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Das Apple iPhone 15 Pro im Alltag

Seit dem iPhone 12 haben wir auf DOCMA.info fast jährlich die jeweils neuesten iPhone Pro-Modelle auf ihre fotografischen Qualitäten getestet und den Fortschritt untersucht. Muss das beim iPhone 15 Pro wieder sein? Die klare Antwort: Jein.

Hardware

Ein Grund, sich nicht allzu lange mit Vergleichen aufzuhalten, beginnt beim Blick auf die technischen Spezifikationen. Im Grunde ist beim iPhone 15 in den Pro-Versionen fast alles beim Alten – also bei der Ausstattung des iPhone 14 Pro. Es gibt drei Objektive: Eines mit 12 Megapixel-Sensor und 13 Millimeter Brennweiten-Equivalenz, das immer noch kräftig verzerrt. Die Hauptbrennweite hat 48 Megapixel Auflösung und einen Bildausschnitt, der 24 Millimetern im Kleinbild entspricht. Auch hier ist die Entzerrung der Bildecken immer noch nicht nicht optimal. Aber sie scheint einen zarten Hauch besser zu sein als beim Vorgänger. Und nur die Pro-Modelle besitzen ein weiteres 12 Megapixel-Objektiv, das nun 120 Millimeter Brennweiten-Eqiuvalenz aufweist. Dieses Tele ist neu, denn in der Vergangenheit konnten die Pro-Modelle nur bis maximal 50, 65 oder 77 Millimeter zoomen.

Apple bewirbt diese Kombination aus drei Objektiven vollmundig mit „Das ist so, als hättest du immer sieben Pro Objektive dabei.“ Natürlich sind wir alle erwachsen und wissen, dass man Marketing nicht so ganz ernst nehmen darf. Aber: Was meinen die eigentlich damit? Drei Linsen = sieben Objektive?

Drei echte Objektive

Das Apple iPhone 15 Pro im Alltag

Diese Frage bringt uns auch schon in den Bereich, in dem das neue iPhone 15 Pro ein paar echte Neuigkeiten zu bieten hat – zu seiner Softwareausstattung.

Fangen wir mit den Objektiven an. Bei der Aufnahme in der Kamera-App stehen nun unter „Foto“ zunächst vier Brennweiten zur Wahl: »0,5« das entspricht dem 13 Millimeter Ultraweitwinkel und »1x« für die 24 Millimeter Version. »2x« sind 48 Millimeter. Dafür braucht es nach Apples Auffassung kein eigenes Objektiv, sondern hier wird kurzerhand der 48 Megapixel-Sensor auf einen Ausschnitt reduziert. »5x« wiederum ist die Brennweite des 120 Millimeter-Teleobjektivs.

Das Apple iPhone 15 Pro im Alltag

Nur ein Makro

So, das sind bei Licht besehen 3 + 1 Objektive, wo aber verstecken sich die anderen drei? Da wäre zunächst ein Makro-Objektiv. Hier handelt es sich technisch um das 13 Millimeter-Ultraweitwinkel, das per default automatisch genutzt wird, wenn man sich (ganz gleich bei welcher Brennweite) einem Objekt auf kurze Distanz, also auf weniger als 18 Zentimeter nähert. Dann erscheint ein gelb-schwarzes Blumensymbol am unteren Bildrand (1.). Technisch schaltet das iPhone in diesem Moment von der gerade ausgewählten Brennweite – hier »5x – auf das Ultra-Weitwinkel und nutzt nur den zuvor gezeigten Ausschnitt (3.).

Das Apple iPhone 15 Pro im Alltag

Man muss kein Mathematiker sein, um sich ausrechnen zu können, dass bei dieser Herangehensweise nur ein recht kleiner Bildausschnitt der 13-Millimeter Perspektive genutzt wird (3. weißer Rahmen). Damit das Ergebnis dann wieder auf 12 Megapixel wächst, wird die fehlende Bildinformation per Software interpoliert. Obwohl solche Digital-Zoom-Techniken keinen guten Ruf genießen, sind die Ergebnisse hier oftmals durchaus zufriedenstellend, sofern man es nicht übertreibt (2.). Ich mutmaße mal, es kommen beim Hochrechnen KI-Superresolution-Techniken zum Einsatz.

Drei Crop-Festbrennweiten

Das Apple iPhone 15 Pro im Alltag

Bei den letzten beiden „Objektiven“ mit 28 und 35 Millimeter-Brennweite handelt es sich – wie schon bei dem 48 Millimeter-Normalobjektiv – um Crop-Brennweiten. Alle drei „Objektive“ nutzen einfach nur einen Ausschnitt des 24-Millimeter-Objektivmoduls. Neu beim iPhone 15 ist die Möglichkeit, als Standardbrennweite eines der drei Weitwinkel (1x, 1,2x 1,5x) voreinzustellen. In der Praxis bringt das zumindest für mich einen Vorzug: Da ich – speziell bei Reportage-Porträts – kein Freund verzerrter Ränder bin, kann ich die bisweilen unerfreulichen Bildecken des 24ers von vornherein durch die Standardeinstellung auf ein 35er ausblenden. Außerdem habe ich so wieder eine Brennweite, wie ich sie von der Arbeit mit Fotokameras über viele Jahre gewohnt bin. Aber das sind natürlich rein persönliche Befindlichkeiten. Andere Menschen lieben den 24er Blickwinkel und kämen nie auf die Idee, freiwillig etwas vom Bild abzuschneiden.

Das Apple iPhone 15 Pro im Alltag

Praxis: Zoomen oder Festbrennweiten

Natürlich ist man nicht auf diese Festbrennweiten beschränkt. Man kann zwischen ihnen wechseln wie bei einem Zoom und Apples Software entscheidet dann, welche Objektive zum Einsatz kommen. Zoom oder Festbrennweite ist also vor allem Geschmacksache.

In der Anzeige geht das Zoom jetzt bis zum Faktor »25x«, was 600 Millimetern entspricht. Da war zuvor bei »15x« Schluss.

Mit Brennweiten jenseits der »5x« zu arbeiten, ist allerdings aus zwei Gründen keine gute Idee: Zum einen beherrscht das Gerät das Hochrechnen kleiner Ausschnitte zwar, was herauskommt erweist sich aber nicht als sonderlich brillant. Zum anderen überreizt eine so lange Brennweite die Fähigkeiten der Bildstabilisierung. Dennoch: Als Fernrohr-Ersatz ist die Funktion im Alltag bisweilen durchaus nützlich.

Der neue nachträgliche Porträtmodus

Appel wirbt damit, dass man mit dem neuen iOS 17 normale Fotos (auch im Live-Modus) mit Funktionen bearbeitet kann, die zuvor nur im Porträtmodus verfügbar waren. Allerdings müssen sie mit dem iPhone 15 oder dem iPhone 14 Pro aufgenommen worden sein. Eine weitere Voraussetzung: Auf den Bildern muss ein Mensch sein. Dann soll man zum einen die Person nachträglich vom Hintergrund trennen und diesen mit dem virtuellen Blendenregler unscharf stellen können. Zum anderen besteht die Option der nachträglichen Beleuchtung, wie man sie bisher ebenfalls nur aus dem Porträt-Modus kennt.

Wenn die Person genug Fläche im Bild einnimmt, kann man jetzt auch Live-Bilder im Porträt-Modus machen. Das Apple iPhone 15 Pro im Alltag
Wenn die Person genug Fläche im Bild einnimmt, kann man jetzt auch Live-Bilder im Porträt-Modus machen.

In der Praxis gibt es hier einige Fallstricke. Zunächst muss die Person eine relativ große Fläche im Bild einnehmen, bis die Porträt-Option zur Verfügung steht. Zum anderen ist die Möglichkeit bei Live-Bildern nur auf das Motiv beschränkt, das das iPhone automatisch als die ideale Zusammenrechnung des Ausgangsmaterials gewählt hat. Will man ein anderes Schlüsselfoto festlegen, stehen die Porträt-Funktionen für die Hintergrundunschärfe und die digitale Nachbeleuchtung nicht mehr zur Verfügung.

Bei zu großer Entfernung vom Motiv gelingt die Porträt-Adaption nicht. Das Apple iPhone 15 Pro im Alltag
Bei zu großer Entfernung vom Motiv gelingt die Porträt-Adaption nicht.

Eine Reihe von Rätseln für Pixel-Peeper

Neu ist auch, dass man in den Kamera-Einstellungen festlegen kann, in welcher Auflösung die Bilder der Hauptkamera gesichert werden. Zur Wahl stehen 12 oder 24 Megapixel. Interessanterweise gilt das nur für Aufnahmen mit 24-, 28- und 35-Millimeter-Equivalenz. Nimmt man mit diesem Sensor ein Bild im »2x«-Modus, also mit 48-Millimeter Brennweite auf, werden nur 12 Megapixel gesichert. Rein rechnerisch erscheint es unlogisch, denn bei 50 Prozent der Fläche wären 24 MP möglich, aber es soll scheinbar nicht sein.

Ein weiteres Rätsel ist der Einsatz des neuen Teleobjektivs. Eigentlich könnte man erwarten, dass es genutzt wird, wenn man auf »5x« tippt. Das passiert aber nur, wenn das Motiv über einen Meter entfernt ist. Darunter kommt wieder die 24 Millimeter-Hauptkamera mit Lens-Cropping zum Einsatz.

Praxis-Galerien

Ich habe das iPhone 15 Pro Max für diesen Test rund zwei Monate im Berufsalltag immer dabei gehabt. Hier sind drei typische Anwendungen mit mehreren Beispielen:

Reportage

Die Bilder entstanden bei der Presseveranstaltung der sehr sehenswerten Ausstellung von Kathrin Linkersdorff in den Hamburger Deichtorhallen. Aus Sicht eines Journalisten kann das neue iPhone 15 Pro im Hinblick auf Flexibilität und Qualität durchaus mit einer besseren Bridge-Kamera mithalten. Für die aktuelle Berichterstattung in Print und Web braucht man im Grunde nichts anderes mehr.

Porträt

Ob am helllichten Tag oder tief in der Nacht: Porträts sind spätestens seit der Einführung des virtuellen Bokehs eine der Spezialitäten des iPhones.

Reise

Wer viel unterwegs ist, hat diese Reisekamera ohnehin meist als Telefon, Navigationsgerät und/oder Textkommunikator in der Hosentasche. Was besonders auffällt, ist die Fähigkeit des iPhones 15 Pro (und das gilt auch schon für die Vorgängermodelle), Lichtstimmungen ohne die Notwenigkeit größerer Nachbearbeitungen zu erfassen. KI macht’s möglich. Selbst Nachtaufnahmen sind dank der Rechenkünste, die aus vielen Belichtungen ein scharfes und kontrastreiches Einzelbild zaubern, längst kein Problem mehr.

Fazit

Dass ein modernes iPhone heute viele Aufgaben mühelos bewältigt, für die bis vor ein paar Jahren „richtige“ Kameras gebraucht wurden, ist für die meisten keine Neuigkeit. Betrachtet man das iPhone 15 Pro im Kontext seiner Vorgänger, zeigt sich hier wieder eine Evolution statt eine Revolution. Aber man muss auch fairerweise anerkennen, dass es in der Kategorie Foto-Smartphone langsam schwierig wird, so richtig umwerfende Innovationen zu produzieren.

Verbesserungswürdig sind natürlich immer noch ein paar Punkte: Wer richtige Kameras gewohnt ist, tut sich oft schwer mit der Ergonomie der Kameratelefone. Das ist ein Problem, das auch das neueste iPhone nicht gelöst hat. Vermutlich relativ leicht in den Griff zu bekommen wäre eine deutlich bessere Makrofunktion, die in allen Kameramodulen verbaut ist. Zwar kostet das sicherlich etwas mehr in der Produktion, aber so ein iPhone 15 Pro ist inzwischen mit Preisen zwischen 1200 und 2000 Euro auch kein Schnäppchen.

Kurz gesagt: Wie Apple immer wieder gerne ins Feld führt: Auch dieses iPhone ist das beste jemals verfügbare iPhone. Sind die älteren Modelle deswegen schlecht? Natürlich nicht. Empfehlenswert in der in der Liga der iPhones mit drei Linsen ist ein Upgrade für alle Fotoaffinen, die bisher noch mit einem iPhone 12 Pro und einem älteren Modell arbeiten. Für die anderen gilt, sofern sie keine Foto-Nerds sind: Kosten Sie einen Vorzug der im Vergleich oft relativ teuren iPhones aus: Man kann die Geräte viele Jahre lang mit der neusten Software nutzen. Meist solange, bis die Summe der evolutionären Neuerungen dazu führt, dass man mit dem neuen Gerät doch eine kleine Revolution erwirbt.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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