Die Geschichte des Graphic Design 1890–1959
Gerade ist ein dickes und großformatiges Buch erschienen, das die Geschichte des Graphic Design vom Ende des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in mehr als 2500 Abbildungen dokumentiert. Wozu brauchen Bildbearbeiter und Fotografen einen solchen Band? Nun, neben dem Wissen über die Entwicklung dieser Medien kann man hier viel über die Visualisierung von Ideen für eigene Projekte lernen. Und man findet zahllose Anregungen, wenn es drum geht, hinsichtlich Bildsprache und -aufbau, Farbwahl oder Typo selbst den Stil einer bestimmten Epoche aufzugreifen.
Der Riesenband zeigt wieder einmal alle Vorzüge solcher Produktionen des Kölner Taschen-Verlags: Hervorragende Reproduktionen auf gutem Papier, sachkundige Texte, eine angemessene Gewichtung zwischen Überblick und Tiefgang.
In diesem von Jens Müller und Julius Wiedemann herausgegebenen Buch geht es um die Entwicklungsgeschichte des Graphic Design in den 70 Jahren zwischen 1890 und 1959. Das Buch präsentiert zweieinhalbtausend Bildbeispiele, von briefmarkengroß bis ganzseitig. Zu jeder Abbildung gibt es knappe Informationen: Entstehungsjahr, Gestalter (soweit bekannt), Herkunftsland und Medium – also etwa Plakat, Anzeige, Verpackung, Logo …
Jedes Jahrzehnt wird mit einer mehrseitigen Übersicht eingeleitet; diese Kapitel sind schnell zu finden, da ihre Farbfonds bis in den Anschnitt reichen. 71 herausragende Beispiele des Graphic Design werden ausführlicher vorgestellt, ebenso 61 der innovativen Köpfe dahinter – unter ihnen Alfons Mucha (Jugendstil-Plakate), Edward Johnston (Erscheinungsbild der Londoner U-Bahn), El Lissitzky (konstruktivistische Grafiken), Herbert Matter (Plakate mit kolorierten Fotomontagen), Saul Bass (animierte Filmvorspanne) und A. M. Cassandre (Art déco Plakate).
Die Texte sind dreisprachig – englisch, deutsch, französisch. Wie bereits erwähnt: Neben der Funktion, die Geschichte des Mediums und die Entwicklung von Kunst, Kultur und Stilen nachzuverfolgen, sehe ich eine wichtige Nutzung für Bildbearbeiter und Praktiker des Graphic Design darin, für eigene Projekte ein besseren Gefühl für die Gestaltungsvorhaben der jeweiligen Epochen zu entwickeln und sich bei Retro-Bildern an diesen Vorgaben zu orientieren, was Stil, Farbgebung, Komposition und Typo betrifft. Dazu kann auch gehören, mehr über die grundlegenden Methoden zu erfahren, wie sich eine Idee in ein wirkungsvolles Bild umsetzen lässt.
Und wer weder lernen möchte, noch sich anregen lassen will, kann den umfangreichen Band auch einfach nur zum entspannten Blättern nutzen und sich über Bildideen freuen, die zum Teil noch heute vorbildlich sind.
„The History of Graphic Design 1890–1959“ hat ein Format von 26 × 37 cm, 480 Seiten und kostet 50 Euro. Ein zweiter Band, der die Zeit von 1960 bis in die Gegenwart abdecken wird, soll später erscheinen.