal davon aus, dass die Bluse in Szene gesetzt werden sollte. Ich bin sogar verblüfft, dass die Verzeichnungen im Bereich des Kopfes kaum zu sehen sind. Ne, ne…das passt schon…
Da passt gar nix.
Der Arm und die Hand sind nachträglich verkürzt worden – jede Wette 😉 wegen der „dynamik“ musste auch noch die hand aufs cover 😉 irgendwie halt eben
so weit kann man den arm gar nicht nach hinten biegen, um so eine verkürzung hervorzubringen
Bei dem schlechten Screenshot von DOCMA (Kompressionsartefakte und vor allem irrer Farbstich) schwer zu erkennen, aber:
zeigefinger (einmal dazugeschustert) ist grösser mittelfinger (!), nur 4 finger (OK, möglich, schaut aber auch deppert aus), keine finger, sondern wurmfortsätze 😉 bitte den daumen (für mich zweimal gestückelt) zu beachten und sich evt. auf der tchibo-website das ganze in besserer auflösung angucken
danke DOC für die „Bildkritik“, unbedingt weitermachen 😉
Was mich an der Spiegelung des Bildes von der Titelseite eines Prospekts der „Schifffahrtsgesellschaft für den Zugersee“ verwundert ist der fehlende Anker vorne. Im „Original“ ist dieser Anker sehr präsent zu sehen, im Spiegelbild jedoch gar nicht vorhanden.
Das ist mir sofort aufgefallen 🙂
Alles andere erst später. OK, da hat was nicht gestimmt, aber ich musste zuerst nachdenken. 😉