DxO PureRaw 4: KI-Entrauschen mit Vorschau
Zu Version 3 von PureRaw schrieb ich (Blogbeitrag): „Das ist das PureRaw, wie es von Anfang an hätte sein sollen.“ Was soll also jetzt Version 4 bieten, um ein Upgrade zu rechtfertigen. Eine kurze Übersicht der neuen Funktionen und meine Meinung dazu.
Neue Funktionen in PureRaw 4
Eine Übersicht des Herstellers zu den neuen Funktionen finden Sie hier: neue Funktionen. Die neuen Funktionen kurz zusammengestellt und von mir kommentiert im Folgenden.
Das hatte ich alles soooooo schön als dreispaltige Tabelle in meinem Schreibprogramm Ulysses formatiert, aber das gefällt dem DOCMA-Wordpress offensichtlich gar nicht. Seufz. Künstliche Intelligenz ermöglicht heute schon Dinge, die wir neulich noch in der Science-Fiction beschmunzelt hatten, aber bei den einfachsten Dingen läuft noch viel zu viel falsch. 🤪
DeepPRIME XD2
Neuer, verbesserter Entrauschungsalgorithmus. Unterstützung für Fujifilm X-Trans-Sensoren folgt in Kürze.
Meine Meinung: Noch weniger Störungen in den Flächen, weniger Artefakte an Kanten und Details.
Neue Schieberegler
Luminanz-Rauschreduzierung und die Bewahrung der originalen Details lassen sich über Schieberegler abstimmen
Meine Meinung: Feinabstimmung der Ergebnisse für anspruchsvolle Pixelpeeper. Sehr hilfreich.
Ergebnisvorschau
Vorschau der Ergebnisse in Echtzeit
Meine Meinung: Unverzichtbar, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat und jedes Bild individuell optimieren möchte.
Smart Lighting
Automatisches Anpassen der Bildhelligkeit bei der JPEG-Ausgabe
Meine Meinung: Für mich verzichtbar, eher etwas für Ungeduldige, die nicht aufwendig bearbeiten, sondern direkt in JPEG konvertieren möchten. An diese Anwender richtet sich wohl auch das neue Widget, mit dem direkt von angeschlossenen Speicherkarten konvertiert werden kann.
Verbesserte Korrekturen
Objektivunschärfe und Farbsäume sollen verbessert worden sein und weniger Farbsäume und Artefakte erzeugen
Meine Meinung: Kann sein. Auf jeden Fall: Überschärfungen fallen kaum noch auf. Durch die neuen Schieberegler und die Vorschau lässt sich das Ergebnis nach Wunsch perfektionieren.
Erweitertes Umbenennen
Neuer Editor für benutzerdefinierte Umbenennung während der Stapelverarbeitung
Meine Meinung: Nützlich für Dateinamen-Monks wie mich.
PureRaw 4 – ausführlichere Meinung
Ergebnisqualität
PureRaw 3 lieferte bereits die klassenbesten Ergebnisse (siehe meinen ausführlichen Blogbeitrag vom letzten Jahr). Ungenutzt blieb bei mir aber der in Version 3 neue DeepPrime XD-Modus. Dieser erzeugte mir zu viele Artefakte und Details an Stellen, die eigentlich Flächen sein sollten.
Solche Artefakte fallen mit dem neuen XD2-Modus nicht nur geringer aus, sondern lassen sich über die zwei neuen Schieberegler für das Abstimmen der Luminanzentrauschung (Farbrauschen wird immer komplett entfernt!) und die Bewahrung der originalen Details auch hervorragend in den Griff bekommen. Flächen und Kanten zeigen so deutlich weniger Artefakte und erlauben dennoch mehr Details.
DeepPrime vs. DeepPrime XD2
Zwischen DeepPrime und DeepPrime XD2 sieht man bei ansonsten gleichen Einstellungen deutliche Unterschiede. Meist aber nur im direkten Vorher-/Nachher-Vergleich und bei hoher Zoomstufe: Flächen sind rauschfreier, Details prägnanter und ohne Aliasing.
Hier noch ein Beispiel mit hellerem Hintergrund bei „nur“ ISO 22800.
Details erzwingen
Live-Vorschau
Voraussetzung für eine Abstimmung des Ergebnisses – insbesondere durch die zwei neuen Parameter – war eine Live-Vorschau des Ergebnisses. Diese hat DxO folgerichtig eingebaut. Und es ist wirklich hilfreich, die Resultate sofort sehen und sich für das harmonischste Ergebnis entscheiden zu können, bevor man die Konvertierung startet.
Mich störte aber zunächst sehr, dass man nach jeder Änderung eines Parameters unter dem Fenster auf »Vorschau aktualisieren« klicken muss. Zum Glück kann man das in den Voreinstellungen aber umschalten.
Vorsicht ist hier nur auf langsameren Rechnern geboten, die während der Berechnung der Vorschau vielleicht eine längere Denkpause einlegen. Auf meinem M1-Mac Studio geschieht mehr oder weniger alles in Echtzeit oder mit nur einem kurzen Augenblick Verzögerung.
Kaufen oder nicht?
DxO möchte für das Update von einer der Vorversionen 79 Euro, für den Neukauf werden 119 Euro fällig (sogar etwas günstiger als noch letztes Jahr!).
Für Nichtbesitzer und für die Besitzer von Version 1 und 2
Hier gebe ich eine klare Kaufempfehlung. Man erhält dafür die Software mit der derzeit besten Qualität im Hinblick auf Demosaicing, Rauschreduzierung und Objektivkorrekturen (= Schärfe- und Verzeichnungskorrektur), und man kann dennoch mit dem eigenen Raw-Konverter wie gewohnt weiterarbeiten. Der neue DeepPrime XD2-Modus steht bislang nicht einmal in der DxO-eigenen Raw-Bearbeitungssoftware PhotoLab 7 zur Verfügung und wird voraussichtlich auch erst mit deren Version 8 dort eingeführt.
Für Besitzer von PureRaw 3
Hier müssen wir den ganzen Spaß etwas differenzierter betrachten. In Version 3 kann man bereits einzelne Korrekturen, wie die viel zu kräftige Schärfung, die Vignettierung und die Objektivkorrekturen) abschalten.
Im Hinblick auf die Rauschreduzierung
Die Entrauschungsergebnisse von Version 3 sind bereits so gut, dass man die Ergebnisse in einer sehr hohen Zoomstufe vergleichen muss. Da kann und muss man sich fragen, wie praxisrelevant die Unterschiede zwischen Version 3 und 4 sind. Bei geringen ISO-Stufen entrausche ich gar nicht oder nur mit den herkömmlichen Bordmitteln von Lightroom Classic oder Capture One. Und alle hier gezeigten Beispiele sind bei hohen, fünfstelligen ISO-Werten entstanden und in 200%-Anzeige dargestellt (wenn das Blog-System sie nicht verkleinert). Solche „stark“ rauschenden Fotos sind auch die Einzigen, bei denen ich überhaupt praxisrelevante Unterschiede feststellen kann.
Man muss also schon die Extreme erforschen – und da ist PureRaw aktuell der Meister. Bei sehr großen Ausdrucken sieht man da im direkten Vergleich zwischen einem pauschal aus Version 3 mit DeepPrime exportierten Bild und einem gezielt mit DeepPrime XD2 und den beiden neuen Schiebereglern optimierten Bild mit geübtem Auge (!) und geringem Betrachtungsabstand sicher Unterschiede. Aber selbst bei höchsten Ansprüchen sollten die für alle Ausgabegrößen unter DIN A4 (ich bin geneigt, DIN A3 zu schreiben) irrelevant sein.
Wie auch immer: Die besten Ergebnisse erhält man mit der aktuellen Version 4.
Im Hinblick auf den Arbeitsablauf
Diesbezüglich ist PureRaw 4 ein Must-have! Die Live-Vorschau ist nicht nur extrem hilfreich beim Optimieren der Einstellungen, sondern auch für das Erzeugen verschiedener Varianten, die man dann in die Warteschlange schiebt und später in einem Rutsch verarbeitet. So kann man eine stark entrauschte Variante für den Hintergrund und eine eher Details bewahrende Variante für das Motiv (typisches Beispiel: unsere kleinen, gefiederten Freunde) exportieren und beides in Photoshop kombinieren.
Ich liebe die Vorschau auch, um herauszufinden, was das Herstellerkorrekturprofil – etwa in Camera Raw und Lightroom Classic vor mir durch die Verzeichnungskorrektur verbirgt. Denn oft möchte ich die Korrektur abschalten (mehr dazu – inklusive eines Workarounds mit Capture One und einer Maximierung des Bildausschnitts durch »Generatives Füllen«: „Verzeichnungskorrektur ohne Randbeschnitt“ – in DOCMA2Go. Im Heft: DOCMA 108, Seite 72 ff.
Ohne Vorschau wäre das alles ein Blindflug.
Auch interessant: Wer Quick-and-Dirty Raw-Fotos entrauschen, auf eine passende Helligkeit bringen und direkt von der Speicherkarte in JPEGs konvertieren will, wird hier glücklich. Der Dateinamen-Editor lässt ebenfalls kaum Wünsche offen.
Meine Entscheidung
Ich hadere bei der Kaufentscheidung noch – ein wenig – mit mir. Einerseits ist mir das Pixelpeeping zuwider, andererseits macht es mir aber auch viel Spaß. 😀
Gerade eben war ich beim unbeabsichtigten Start von PureRaw 3 anstelle der Testversion von PureRaw 4 wegen der fehlenden Vorschau und der fehlenden Schieberegler irritiert und genervt. Ich benötige Version 4 ganz offensichtlich. Ja, es ist ein Luxusproblem, aber ich sehe schon, dass ich mit Version 3 nicht länger leben kann. Ich hoffe, dass es Ihnen anders geht. Würde 80 Euro sparen. Lach. 😉