Die Rückkehr der Zombie-Marken
Inmitten der Fotoindustrie gibt es ein Schattenreich von Unternehmen, die nicht mehr oder nur noch in stark geschrumpfter Form existieren, deren Marken aber ein bisweilen unheimliches Eigenleben führen. Willkommen in der Twilight Zone der Zombie-Marken!
Erst vor drei Monaten hatte ich von einem Versuch berichtet, eine eher uninspirierte Kompaktkamera mit dem Yashica-Logo und einem oberflächlich an Yashicas einstmals wegweisende Kameras erinnernden Design an gutgläubige Kunden zu verkaufen. Von der Firma Yashica ist aber wenig mehr als der Markenname geblieben, den jeder nutzen kann, der die Rechte daran erwirbt.
Ein ähnliches Schicksal hat auch andere einst berühmte Marken im Fotomarkt ereilt. Wenn ein insolventer Hersteller das verbliebene Familiensilber verkaufen muss, um die Ansprüche der Gläubiger zumindest teilweise zu erfüllen, zählen die Rechte an Markennamen neben Patenten zu den wertvollsten Assets. In der Folge werden dann leider oft Produkte angeboten, die dem Ruf der berühmten Marke nicht gerecht werden. Manchmal haben sie auch gar nichts mehr mit dem ursprünglichen Geschäftsfeld zu tun. So werden unter der Marke Vivitar, die einst dem kalifornischen Fotohersteller gleichen Namens gehörte, heute neben Allerweltsware aus dem optischen Bereich auch Fitness-Tracker und Haar-Styler angeboten. Dagegen verkauft Rollei zwar immer noch (OEM-) Fotoprodukte, doch dahinter steht die RCP Technik GmbH in Hamburg. Die Firma DHW Fototechnik, die in kleinem Maßstab die Rollei-Tradition in Braunschweig fortführt, muss dagegen auf den eingeführten Markennamen verzichten.
In diesem Zusammenhang muss auch Kodaks Einstieg in das Geschäft mit Kryptowährungen erwähnt werden, den die Firma jüngst auf der Unterhaltungselektronik-Messe CES angekündigt hat. Auf der Plattform KodakOne sollen Fotografen ihre Bilder zur Lizenzierung anbieten; bezahlt wird mit der Kryptowährung Kodak Coin. KodakOne verspricht, eine unlizenzierte Verwendung der Fotos seiner Kunden automatisch zu entdecken und die Urheberrechtsverletzer zur Nachlizenzierung anzuhalten.
Mit Eastman Kodak in Rochester hat das allerdings wenig zu tun; Kodak stellt nur seinen Markennamen zur Verfügung. Hinter KodakOne steht tatsächlich die britische Bildagentur Wenn Digital, die, wie Ars Technica herausfand, bislang im Geschäft mit Paparazzi-Fotos aktiv war. In diesem Zusammenhang versuchten sie auch, per Crowd Funding ein Projekt namens RYDE zu finanzieren, in dem es um die Lizenzierung von Paparazzi-Fotos über eine Kryptowährung gehen sollte. Kurz vor Kodaks Ankündigung wurde die Crowd-Funding-Kampagne abgebrochen und die RYDE-Website abgeschaltet; stattdessen ist das Projekt nun als KodakOne wieder auferstanden – ohne irgendeine Erwähnung von Paparazzi-Bildern, sondern mit einem allgemeineren Ansatz, aber ansonsten offenbar identisch mit RYDE.
Auf der CES stellte Kodak auch den Kodak KashMiner vor, einen auf das Schürfen von Bitcoins spezialisierten Computer, den man für 3400 USD für zwei Jahre mieten kann. Pro Monat soll er Bitcoins im Wert von 750 USD schürfen, von denen der Mieter die Hälfte behalten darf. Das wären 375 USD pro Monat oder 9000 USD in zwei Jahren; zieht man die Miete von 3400 USD ab, blieben 5600 Dollar Gewinn. Daneben wären noch die Stromkosten zu berücksichtigen, aber das Ganze klingt so gut, dass man nach einem Haken sucht: Wenn man auf diese Weise mühelos Geld verdienen kann, warum macht es Kodak dann nicht selbst? DPReview fand schnell heraus, was an der schönen Geschichte nicht stimmt: Das Schürfen von Bitcoins wird pro Monat um etwa 15% aufwendiger und sein Ertrag entsprechend geringer; es ist daher nicht davon auszugehen, dass man über den ersten Monat hinaus immer 375 USD erwirtschaften kann – selbst wenn der Bitcoin-Kurs nicht dauerhaft einbricht, was ja ein durchaus realistisches Szenario ist. Dass man am Ende der zweijährigen Mietdauer wirklich einen Gewinn gemacht haben wird, ist daher zweifelhaft. Hinzu kommt, dass der Kodak KashMiner offenbar baugleich mit dem Bitmain Antminer S9 ist, den man für nur 2320 USD kaufen (!) kann. Kodak verdient also bereits an der vorab zu zahlenden und weit überteuerten Miete, und dann jeden Monat an den geschürften Bitcoins; der Mieter kommt für die Energiekosten auf und muss befürchten, am Ende der zwei Jahre einen Verlust zu bilanzieren.
Auch hinter diesem zweifelhaften Geschäft steht natürlich nicht wirklich Eastman Kodak; sie geben nur ihren Namen dafür her. Nachdem Kodak in den letzten Jahren die meisten Geschäftsbereiche aufgegeben und einen Großteil seiner Patente verkauft hat, um aus dem Gläubigerschutz nach Chapter 11 herauszukommen, müssen sie nun offenbar riskieren, mit solchen halbseidenen Aktionen den noch immer guten Ruf der Marke zu gefährden. Es ist ein Trauerspiel.