Ein Schnappschuss der ISS
Letzten Freitag wollte ich eigentlich die Mondfinsternis fotografieren, versuchte mich dann aber spontan an einem Foto der Internationalen Raumstation ISS, die zur gleichen Zeit vorbeiflog. Aber kann das überhaupt funktionieren?
Viele wissen ja gar nicht, dass man die ISS regelmäßig sehen kann; schließlich umrundet sie die Erdkugel etwa alle anderthalb Stunden und überquert oft auch den Himmel über Deutschland. Um herauszufinden, wann die Raumstation zu sehen ist, empfiehlt sich die Seite Spot the Station der NASA. Nachdem Sie den Beobachtungsstandort ausgewählt haben, erscheint eine Liste der nächsten Sichtungsmöglichkeiten. Für den Weg von Horizont zu Horizont benötigt die ISS meist mehrere Minuten; wie lange, hängt davon ab, wie hoch ihre Bahn über den Himmel führt. Am letzten Freitag waren es etwa sechs Minuten ab 21:31 Uhr.
Viele Amateure haben die ISS bereits mit ihren Teleskopen fotografiert, und auf diesen Aufnahmen ist die Struktur der modular aufgebauten Station gut zu erkennen. Manchen sind auch Bilder anfliegender Raumschiffe gelungen. Dabei kamen aber stets mehrzöllige Spiegelteleskope zum Einsatz. Meine Ausrüstung war viel primitiver – ein manuell fokussiertes 500-mm-Tele von Beroflex (die sogenannte „Wundertüte“ mit T2-Anschluss, die ich mir vor vier Jahrzehnten gekauft hatte) an einer Pentax K-5. Als die ISS dann endlich über dem Dach meines Hauses erschien, schaffte ich es aber nicht, dem hellen Lichtpunkt zu folgen, weshalb ich Kamera und Objektiv kurzerhand vom Stativ nahm und mein Glück mit Aufnahmen aus der Hand probierte. Inzwischen näherte sich die Station bereits wieder dem Horizont, aber die Zeit reichte für rund 15 Bilder, mit 1/125 Sekunde bei ISO 200. Einige davon waren verwackelt und zeigten nur eine Wischspur, aber in vier aufeinanderfolgen Aufnahmen war jeweils dasselbe Muster zu sehen. Zugegeben, es war nur ein unscharfer Pixelhaufen – konnte das wirklich ein Bild der ISS sein? Nach dem Stacking von drei dieser Aufnahmen erhielt ich diese nicht viel bessere Version:
Da sich die ISS zum Aufnahmezeitpunkt schon wieder entfernte, hatte ich sozusagen ihre Rückseite aufgenommen; das Bild müsste also vor allem eines der Paare von Solarpanelen zeigen. Laut Wikipedia hat die Station eine „Spannweite“ von 109 Metern. Im Bild misst die Breite 14 Pixel. Passt das zusammen? Hier gilt ein einfacher Dreisatz: Die tatsächliche Größe verhält sich zur Bildgröße wie die Entfernung des Motivs zur Bildweite. Da das Objektiv auf Unendlich fokussiert war, entspricht die Bildweite der Brennweite, also 500 Millimeter. Bei einem Pixelraster von 4,8 Mikrometern entsprechen 14 Pixel 67,2 Mikrometern oder 0,0672 Millimetern. Die Station müsste also 500 Millimeter × 109 Meter / 0,0672 Millimeter entfernt sein, und das sind 811 Kilometer. Die ISS hat eine durchschnittliche Bahnhöhe von 400 Kilometern – so weit wäre sie entfernt, wenn man sie im Zenit sehen könnte; näher am Horizont ist die Entfernung größer. 811 Kilometer liegen also in der richtigen Größenordnung.
Es ist also durchaus möglich, mit ziemlich simplem Equipment eine Hunderte von Kilometern entfernte Raumstation zu fotografieren, auch wenn die Bilder nicht unbedingt besonders eindrucksvoll sind. Mit einem besseren Objektiv, einer noch längeren Brennweite – ein Telekonverter hätte hier nützlich sein können – und einer höher auflösenden Kamera (die K-5 löst nur 16 Megapixel auf) wäre noch mehr ’drin gewesen. Nicht zuletzt hätte ich die ISS besser an ihrem höchsten Punkt erwischen sollen. Aber in den nächsten Jahren – bis mindestens 2024 ist der Betrieb der ISS gesichert – wird die Station noch oft vorbeikommen; es wird also noch viele Gelegenheiten geben, es besser zu machen. Bis 2024 wird vermutlich auch die große, modulare Raumstation im Aufbau sein, die China plant, und ein vielleicht ebenso lohnendes Motiv abgeben.
Aktuell ist die ISS allerdings das einzige Raumfahrzeug, von dem man von der Erde aus irgendwelche Details erkennen kann. Das liegt einerseits an der Größe der Station (109 Meter × 98 Meter) und andererseits an ihrer relativ geringen Entfernung. Satelliten sind durchweg zu klein, um ein lohnendes Motiv abzugeben. Auf dem Mond stehen zwar unter anderem noch sechs Landestufen der Raumfähren und einige Mondautos – drei amerikanische Rover der Missionen Apollo 15 bis 17, die unbemannten russischen Lunochod 1 und 2 sowie der chinesische „Jadehase“. Da der Mond jedoch fast 1000 mal so weit von der Erde entfernt ist wie die ISS, und da die zurückgelassenen Objekte viel kleiner als die Raumstation sind, kann man sie aus diesem Abstand nicht auflösen. Auch Instrumente wie das Weltraumteleskop Hubble wären dazu nicht in der Lage. Nur eine den Mond umkreisende Sonde wie der Lunar Reconnaissance Orbiter kann solche Bilder aufnehmen, auf denen dann sogar die Fußspuren der Astronauten zu sehen sind.
@Nur eine den Mond umkreisende Sonde wie der Lunar Reconnaissance Orbiter kann solche Bilder aufnehmen,…
Schon seit Jahrzehnten kursiert das Gerücht, dass Spionagesatelliten die Nummernschilder der Autos auf der Erde lesen könnten.
Bei einer Auflösung von 5 cm aus 300 km Höhe müßten das schon recht große Nummernschilder sein 😉
https://de.wikipedia.org/wiki/Aufklärungssatellit
Ja, im Kalten Krieg wurden fabelhafte Geschichten über die Fähigkeiten von Spionagesatelliten verbreitet – zum Beispiel, dass man die Schlagzeilen einer Pravda lesen könne, die jemand auf dem Roten Platz in Moskau liest. Diese Desinformation wird kaum für die Russen gedacht gewesen sein, denn die konnten ja auch rechnen und wussten, dass es Unsinn war. Vielleicht sollten die eigenen Bürger beruhigt werden, dass man genau wisse, was hinter dem Eisernen Vorhang vorginge.
Verschwörungstheoretikern sind solche Zusammenhänge weniger klar, weshalb sie früher oft gefordert hatten, Hubble solle doch mal die Apollo-Landeplätze fotografieren, damit man sich davon überzeugen könne, ob dort wirklich jemand gelandet sei. Hubble könnte im besten (theoretischen) Fall nur Objekte von rund 100 Metern auf der Mondoberfläche auflösen. Als der LRO dann die gewünschten Fotos lieferte, wurden sie jedoch von den Verschwörungstheoretikern ignoriert.
Mit meinem Teleobjektiv (500 mm f8) hätte ich bei der angenommenen Entfernung der ISS von gut 800 Kilometern im besten Fall Motive von 8,7 Metern auflösen können; diese theoretische Maximalauflösung habe ich offenkundig nicht erreicht. Da man mit 16 Megapixeln bereits alles auflösen kann, was innerhalb der durch die Beugung gesetzten Grenze liegt, würde eine höhere Sensorauflösung nur dann einen Vorteil bringen, wenn gleichzeitig ein lichtstärkeres Objektiv mit einer größeren Öffnung verwendet wird.