DOCMA im Einsatz: Tutorials einfach nachklicken?
Heute hatte ich etwas Muße und stellte fest, dass ein Teil meiner DOCMA-Heftsammlung etwas schief und krumm sowie auch etwas unsortiert im Regalfach stand (siehe Foto 😉 ). Manchmal nehme ich eben ein älteres Heft zur Hand klopfe das darin Vermittelte darauf ab, ob es inzwischen nicht schnellere Wege mit besseren Ergebnissen gibt und stelle das dann eben wieder gedankenversunken irgendwohin zurück. Beim Aufräumen fiel mir heute das „uralte“ Heft 36 aus dem Jahr 2010 quasi in den Schoß. Also, DOCMA im Einsatz: Kann man damit noch etwas anfangen?
DOCMA im Einsatz: Wer braucht schon Digital-Kupferstich?
In eben jenem Heft 36 war ich seinerzeit sehr beeindruckt von Doc Baumanns Artikel „Wie bei Sherlock Homes“. Dort ging, beziehungsweise geht (das Heft gibt es ja noch) es darum, den Bildstil der einzelnen Motive im Abspann der (damaligen) Sherlock-Homes-Neuverfilmung von Guy Ritchie nachzuempfinden. Unter uns: Das Bildergebnis fand ich gut, es hatte mich insgesamt nicht vollends überzeugt (so etwas ist ja immer auch Geschmackssache). Aber die Details der Vorgehensweise von Doc, um bestimmte Elemente des Bildes (Rasterlinien, Kontureffekt, Flächenvereinheitlichung, unregelmäßige Hintergründe per Musterstempel und eigenen Pinselspitzen usw.) zu erzeugen, hatte für mich einen ganz großen Aha-Effekt zur Folge, von dem ich heute noch profitiere.
Das Problem bei Tutorials ist häufig – und das nimmt zu–, dass viele Photoshop-Anwender gar nicht mehr versuchen zu verstehen oder überhaupt verstehen wollen, was da gerade passiert und die Vorgehensweise nicht wirklich nachzuvollziehen versuchen. Stattdessen wird häufig eine DAU-Klick-für-Klick-Anwendung von A zu Z erwartet. Das funktioniert für ein konkretes, einzelnes Bild ganz toll – versagt aber oft direkt beim nächsten: Weil schlicht nicht klar ist, worauf konkret bei A zu achten ist, um über alle anderen Buchstaben zu Z zu kommen.
Aber was, wenn Sie – wie ich – diesen gezeigten Sherlock Homes-Effekt insgesamt gar nicht gut finden und eigentlich nie benötigen? Oder wenn Sie den Photoshop-Kupferstich-Workflow, den Doc Baumann zur Illustration seines (hoffentlich bald mal 😉 ) erscheinenden Romans gekonnt nutzt und (meiner Meinung nach am besten) in Heft 68 erklärt, niemals einsetzen wollen würden?
Wäre so ein Tutorial dann völlig unnütz?
Kurz und bündig:
- Ja, wenn Sie es einfach nur nachklicken wollen, um einen konkreten Effekt zu erzielen.
- Nein, wenn Sie die im einzelnen erklärten Vorgehensweisen nachvollziehen und am Ende neue, kreative Techniken und Technik-Kombinationen zur Verfügung haben, um Ihre eigenen Ideen umzusetzen.
DOCMA im Einsatz: Ich brauche zwar keinen Digital-Kupferstich, aber …
Einfache Tutorials 1:1 nachzuklicken ist ganz am Anfang, direkt nach der Installation von Photoshop & Co., eine gute Möglichkeit, schnell mal zu einem Erfolgserlebnis zu kommen. Versuchen Sie jedoch, dieses – sorry – stupide Nachklicken und Anwenden von „Tricks“ so schnell wie möglich loszuwerden, indem Sie versuchen, wirklich zu verstehen, wie und warum das Gezeigte funktioniert. Genau dafür haben wir zum Beispiel in jedem Heft einen Akademie-Artikel zu verschiedenen Photoshop- und Lightroom-Funktionen.
Um auf das „Wie bei Sherlock Holmes“-Tutorial zurückzukommen: Was hatte ich – mal rein exemplarisch – daraus gelernt, obwohl ich den Bildstil ja gar nicht 1:1 nachempfinden wollte?
- Es gibt einen Musterstempel (den hatte ich zuvor nie benutzt, weil ich ihn als unnütz empfand),
- man kann den Musterstempel mit eigenen, dynamischen Pinselspitzen nutzen (und das geht noch bei vielen anderen Werkzeugen!),
- man kann das Motiv vor der Überlagerung mit Strukturen durch Filter vereinfachen,
- der Filter »Versetzen« ist eine geile Sau (sorry) 😉
- (Raster-) Texturen kann man per Filter erzeugen und das Ergebnis muss man nicht hinnehmen wie es ist, sondern kann es durch gegebenenfalls mehrfache Kombinationen und Korrekturen passend hinbiegen,
- man kann nicht alles einfach per Filter erreichen, sondern kann/muss im Zweifel manuell den Pinsel schwingen – und das beschränkt sich nicht nur auf das heute als beinahe schon Allheilmittel beschworene Dodge & Burn,
- Füllmethoden sind essenziell und nicht immer reicht eine einzelne Füllmethodenänderung aus, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen.
Im Rückblick ist mir heute klar, dass ich allein mit den in diesem einen alten Doc-Artikel gezeigten Details unzählige verschiedene Vorgehensweisen für Bilder erklären könnte, die ich heute so für mich und Kunden bastle, obwohl ich noch nie irgendwo einen Sherlock-Holmes-Effekt oder einen Kupferstich-Effekt benutzt habe. 😉
Auch meine aktuelle „We hide“-Serie auf Instagram und Behance ist nichts anderes als eine Kombination von Versetzen, Füllmethoden und Masken. Glauben Sie mir: Grundlagen sind alles – natürlich auch Freude am Experimentieren. Bei der DOCMA im Einsatz. 😉
„Die schwierigsten Dinge der Welt beginnen stets im Leichten.
Die großen Dinge der Welt beginnen stets im Kleinen.
Darum der Weise:
Nie beginnt er mit Großem, darum kann er Großes vollenden.“
Tao Te King
In diesem Sinne, Ihr
Olaf Giermann