Schon lange war nichts mehr von RGB-Sensoren zu hören, die in jedem Pixel alle drei Grundfarben erkennen können. Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) und der ETH Zürich arbeiten nun an einer neuen Technologie auf Basis von Perowskit-Kristallen, mit der sich solche Bildsensoren realisieren ließen.
Mit neuen, revolutionären Sensortechnologien ist es ja wie mit Nessie, Bigfoot und dem Yeti: Alle paar Jahre tauchen sie in den Medien auf, nur um bald wieder abzutauchen, ohne dass man etwas Konkretes über sie in Erfahrung gebracht hätte. Der real existierende Foveon-Sensor, der mit jedem Pixel alle RGB-Farben sieht und sie daher nicht zu interpolieren braucht, ist immerhin in Stückzahlen hergestellt und in verschiedenen Kameramodellen verbaut worden, nur ist seit acht Jahren nichts Neues mehr gekommen – Sigma treibt weiterhin die Entwicklung eines solchen Sensors im Kleinbildformat voran, aber Erfolgsmeldungen blieben bislang aus. Organische und Quantenfilm-Sensoren oder Bildwandler aus schwarzem Silizium kamen entweder nie zur Marktreife oder erwiesen sich als ungeeignet für die bildmäßige Fotografie. Nun gibt es eine neue, potentiell aussichtsreiche Sensortechnologie: RGB-Sensoren aus drei Schichten von Perowskit-Kristallen.
Das Mineral Perowskit ist eine Verbindung von Calzium, Titan und Sauerstoff (CaTiO3), und danach ist eine ganze Gruppe von Kristallen mit ähnlicher Zusammensetzung benannt, die Perowskite. Um diese geht es in diesem Zusammenhang, nicht um Perowskit selbst. Bestimmte Perowskite auf Blei-Basis können Licht in Elektrizität (oder auch Elektrizität in Licht) umwandeln und eignen sich daher zur Herstellung von Solarzellen. Zu einer fotoelektrischen Wandlung mit hohem Effektivität genügt schon eine hauchdünne Schicht von beispielsweise 0,5 µm, die anders als die bislang verwendeten Siliziumzellen alles sichtbare Licht umwandelt. In den letzten Jahren konnte der Wirkungsgrad von Perowskit-Solarzellen immer weiter gesteigert werden, so dass sie Siliziumzellen mittlerweile überlegen sind; zudem sind sie sehr kostengünstig herzustellen. Ihrer Markteinführung steht allerdings noch entgegen, dass die Haltbarkeit der Perowskit-Zellen gering ist; zudem würden sie wegen ihres Bleigehalts wohl nicht die RoHS-Richtlinie einhalten. An der Überwindung beider Probleme wird derzeit gearbeitet.
Eine Technologie, die sich zur Gewinnung elektrischer Energie aus Sonnenlicht eignet, kommt naturgemäß auch für Bildsensoren in Betracht. Wissenschaftler, die an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) beziehungsweise der ETH Zürich arbeiten, haben nun Perowskit-Kristalle aus Bleihalogenid entwickelt, die aufgrund ihrer Kristallstruktur nur für Teilbereiche des Lichtspektrums empfindlich und für alle anderen Wellenlängen transparent sind. Stapelt man dünne Perowskit-Schichten, die jeweils rotes, grünes beziehungsweise blaues Licht absorbieren, erhält man einen RGB-Sensor, der auf seiner gesamten Fläche alles sichtbare Licht nutzt, statt wie ein konventioneller Sensor nur ein Drittel davon. Da die Schichten so dünn sind – selbst ein Stapel aus drei Schichten wäre dünner als die lichtempfindliche Zone eines CMOS-Sensors –, blieben sie zudem erfreulich unabhängig vom Einfallswinkel des Lichts. Das verhinderte ein auflösungsminderndes Übersprechen, eine Vignettierung und Farbverschiebungen an den Bildrändern (Italian Flag Syndrome).
Erste Versuche mit einem einzigen, mit einer Kantenlänge von 5 mm sehr großen Sensorpixel gelangen schon 2017, und nach diesem proof of concept arbeiteten die Forscher an einem 100.000 Pixel auflösenden Sensor mit daran angepasster Ausleseelektronik, der aber immer noch weit von den in der digitalen Fotografie gängigen Auflösungen entfernt ist.
Bevor wir Perowskit-Sensoren in Kameras sehen, muss nicht nur die Auflösung noch einmal um das 100- bis 1000-fache gesteigert werden. Auch die für die Perowskit-Technologie typischen Probleme der geringen Haltbarkeit des Materials und seiner großen Anfälligkeit für Umwelteinflüsse wie Feuchtigkeit müssen gelöst werden. Die Dreischichtsensoren müssen auch noch unter Beweis stellen, dass sich mit ihnen feine Farbabstufungen abbilden lassen. Dazu müssen die spektralen Empfindlichkeitsbereiche der rot-, grün- und blauempfindlichen Schichten sanft auslaufen und sich weit überlappen. Mit Farbfiltern kann man das gut steuern; wie gut das mit den Perowskit-Schichten möglich ist, bleibt abzuwarten. Ob Perowskit-Sensoren als weiteres Fabelwesen enden oder sich zur Alternative für CMOS-Sensoren entwickeln, werden wir erst in einigen Jahren wissen.
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