Ausstellungstipp: Tactics & Mythologies
Als erste Ausstellung der Reihe Viral Hallucinations zeigt das Hamburger Haus der Photographie noch bis zum 26. Januar 2025 ein Projekt der New Yorker Künstler Andrea Orejarena und Caleb Stein.
Am seit 2021 sanierten Haus der Photographie in der baufälligen südlichen Deichtorhalle wird aufgrund unvorhergesehener Probleme noch weitere drei Jahre gewerkelt; die Neueröffnung ist nun für den Sommer 2027 geplant. Dann allerdings wird es in einem neu geschaffenen Obergeschoss endlich eine Fläche für die Präsentation der Sammlung F.C. Gundlach geben, und auch die Bibliothek F.C. Gundlach soll dort ihren Platz finden. Für Fotoausstellungen steht bis dahin der temporäre Containerbau des PHOXXI bereit, in dem auch Tactics & Mythologies von Andrea Orejarena und Caleb Stein zu sehen ist.
Dies ist gleichzeitig die erste Ausstellung, die von Nadine Isabelle Henrich, der neuen Kuratorin des Haus der Photographie verantwortet wird. Sie hat Ingo Taubhorn abgelöst, der 17 Jahre und fast 80 Ausstellungen lang das Haus geprägt hatte.
Die Kolumbianerin Andrea Orejarena und der Brite Caleb Stein, beide Jahrgang 1994, haben sich mit den Bildwelten von Verschwörungstheorien und Desinformationskampagnen auseinandergesetzt – nicht nur virtuell im Internet, sondern auch auf Reisen zu den Orten, die als Brennpunkte von Verschwörungserzählungen gelten. Die Ausstellung der in New York lebenden Künstler zeigt dementsprechend sowohl eine Auswahl aus ihrem Archiv im Netz gefundener Bilder als auch ihre eigenen Fotos – beide sind Fotografen, Orejarena daneben auch eine Kognitionswissenschaftlerin, die sich mit Phänomenen der kollektiven Wirklichkeitskonstruktion beschäftigt.
Dass die Welt anders ist, als sie uns in den Medien erscheint, ist mittlerweile selbst schon ein populärer Topos, etwa in den Filmen der Matrix-Trilogie (1999–2003) oder The Truman Show (1998). Verschwörungstheorien sollen uns weismachen, die Mitglieder der englischen Königsfamilie seien Reptiloide oder bei einer Pizzeria in Washington, DC, könnte man Kinder für sexuelle Dienstleistungen bestellen. Andererseits gibt es reale Fälle von Desinformation, etwa zur Täuschung von Kriegsgegnern. Im Zweiten Weltkrieg sollten Gebäudeattrappen auf der Binnenalster die alliierten Bomberpiloten verwirren und von der Hamburger Innenstadt fern halten, was sich als vergebliche Mühe erwies. In den USA wurden Rüstungsfabriken mit ländlich wirkenden Kulissen überbaut – unnötigerweise, denn die japanischen Bomber kamen nie so weit.
Manche Phänomene verwirren, obwohl sie völlig natürlich sind, wie ungewöhnliche Wolkenformationen oder Luftspiegelungen, aber es ist auch ein Gemeinplatz, dass vieles, das im Internet als Abbild der Wirklichkeit ausgegeben wird, eine Fotomontage oder ein KI-generiertes Bild ist.
Im Zusammenhang mit dieser Ausstellung findet am Freitag, dem 13. September 2024, ein Symposium Viral Hallucinations: Bildwelten der Desinformation statt; der Eintritt ist frei, aber eine Anmeldung per E-Mail ist erforderlich.
Zu dieser Ausstellung und der Reihe Viral Hallucinations insgesamt ist ein Booklet erschienen, das man im PHOXXI kostenlos mitnehmen oder als PDF herunterladen kann. Ein ebenfalls kostenloses Workshop-Programm, das sich an Jugendliche bis 20 Jahre und Menschen ab 60 richtet, soll die Teilnehmer befähigen, die Bildstrategien verschwörungstheoretischer Erzählungen zu erkennen – ob die Altergruppe von 21 bis 59 Jahren das wohl wirklich nicht nötig hat?
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