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Bildkritik: Falsch, aber besser

Auch im Weltraum gilt: Alle Objekte sollten, was ihre Beleuchtungsrichtung betrifft, einheitlich aussehen. Ein Planet frontal angestrahlt, sein Mond dagegen von der Seite – das geht nicht. Einerseits. Doch andererseits: Wäre dieses Bild wirklich besser, wenn hier physikalisch alles stimmen würde? Doc Baumann hat sich nicht nur Nils Westerboers Roman „Athos 2643“ genauer angeschaut, sondern auch seine Coverillustration.

Bildkritik: Falsch, aber besser
Nicht wirklich das Covermotiv von „Athos 2643″“ aber … (dazu weiter unten mehr)

Kürzlich stieß ich auf der Website einer Versandbuchhandlung zufällig auf einen Science-Fiction-Roman, dessen Cover mich ansprach. Damit war der erste Marketing-Schritt erfolgreich absolviert, denn nun las ich auch die Kurzbeschreibung des Inhalts. Die klang vielversprechend und anspruchsvoll, und obwohl ich schon lange – im Unterschied zu früheren Jahrzehnten – kaum noch Science Fiction lese, bestellte ich „Athos 2643“ von Nils Westerboer, von dem ich zuvor noch nie  etwas gehört hatte.

Eine echte Bildungslücke, wie sich herausstellte, denn der Mann schreibt wirklich gut; der Hintergrund der Handlung erschließt sich nur langsam – ich bin erst beim ersten Drittel –, es gibt tiefsinnige (wirklich, ganz ohne Ironie!) Dialoge, die nachdenklich machen, und ich freue mich schon auf die weiteren Kapitel. Vieles bleibt so fremd, wie einem Menschen des Jahres 1403 unsere gegenwärtige Welt vorkäme, was weitaus plausibler ist als die scheinbare Vertrautheit, auf die anspruchslosere Romane setzen.

Gestern Nacht nun beendete ich die Lektüre irgendwann, um mich danach einem Sachbuch zu widmen (über die Geschichte der vatikanischen Gendarmengruppe), klappte den Roman zu, um nicht ohne kurze Verschnaufpause von einem Neptun-Mond im Jahr 2643 zur päpstlichen Polizei ein Jahrtausend zuvor zu wechseln, und schaute eher ins Leere, als meine Aufmerksamkeit wirklich dem Cover des Romans zu widmen.

Bildkritik: Falsch, aber besser
So sieht die Titelillustration von Westerboers Roman aus – der Planet Neptun von oben, sein Mond von links beleuchtet.

Aber offenbar haben sich die Prinzipien der Bildkritik so tief in meine Gehirnwindungen eingegraben, dass ich plötzlich stutzte und mir das Bild genauer anschaute. Da stimmt doch was nicht! Der Planet Neptun, teilweise von der schlanken Silhouette einer Frau verdeckt, ist von oben beleuchtet – einer seiner Monde, der davor schwebt, dagegen von der Seite. Und die Frau von hinten (was nicht unmöglich ist, wenn das vom Planeten reflektierte Licht vorherrscht). Da muss man nicht viel Ahnung von Astronomie haben, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass das nicht sein kann. (Selbst in einem Doppel- oder Mehrfachsternsystem mit mehreren Lichtquellen wären beide Himmelskörper dann einheitlich beleuchtet, nicht der eine so und der andere so.)

Was – am Rande ­­– auch nicht so recht stimmt, ist die sehr helle Sichel des kleinen Mondes. Neptun ist 30 mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde, und die Beleuchtungstärke sinkt mit dem Quadrat der Entfernung. Da draußen ist es also ziemlich düster, rund 900 mal dunkler als auf der Erde. Auch von dem fragilen System der Ringe – nicht nur der Saturn hat welche – ist nichts zu erkennen.

Aber das sind Details. Will man die Komposition des Bildes beibehalten, gibt es mindestens zwei Möglichkeiten: Ist der Planet korrekt von links oben beleuchtet, muss das auch für seinen kleinen Mond gelten. Oder man orientiert sich an der Beleuchtung des Mondes – dann wäre Neptun rechts unten fast schwarz und die Frau sollte links eine helle Kante zeigen.

Bildkritik: Falsch, aber besser
So sähe die Szene „korrekt“ aus, würde man sich an der Beleuchtung des kleinen Mondes orientieren. Aber wäre das auch das bessere Titelbild?

Die zweite dieser Varianten habe ich mal realisiert. Ergebnis: Die Titelillustration ist weit uninteressanter und weniger dramatisch als das Original. Ich würde also – wieder einmal – sagen: Das Bild beinhaltet zwar einige visuelle Widersprüche, ist aber dennoch gestalterisch wohl die beste Lösung. (Hinzu kommt, am Monitor nicht zu sehen, dass Neptun mit blaugrünen Metallic-Farben gedruckt ist, was dem Cover eine besondere Tiefe verleiht.) Aber natürlich geht’s auch weit einfacher: Man muss nur den Mond ein wenig drehen.

Bildkritik: Falsch, aber besser
Man könnte natürlich auch einfach den kleinen Mond drehen und so allen Problemen aus dem Weg gehen – aber das wäre eine zu simple und naheliegende Lösung und würde keinen Spaß machen.

Und was macht KI daraus?

Da wir uns bei DOCMA zunehmend der Bilderzeugung durch Künstliche Intelligenz, und hier besonders der Umsetzung von Texten zu Bildern widmen, habe ich dieses Titelbild einmal zum Anlass genommen, um auszuprobieren, ob Grafiker – schon – durch KI ersetzbar wären.

Das Ergebnis hier: Nein (einstweilen). Auch nach zahllosen Durchgängen mit drei Neuronalen Netzen kam trotz detaillierter Beschreibung nichts heraus, das brauchbar gewesen wäre. So erschien weder die Silhouette der Frau im Bild noch die Mondoberfläche im Vordergrund.

Nur ein einziges Bild kam zumindest hinsichtlich des Hintergrunds dem gewünschten Resultat nahe, der Planet hatte aber mit Neptun nichts zu tun, die Frau fehlte ganz.

Bildkritik: Falsch, aber besser
Eine der ganz wenigen Szenen, die der Textbeschreibung nahekommen – von der Silhouette der Frau und anderen Spezifikatiionen ist allerdings nichts zu sehen (Deep Dream Generator).

(Der verwendete Prompt: in the foreground in the lower third of the image is a moon landscape with black rocks, also the dark silhouette of a slim woman standing in the middle of the image, in the background a photorealistic view of the blue-green planet neptun, as one would see it standing on the surface of a little moon of the planet Neptun, looking in the direction of the planet neptun, which is in the upper half of the image and as wide as the image, the planet is frontally illuminated, the sky is black). Später machte ich es mir einfacher, was aber auch nichts brachte: „im Vordergrund die Silhouette einer schlanken Frau, die auf einer dunklen, felsigen Mondlandschaft steht, schwarzer Himmel, oben so breit wie das Bild der riesige blau-grüne Planet Neptun“.

Erst nach ein wenig Mogelei entstanden bessere Ergebnisse, nachdem das originale Cover (ohne Schrift – mehr zu diesem Problem unter https://www.docma.info/blog/kuenstliche-intelligenz-und-texte) als zusätzliche Orientierungshilfe geladen worden war. Hier entstanden einige Bilder, die zumindest eine gute Grundlage für weitere manuelle Montageeingriffe hätten bilden können.

Erst nach der Vorgabe, neben dem Prompt auch ein hochgeladenes Bild (das Roman-Cover mit gelöschter Beschriftung) mehr oder weniger stark zu berücksichtigen, entstanden brauchbarere Ergebnisse wie dieses – allerdings ohne Mond. So etwas ließe sich durchaus schon als Titelillustration verwenden.
Hier dagegen gibt es einen Mond, vielleicht sogar mehrere – zu sehen sind sie allerdings nicht, nur ihre Schatten auf der Neptun-Oberfläche. Die Silhouette dagegen wirkt einigermaßen seltsam, die Lichtrichtung ist eine ganz andere. (Wombo)
Eine weitere mit Wombo erstellt Version mit überschlank generierter Silhouette, insgesamt aber durchaus ansehnlich. Den eiförmigen Planeten allerdings müsste man noch etwas rundlicher gestalten.

Wahrscheinlich wird KI Grafiker und Bildbearbeiter also nicht unmittelbar arbeitslos machen, sondern zunehmend eine Grundlage für eigene, dann zu überarbeitende Bilder liefern. Auf lange Sicht gesehen allerdings, angesichts der rapiden Fortschritte der Systeme …

Und auch dieses Bild entstand mit Wombo, wiederum mit elliptischen Himmelskörpern. (Läge deren Rotationsachse im rechten Winkel zur Bildausrichtung, könnte dieser Applattungs-Effekt in abgeschwächter Form zwar tatsächlich erkennbar sein, aber kaum so heftig, und kaum bei einem kleinen Gesteinsmond.

Falsche Beleuchtung in der Kunst

Was ich seit vielen Jahren am Beispiel aktueller Montagen, meist aus der Werbung, demonstriere, ließe sich mühelos auf viele große Werke der Kunstgeschichte übertragen. Auch dort mitunter sicherlich mit dem Ergebnis, dass die „falsche“ Darstellung im Dienste der ästhetischen Absicht stand und kompositorisch „besser“ ist, als es die korrekte Wiedergabe gewesen wäre.

An dem Gemälde des Kasseler Habichtswaldes und der Wilhelmshöhe des Malers Johann Erdmann Hummel aus dem Jahr 1800 fällt Ihnen wahrscheinlich nichts auf, das in Analogie zu unserem Titelbild etwas mit falscher Beleuchtung zu tun haben könnte (zu Ihrer Beruhigung: Auch alle Kasseler Kunstexperten, die ich darauf angesprochen habe, haben den Fehler nicht gesehen.)

Dass es auch bei anerkannter Museumskunst mitunter bei der Beleuchtung nicht so ganz stimmt, zeigt dieses im Jahr 1800 von J.E. Hummel gemalte Bild des Kasseler Habichtswaldes und der Wilhelmshöhe. Die Betrachtung des Gemäldes allein lässt den Beleuchtungsfehler nicht erkennen – man muss sich schon mit der Topographie vor Ort auskennen, um zu sehen, dass die Sonne hier im Norden stehen würde.

Er ist auch aus dem Bild selbst nicht ablesbar, sondern braucht ein wenig Kontextwissen: So, wie hier Beleuchtung und Schatten verteilt sind, müsste die Sonne recht genau im Norden stehen – das kann sie zwar, aber nur auf der Südhalbkugel der Erde.

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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4 Kommentare

  1. Computerlösungen werden immer besser, wenn „Doc Baumann“ nicht bald in Pension geht, werden seine Bildkritiken sicherlich von einer KI verfasst.

    „Falsche Beleuchtung in der Kunst“ ist eine nette Überschrift, nur Kunst kann ausleuchten wie der Künstler oder die Künstlerin will. Künstlerinnen und Künstler haben auch schon immer die abenteuerlichsten Beauty-Retuschen an den wirklichen Gesichtern vorgenommen, nur eben nicht mit dem so geliebten Bildbearbeitungsprogramm Pho………, sondern mit Pinsel und Farbe.

    Und was sagt Doc Baumann zu einer Fotolackierung einer alten Dampflokomotive? Die erfolgte nur, damit man kein in schwarz abgesoffenes Schwarzweiß-Foto machen konnte. Gefahren ist dann diese Lok wieder mit einer tiefschwarzen Lackierung. Auch ein Verfälschung der Wirklichkeit?

    1. Sehr geehrter Leser,
      vielen Dank für Ihre Meinung zu meinem Artikel „Falsche Beleuchtung in der Kunst“. Ich schätze es, wenn Leser sich die Zeit nehmen, ihre Gedanken mit mir zu teilen.
      Sie haben recht, dass Computerlösungen immer besser werden und es möglich ist, dass künftig KI-Systeme Bildkritiken verfassen können. Allerdings glaube ich, dass die menschliche Perspektive und Erfahrung immer noch wichtig bleiben werden, um die komplexen Aspekte der Kunst zu verstehen und zu beurteilen.
      In Bezug auf Ihren Kommentar über die Möglichkeiten der Verfälschung der Wirklichkeit durch die Verwendung von Photoshop und anderen Bildbearbeitungsprogrammen, bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, die Grenzen und Ethik dieser Technologie zu berücksichtigen. Künstler haben immer schon die Freiheit gehabt, ihre Werke nach ihrem Willen zu gestalten, aber es ist wichtig, dass die Veränderungen, die sie vornehmen, klar und transparent kommuniziert werden, damit das Publikum ein besseres Verständnis dafür hat, was sie sehen.
      Bezüglich Ihres Beispiels mit der fotografierten Dampflokomotive, verstehe ich Ihre Sorge, dass die Änderung der Farbe der Lok als Verfälschung der Wirklichkeit angesehen werden kann. Allerdings denke ich, dass es in diesem Fall eine legitime Entscheidung war, da es darum ging, ein besseres Foto zu machen und nicht darum, die Wirklichkeit zu verfälschen.
      Nochmals vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Anmerkungen. Ich werde sicherlich weiter darüber nachdenken.
      Freundliche Grüße,
      Doc Baumann

      (PS: Ach ja, damit ich’s nicht vergesse: Dieser Text wurde nicht von mir geschrieben, sondern von der KI ChatGPT. Die hätte sicherlich auch keine Probleme damit, nach ein paar vorgegebenen Stichwörtern eine Bildkritik zu verfassen. Ob die dann wirklich überzeugt, ist eine andere Frage. Der Grammatikfehler „damit das Publikum ein besseres Verständnis dafür hat, was sie sehen“ fällt daher auch nicht direkt in meine Verantwortung; ich habe ihn aber mal drin gelassen, damit man sieht, dass GPT nicht perfekt ist.)

      Aber um auch noch meinen eigenen Senf dazu zu geben: Nach vielen Semestern Studium an Kunsthochschulen und jahrelanger Tätigkeit in kunstsoziologischen Forschungsprojekten ist mein Respekt vor „der Kunst“ oder „den Künstlern“ nur noch sehr beschränkt. Wenn ein Maler einen falschen Schatten oder falsche Anatomie malt und dafür keinen guten Grund angeben kann, ist das genauso zu kritisieren, wie wenn ein Elektriker beim Verlegen von Kabeln Plus- und Minuspol und Erdung verwechselt. Viele ruhen sich auf der „Kunstfreiheit“ aus – dabei sind sie nur handwerklich schlecht. Und mit dem Beispiel der lackierten Lokomotive kann ich leider nichts anfangen, weil ich es nicht kenne.
      Doc Baumann (der echte)

      1. Alle paar Jahre erfährt irgendetwas einen Hype, auf den viele oder sehr viele aufspringen. Entweder gehen diese Dinge sang- und klanglos unter oder integrieren sich wie viele andere Neuerungen sich still und leise in die tägliche Normalität. Derzeit ist das eben KI.
        Mit solchen von Medien naturgemäß geliebten Hypes muss man nüchtern leben, so wie eben Medienleute sie nüchtern für ihre Jobs nutzen. Es lässt sich damit ohne Aufwand und recht mühelos scheinbar Besonderes lange Zeit aufblasen, das vereinfacht das Tagesgeschäft.
        Wenn Sie an Kunsthochschulen studiert haben werden Sie doch kaum ein Gemälde oder eine Malerei entdeckt haben, das man als Abbild der Wirklichkeit bezeichnen kann. Eine Idealisierung ist das Geringste, das man einer Malerei nachsagen kann. Weder Farben noch Tonwerte habe mit der Realität Gemeinsamkeiten. Tatsächlich sind Gemälde in vielen Fällen Composings, in den vergangenen Jahrhunderten von Reichen, also Adeligen, Kirchenleuten und dann auch Händlern und deren Organisationen beauftragt und bezahlt. Allen ging es doch darum, besonders vorteilhaft dargestellt zu werden. Wer zahlt bestimmt. Und so war und ist es immer wichtig, eine Botschaft zu vermitteln. Genau so wie heute in der Werbung.
        Streng genommen, das entspricht ja auch Ihren Botschaften, wird gemogelt, verfälscht, jedes Mittel ist zulässig. Das gilt heute für jede Werbebotschaft, egal ob Model oder ein Auto. Alle werden extrem aufgehübscht. Und Kunst ist wie Mode und vieles andere reine Geschmackssache, im Gegensatz zu Ihrem Elektriker werden sich immer Leute finden, denen es gefällt. Wenn dann gar ein Hype entsteht, dann kann daraus plötzlich die Medienwelt aufspringen und so viele Leute manipulierend zu einer Meinungsänderung bringen.
        Etwas, das einem Elektriker mit der Verwechslung von Phase, Null- und Erdleiter nie gelingen wird. So viel Hausverstand haben die meisten Menschen.
        Fazit: Kunst ist immer eine Bewertungssache, Künstler hatten potentiell immer schon alle Freiheiten, auch wenn auch sie für ihr tägliches Futter sorgen müssen. Nur jede Generation hat zwangsläufig ihre eigenen Methoden Aufmerksamkeit zu erregen. Denn alle, die sich künstlerisch betätigen wollen haben das nie und werden das nie schaffen. Was natürlich nicht bedeutet, dass die wenig erfolgreichen die „schlechteren“ Werke produzieren. Es bedeutet nur, dass sie mit ihrem Auftritt mehr Leute ansprechen können. Das ist wie mit den YT-Abonnenten oder den vielen Klicks in irgendeinem (a)sozialen Medium im Internet.
        Die lautesten Marktschreier waren immer schon die Erfolgreichsten. Und hatten oft den miesesten Schmarren zum höchsten Preis erfolgreich an die Frau oder den Mann gebracht.
        Aber das ist ja keine neue Erkenntnis. Da Menschen aus persönlich gemachten Erfahrungen und aus der Geschichte nichts lernen, ist das eigentlich banal und trivial.
        Und vor allem traurig.
        Doch vielleicht entwickelt sich die KI soweit, dass die menschliche Dummheit durch eine KI à la Matrix abgelöst wird. Die muss ja nicht wirklich intelligent sein, sondern nur wie menschliche Diktatoren mächtig und alles beherrschend.

        1. Wie ich seit Jahren schreibe: Jede Abweichung von der sichtbaren Realität ist bei ihrer Darstellung legitim, wenn sie einen kommunikativen Zweck erfüllt und eine Absicht dahinter steht. Jedenfalls trifft das auf Bilder zu, die einen realistischen Anspruch haben. Bei denen sind unbeabsichtigte Abweichungen einfach handwerkliche Fehler. Bei Bildern ohne diesen Anspruch gilt das Kriterium natürlich nicht. (Das ist wie bei einem Gedicht: Will jemand ein Sonett schreiben und die Zeilen reimen sich nicht und das Versmaß holpert, stimmt was nicht.)
          Was meine Erfahrungen betrifft „werden Sie doch kaum ein Gemälde oder eine Malerei entdeckt haben, das man als Abbild der Wirklichkeit bezeichnen kann“ – doch, deswegen war ich seinerzeit auch vom Photorealismus so begeistert, Mitte der 70er. Obwohl es auch da viele Abweichungen gibt, im Detail wie beim Vergleich mit den zugrundliegenden Fotos – aber die erfüllen einen kompositorischen Zweck.
          Natürlich gibt es keine 1:1-Wiedergabe, wie die schöne Anekdote von Picasso belegt, der als Auftragsarbeit ein Porträt einer Frau malen sollte – aber nicht so wie Hhre anderen Gemälde mit Nase hier und Ohren dort, sondern realistisch, so wie auf diesem Foto hier! Oh, sagte Picasso, das ist Ihre Frau! So klein, so flach, so grau?
          Was im übrigen „Kunst“ betrifft, so weiß ich auch als promovierter Kunstwissenschaftler nicht, was das ist. Natürlich immer eine Sache von Werturteilen. Wenn ein Rahmen drum ist oder ein Sockel drunter und es in einer Galerie oder einem Museum hängt bzw. steht, wird es wohl Kunst sein.

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