Bildfeldwölbung: Krumm ist auch schön
Letzte Woche hatte ich über gewölbte Sensoren berichtet, die eine Korrektur der Bildfeldwölbung von Objektiven erübrigen sollen. Aber auch eine unvollständig korrigierte Wölbung des Bildes bedeutet nicht notwendigerweise, dass ein Objektiv unbrauchbar wäre.
Roger Cicala, der Gründer von Lensrentals, wies jüngst darauf hin („Understanding field curvature for fun and profit“), dass die praktische Bedeutung der Bildfeldwölbung oft falsch eingeschätzt würde. Wer sich ein neues Objektiv gekauft hat, macht ja gerne einen Test, indem er eine plane Fläche wie eine an die Wand geheftete Zeitung abfotografiert und dann penibel die Schärfe im gesamten Bildfeld kontrolliert. Wenn die Details dann in den Bildecken verschwimmen, wird dem Objektiv eine Randunschärfe attestiert, was sich üblicherweise in negative Kommentaren in Fotoforen niederschlägt. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.
Eine Randunschärfe in Fotos planer Motive kann verschiedene Gründe haben. Die sphärische Aberration, Koma und auch der Farbquerfehler führen dazu, dass sich die Lichtstrahlen im Randbereich nicht mehr präzise in einem Punkt treffen, so wie sie das in der Bildmitte tun. Bei einer unzureichend korrigierten Bildfeldwölbung passiert das zwar ebenfalls, aber die Strahlen treffen sich schon noch – nur eben vor oder hinter der Sensorebene, wenn man die Bildmitte perfekt fokussiert hat.
Umgekehrt gilt dann aber, dass das Objektiv am Rand durchaus scharf zeichnen kann, nur eben nicht Motive in derselben Entfernung wie das mittig platzierte Motiv, auf das man scharfgestellt hat. Stellt man dagegen auf den Rand scharf, erscheint die Mitte unscharf. Falls man ein Objektiv für die Reproduktion planer Vorlagen braucht, spielen solche feinen Differenzierungen keine Rolle: Da man Mitte, Ränder und Ecken nicht gleichzeitig scharf bekommt, taugt das Objektiv nichts. Jedenfalls nicht für diesen Zweck, oder höchstens nach kräftigem Abblenden.
In manchen anderen Fällen ist eine Bildfeldwölbung aber halb so schlimm, sofern man nur von ihr weiß und ihre Wirkung abschätzen kann. Vielleicht müssen sich die Personen für eine Gruppenaufnahme nur in einem leichten Bogen statt in einer geraden Linie aufstellen, damit sie alle scharf abgebildet werden. Mit einem solchen Objektiv lässt sich sogar eine vermeintlich unmögliche Schärfentiefe verwirklichen, indem Motive in unterschiedlicher Entfernung gleichermaßen scharf erscheinen, und dennoch vor einem völlig unscharfen Hintergrund freigestellt sind. Wer vor allem mittig ausgerichtete Porträts fotografiert, ist vielleicht vom wunderbaren Bokeh begeistert, das sich auch dank der Bildfeldwölbung ergibt. Wenn sich die Besitzer eines Objektivs darüber uneinig sind, ob es eine störende Randunschärfe hat oder nicht, kann das schlicht daran liegen, dass sich dessen Bildfeldwölbung bei einem Fotografen als ungünstig und bei einem anderen als eher vorteilhaft erwiesen hat, abhängig von den Aufgaben, für die sie es einsetzen.
Zu beachten ist, dass man bei einem Objektiv mit ausgeprägter Bildfeldwölbung auf keinen Fall auf die Mitte des Sucherbildes fokussieren und die Kamera dann vor der Aufnahme schwenken darf. Das ist schon wegen des Focus-and-recompose-Fehlers nicht empfehlenswert, aber auch eine Bildfeldwölbung erfordert, dass Sie erst den Bildausschnitt festlegen und danach scharfstellen. Neuere spiegellose Systemkameras, deren AF-Messfelder praktisch beliebig im Bildfeld platziert werden können, machen das sogar recht einfach. Wenn Sie wirklich einmal ein planes Motiv scharf abbilden wollen, sollten Sie das Messfeld zwischen Mitte und Rand platzieren, so dass die Unschärfe im Zentrum wie in den Ecken akzeptabel bleibt – zumindest wenn Sie auch noch ein wenig abblenden.