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Bildkritik: Die glorreiche Zwergen-Truppe

Kürzlich lief die Neuverfilmung der „Glorreichen 7“ im Fernsehen. Glaubt man allerdings der Ankündigungs-Illustration in der TV-Zeitschrift, muss man sich wundern, wie es diese glorreiche Zwergen-Truppe geschafft haben soll, die Bösen aus dem Verkehr zu ziehen. Doc Baumann geht in seiner Bildkritik diesmal auf die immer wieder gern angewandten Perspektivefehler ein.

Bildkritik: Die glorreiche Zwergen-Truppe
Die glorreiche Zwergen-Truppe: Werbung für die Neuverfilung von „Die glorreichen Sieben“

Schon der erste Blick auf dieses Bild (oben) zeigt: Da kann doch etwas nicht stimmen! Der Mann am linken Bildrand etwa ist gerade mal halb so groß wie der Hauptdarsteller Denzel Washington direkt neben ihm – und dabei scheint er durchaus nicht doppelt so weit entfernt zu sein wie dieser. Und auch die Größen der anderen Helden scheinen nicht so recht zusammenzupassen.

Woran liegt’s? Die Absicht bei der Montage dieser glorreichen Zwergen-Truppe war es offenbar, in der Mitte genug Platz zu lassen für den Schriftzug des Films (bei anderen Illustrationen zum Film auch noch das große rote 7-Logo). Diese Positionierung erlaubte aber nicht die eigentlich bei einer solchen Choreographie zu erwartende V-Formation der Männer mit dem Boss an der Spitze. (Immerhin sind es tatsächlich sieben – anders als bei der banalisierenden deutschen Übersetzung des Westerntitels „The Good, the Bad, and the Ugly“ als „Zwei glorreiche Halunken“.)

Um also dieses „Loch“ in der Bildmitte freizuhalten, hätte man dort keine Darsteller platzieren dürfen, was sicherlich unbefriedigend gewesen wäre. Und da normalerweise – also bei einem stehenden Fotografen – der Horizont in Augenhöhe liegt, und folglich auch die Augen aller Menschen mit derselben Größe und gleicher Standhöhe, wäre dort kein Platz mehr gewesen.

Glorreiche Zwergen-Truppe: Was ist falsch?

Es gibt drei falsche „Lösungen“ für dieses Perspektiveproblem: Die erste geht davon aus, dass der Fotograf die Personen stehend aufgenommen hat. Dann liegt der Horizont (grüne Linie) in der Höhe des Objektivmittelpunkts, und er schneidet alle Personen gleicher Größe ebenfalls in Augenhöhe. Ich bin hier von der Größe des Hauptdarstellers ausgegangen, hätte aber auch jeden anderen als Referenz nehmen können.)

Die Annahme dieser Aufnahmehöhe folgt daraus, dass die Personen offensichtlich frontal aufgenommen wurden – man sieht etwa Kinn oder Nasenlöcher nicht von unten und die Schuhe von oben. Egal, an welcher Stelle man den konstruktiven Fluchtpunkt etwa für Denzel Washington platziert (der Schnittpunkt der grünen Horizontlinie mit den beiden blauen Fluchtlinien seiner oberen und unteren Begrenzung) – es ist unübersehbar, dass sich diese Konstruktion auf keine der anderen Personen übertragen lässt, sie sind alle viel zu klein.

Bildkritik: Die glorreiche Zwergen-Truppe
Die glorreiche Zwergen-Truppe: Mit einer Horizontkonstruktion in Augenhöhe passt hier gar nichts

Die zweite Möglichkeit: Entgegen der frontalen Ansicht der Personen gehen wir einmal davon aus, der Fotograf habe seine Aufnahme etwa aus Kniehöhe gemacht. Dann wäre zwar die Perspektive der einzelnen Gestalten der glorreichen Zwergen-Truppe zwar eine andere, aber insgesamt würde es nun einigermaßen passen. Die neue grüne Horizontlinie schneidet nun tatsächlich alle Figuren gleichermaßen in Kniehöhe. Allerdings stimmt es nicht wirklich; verbindet man etwa Washingtons Standhöhe mit der Standhöhe der beiden rechten Cowboys (rote und orange Linien), und danach seine obere Begrenzung mit dem Horizont, so zeigt sich, dass der Kopf des einen weit über, der des anderen weit unter dieser Fluchtlinie liegt.

Bildkritik: Die glorreiche Zwergen-Truppe
Die glorreiche Zwergen-Truppe: Mit tiefem Horizont ist die räumliche Situation zwar etwas stimmiger, passt aber dennoch nicht wirklich. Zudem gibt es einen Widerspruch zur Aufnahmehöhe der Personen.

Möglichkeit drei: Wie bei antiken und mittelalterlichen Darstellungen geht es nicht um eine geometrisch exakte Perspektive, sondern um eine sogenannte Bedeutungsperspektive, bei der Wichtiges größer dargestellt wird als Zweitrangiges. Daher wäre dann der Hauptdarsteller der Größte und alle anderen würden nach abnehmender Bedeutung entsprechend schrumpfen. Aber irgendwie passt das nicht, weder zu Tiefenstaffelung und Schattenwurf noch zu unseren heutigen Wahrnehmungsgewohnheiten.

Glorreiche Zwergen-Truppe: Lösungen

Die beste Lösung wäre gewesen, die Männer tatsächlich aus Kniehöhe aufzunehmen. Dann hätte es keinen visuellen Widerspruch gegeben zwischen ihrer fotografischen Wiedergabe als Einzelpersonen und ihrer räumlichen Verteilung in der Szene.  Das aber lässt sich per Bildbearbeitung kaum nachträglich korrigieren.

Die zweitbeste Lösung besteht darin, aus der glorreichen Zwergen-Truppe echte Männer in realistischer Verteilung zu machen, so wie ich es unten realisiert habe. Das würde bedeuten, dass alle – ungefähr – dieselbe Augenhöhe aufweisen, die mit dem Horizont (die schwache grüne Linie oben) zusammenfällt. So sind die Szene, die Tiefenstaffelung und die Sichtweise der einzelnen Personen stimmig (und so sah möglicherweise auch das Ausgangsbild aus). Der kompositorische Nachteil: Es gibt nicht mehr das „zentrale „Loch“, um Text und Logo unterzubringen. Aber in dieser Zusammenstellung sehen wenigstens alle gleich groß aus.

Wahrscheinlich ist das wieder einmal so ein Fall, in dem den Bildbearbeiter/innen eine bestimmte Aufgabe gestellt, aber unzureichendes Ausgangsmaterial zur Verfügung gestellt wurde. Dennoch hätten sie darauf achten können, einen tiefliegenden Horizont als visuelle Markierung anzudeuten und dann wenigstens die einzelnen Figuren perspektivisch stimmig einzumontieren, auch wenn zuvor eine falsche Aufnahmehöhe gewählt worden war.

Bildkritik: Die glorreiche Zwergen-Truppe
Die glorreiche Zwergen-Truppe: So sähe die Szene aus, wenn die Figuren einigermaßen korrekt verteilt wären. | @ der Originalillustration: Sony
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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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2 Kommentare

  1. Bleibt noch der Perspektivefehler -offensichtlich wurden die 7 Personen einzeln und in gleichem Abstand von der Kamera aufgenommen. Sobald man sie für die Montage verkleinert/ vergrößert und nach hinten/vorne versetzt, passt die
    ursprüngliche Perspektive nicht mehr. So würde man bei einem nicht-getricksten Bild um so weniger Aufsicht auf die Füsse haben, je weiter die Person von der Kamera entfernt ist (und umgekehrt).
    Otto-Normalbetrachter ist in der Regel blind -so wie das Beispiel mit einem Kunden (Firmenchef) zeigt, der ein Foto von sich mit dem Firmengebäude im Hintergrund haben wollte. Seine Zeit war ihm allerdings sehr kostbar, und so schlug er vor, ich könne ihn doch einfach vor dem großformatigen Luft(!)bild des Gebäudes ablichten, das hinter ihm an der Bürowand hing. Dann sähe es doch genau so aus, als stünde er davor und es ginge obendrein viel schneller. Auf meinen Einwand, das Ergebnis sähe doch wohl äusserst …hmm, unrealistisch aus, kam sinngemäß die Antwort „Aber dafür gibt´s doch Photoshop“
    Stimmt, wie konnte ich das bloß vergessen…

  2. das war sehr interessant, vor allem die gegenüberstellung der bilder und deren erklärung – herzlichen dank.
    das ist das erste mal, dass ich als nur-fotograf-und-nicht-composer wirklich verstanden habe, worum es geht.
    🙂

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