Der automatische Fotograf – Canons PowerShot Pick
„Selfies“ heißen ja eigentlich so, weil man selbst sich selbst fotografiert hat, aber den meisten Leuten geht es weniger darum, selbst zu fotografieren, als selbst fotografiert zu werden. Und wenn niemand Lust hat, den Fotografen zu machen, kann man das einem künstlich intelligenten Fotoautomaten überlassen. Canon ist jetzt mit dem PowerShot Pick auf diese Idee gekommen, die Sony schon vor 12 Jahren hatte.
Wie Douglas Adams einmal schrieb, haben wir Geschirrspülmaschinen erfunden, damit wir das Geschirr nicht selbst abwaschen müssen, und Videorekorder, um uns das Anschauen öder Fernsehsendungen zu ersparen – den Aufstieg von Streaming und Binge-Watching hat Adams nicht mehr erlebt. Die Lust am Fotografieren ist auch gar nicht so groß, wie man meinen könnte – es ist eher das fotografiert werden, das den Selfie-Boom anheizt. Wäre es daher nicht an der Zeit, den Fotografen durch einen Automaten zu ersetzen? Und damit ist wohlgemerkt kein Passbildautomat gemeint.
In Japan hat Canon jüngst eine sehr erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne für das „PowerShot Pick“ abgeschlossen, einen Ableger von Canons schon seit vielen Jahren angebotenen Überwachungskameras. Aber während die Abnehmer der Überwachungskameras eher im gewerblichen Bereich zu finden sind, zielt das Pick auf gewöhnliche Konsumenten.
Das Pick stellt man irgendwo hin, auf einen Tisch, ins Regal oder auf ein Stativ, und lässt es automatisch seine Arbeit tun. Seine künstliche Intelligenz erkennt Personen, verfolgt diese mit seinen beiden Motoren für Kipp- und Schwenkbewegungen, nimmt selbsttätig Fotos und Videos auf, wenn etwas Aufnehmenswertes zu passieren scheint, und wählt den optimalen Ausschnitt. Eine Steuerung über Sprachbefehle oder ein Smartphone ist aber ebenso möglich.
Passionierten Fotografen fällt da die „Motivklingel“ ein, nur muss der Fotograf gar nicht mehr auf Motive aufmerksam gemacht werden – er ist nun endlich immer selbst im Bild, weil der Automat seine Aufgabe vollumfänglich erfüllt. Nach Canons Werbefilmen (hier und hier) zu urteilen, ist an Aufnahmen des Familienlebens, von Kindergeburtstagen und dergleichen gedacht.
Dabei ist diese Idee nicht neu. Schon vor 12 Jahren hatte Sony den Party-shot mit einer ganz ähnlichen Funktionalität vorgestellt. Allerdings war dies nur eine motorisierte Montierung mit eigener künstlicher Intelligenz, auf die eine Cyber-shot-Kompaktkamera gesteckt wurde, hatte also kein integriertes Kameramodul. In Deutschland habe ich das Party-shot damals nur auf einem Messestand entdeckt; es blieb wohl vor allem dem japanischen Markt vorbehalten. Auch Canon scheint sich mit dem PowerShot Pick auf Japan zu konzentrieren, und der Erfolg der Crowdfunding-Kampagne lässt vermuten, dass ein automatischer Fotograf dort auf Interesse stößt. Wertkonservative deutsche Amateurfotografen mögen die KI-Unterstützung für unter ihrer Würde halten, aber wie gesagt: Den meisten Menschen geht es darum, fotografiert zu werden, nicht um das Fotografieren.
Vielleicht könnte man das Ding als „kleine Konferenzkamera“ einsetzen, fotografisch finde ich’s nicht so interessant.