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Der Teufel in den Details

Kürzlich hatte ich hier eine Definition vorgeschlagen, was noch als Foto gelten kann und was nicht mehr, und war am Rande auch auf die Bedeutung feinster Details eingegangen. Dieses Thema verdient allerdings, hier noch einmal – nun ja – im Detail betrachtet zu werden.

Wer seine Fotos ausstellt, wird vermutlich Prints im Format A2 oder vielleicht A1 hängen. Online präsentiert schaut sich ein typischer Betrachter die Fotos maximal bildschirmfüllend an, oft aber auch kleiner. Viel mehr als 16 Megapixel sind dabei durchweg nicht im Spiel, meist weniger, und selbst die werden unsere Augen nicht unterscheiden können. Die feinsten Details der mit immer höher auflösenden Kameras aufgenommenen Bilder sind also gar nicht zu sehen. Es sind die Fotografen selbst, die sich darüber Gedanken machen und zumindest nach dem Kauf einer neuen Kamera oder eines neuen Objektivs weit in die Fotos hinein zoomen, bis auf 100 Prozent oder noch weiter, um die Qualität der Neuanschaffung auf die Probe zu stellen.

Der Teufel in den Details
Viele Bilder im Petersdom wirken aus der Distanz wie Gemälde, sind aber tatsächlich Mosaike.

Diese Angewohnheit kann im Grunde nur frustrieren, denn ein so stark vergrößertes Bild zerfällt in einzelne Pixel, was selbst bei einer perfekten Abbildung nicht mehr schön aussieht. Aber was erwartet man sich eigentlich von einer starken Vergrößerung? Es gibt Gigapixelbilder, die aus Hunderten von Aufnahmen mit einer langen Brennweite zusammengesetzt sind, und in diese kann man tatsächlich sehr weit hinein zoomen, wobei sich immer mehr Einzelheiten in hoher Auflösung zeigen – Details, von denen man bei der Betrachtung des Bildes im Ganzen noch nichts ahnte. Wenn nun aber jedes winzige, zunächst gar nicht erkennbare Detail ein eigenständiges hochaufgelöstes Bild enthält, steht der Betrachter vor dem Problem, dass er entweder das gesamte Bild oder das vergrößerte Detail sieht, aber niemals beides; es ist nicht einmal mehr offenkundig, dass das eine im anderen enthalten ist. Bei normalen Fotos gibt es jedoch eine maximale Vergrößerung, über die hinaus sich nichts Interessantes mehr zeigt.

Das gilt nicht nur für die Fotografie, sondern auch für die bildende Kunst. Ein Ölbild mag noch so realistisch erscheinen; geht man ganz nah heran – soweit das heutzutage überhaupt noch erlaubt ist und man dabei nicht die Alarmanlage auslöst –, dann erkennt man die Abdrücke von Pinsel oder Spachtel, und das eigentlich gegenständliche Bild zerfällt in ein abstraktes Muster von Farbflächen. (Gerhard Richter hat sich bisweilen dadurch inspirieren lassen und stark vergrößerte Details eigener Werke wiederum abgemalt.)

Dass selbst aus einzelnen Steinchen zusammengesetzte Mosaiken aus einer größeren Entfernung den Eindruck kontinuierlicher Farb- und Helligkeitsverläufe erwecken können, kann man im Petersdom bewundern: Papst Gregor XIII., der Mosaiken besonders schätzte, gründete die Scuola del Mosaico, deren Absolventen Steine mit so fein abgestuften Farbschattierungen verwendeten, dass man die Mosaiken zunächst für Gemälde hält – im Gegensatz zu den antiken Mosaiken, die ihren Charakter nie verleugnen.

Ausschnitt aus einem antiken römischen Mosaik in den Caracalla Thermen

Dass die Megapixelzahlen der Sensoren bei gleicher Fläche stetig wachsen, verbessert zwar, anders als manche unken, tatsächlich die erzielbare Bildqualität – aber nur im Vergleich von Fotos gleicher Größe. Geht man dagegen immer in die 100- oder 200-Prozent-Darstellung, vergrößert also um so stärker, je höher der Sensor auflöst, dann werden die Pixel eher schlechter. Für eine solche Betrachtung sind sie aber auch nicht gedacht. Genauso wie sich ein Maler entscheidet, seine Bilder nicht über einen bestimmten Detaillierungsgrad hinaus immer weiter zu verfeinern, muss man auch als Fotograf nicht nach Details streben, die weder aus einem normalen Betrachtungsabstand, noch wenn man dem Bild einen Schritt näher tritt, überhaupt zu erkennen sind.

Es sei denn natürlich, wir wollten ein Gigapixel-Panorama aufnehmen oder es ginge uns um eine wissenschaftliche Dokumentation, aber dazu müssen wir alle Details einzeln fotografieren, um sie dann mit einer Panoramasoftware zu stitchen und zu einem Gesamtbild mit extremer Auflösung zu verrechnen.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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