Die Geschichte des Graphic Design von 1960 bis heute
Bereits Ende Mai hatte ich Ihnen den ersten Band der Geschichte des Graphic Design aus dem Taschen Verlag vorgestellt. Er deckte die Entwicklung von 1890 bis 1959 ab. Nun ist der damals angekündigte zweite Band erschienen, der die Zeit bis zur Gegenwart vorstellt. Der großformatige Bildband präsentiert Ihnen in Tausenden von Illustrationen mit wegweisenden Beispielen aus den letzten 60 Jahren.
Abgesehen von dem Zeitraum, den dieser zweite Band der Geschichte des Graphic Design abdeckt, ist es schwierig, etwas grundlegend anderes darüber zu schreiben als über den im Frühling dieses Jahres erschienenen ersten. Daher werde ich mich hier in Teilen selbst zitieren müssen, da alle Vorzüge, die ich seinerzeit erwähnt hatte, auch auf die neue Ausgabe zutreffen.
Weil die Bildbeispiele aus den letzten Jahrzehnten stammen, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, immer wieder auf alte Bekannte zu treffen, die einen vielleicht schon vor langer Zeit begeistert, angeregt und vielleicht sogar für die eigene Arbeit geprägt haben.
Der Riesenband zeigt wieder einmal alle Vorzüge solcher Produktionen des Kölner Taschen-Verlags: Hervorragende Reproduktionen auf gutem Papier, sachkundige Texte, eine angemessene Gewichtung zwischen Überblick und Tiefgang.
In diesem wiederum von Jens Müller und Julius Wiedemann herausgegebenen Buch geht es um die Entwicklungsgeschichte des Graphic Design in den sechzig Jahren zwischen 1959 und der Gegenwart. Das Buch präsentiert dreieinhalbtausend Bildbeispiele, von briefmarkengroß bis ganzseitig. Zu jeder Abbildung gibt es knappe Informationen: Entstehungsjahr, Gestalter (soweit bekannt), Herkunftsland und Medium – also etwa Plakat, Anzeige, Verpackung, Logo …
Jedes Jahrzehnt wird mit einer mehrseitigen Übersicht eingeleitet; diese Kapitel sind schnell zu finden, da ihre Farbfonds bis in den Anschnitt reichen.
Mit diesem zweiten Band schließt Jens Müller seine groß angelegte Geschichte des Graphic Design ab. Detaildarstellungen von 78 besonders markanten, trendsetzenden Projekten und Kampagnen, Porträts wichtiger Gestalter, Zeitachsen für jedes Jahrzehnt und ein ausführlicher Anhang machen den Band zu einer Enzyklopädie des Kommunikationsdesigns – von der Hippie-Bewegung bis zu aktuellen, ganz neuen Formen der Bildsprache.
Es ist interessant nachzuvollziehen, wie sich seit den Neunzigerjahren zunehmend digital gestaltete Grafiken durchsetzen und weiterentwickeln. Leider gehen die Herausgeber in den Bildlegenden auf die jeweils verwendeten Techniken nicht ein – was zugegebenermaßen bei dreieinhalbtausend Illustrationen auch nicht so leicht zu recherchieren wäre. (Bei den Jahresbänden etwa von „Lürzer’s Archiv“, „Illustrators“ oder „Spectrum“ ist das anders, da dort die Werke mit entsprechender Kennzeichnung für eine Jurierung eingereicht werden.) Bei der Kurzvorstellung maßgeblicher Designer/innen gehen die Texte immerhin kurz auf den Aspekt der verwendeten Arbeitstechniken, auch der digitalen, ein.
Die Texte sind dreisprachig – englisch, deutsch, französisch. Neben der Funktion, die Geschichte des Mediums und die Entwicklung von Kunst, Kultur und Stilen nachzuverfolgen, sehe ich eine wichtige Nutzung für Bildbearbeiter und Praktiker des Graphic Design darin, für eigene Projekte ein besseres Gefühl für die Gestaltungsvorhaben der jeweiligen Epochen zu entwickeln und sich etwa bei eigenen Retro-Bildern an diesen Vorgaben zu orientieren, was Stil, Farbgebung, Komposition und Typo betrifft. Dazu kann auch gehören, mehr über die grundlegenden Methoden zu erfahren, wie sich eine Idee in ein wirkungsvolles Bild umsetzen lässt.
Und wer weder lernen möchte noch sich anregen lassen will, kann den umfangreichen Band auch einfach nur zum entspannten Blättern nutzen und sich über Bildideen freuen, die zum Teil noch heute vorbildlich sind. Diesen Ratschlägen ist auch in Bezug auf den voluminösen zweiten (vier Kilo-) Band nichts hinzuzufügen. Falls Sie schon an der Vorbereitung Ihres Wunschzettels für Weihnachten sitzen: Bei Interesse für Graphic Design sollte dieses Buch darauf nicht fehlen.
„The History of Graphic Design 1960 – Today“ hat ein Format von 26 × 37 cm, 480 Seiten und kostet 50 Euro. Der vom Umfang her identische erste Band von 1890 bis 1959 ist im Frühling 2018 erschienen.