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Außen klein, innen groß: Die Fuji GFX100RF

Mit der Mittelformat-Edelkompakten in Prag

So richtig überraschen konnte es nicht mehr, nachdem aus der Gerüchteküche schon länger zu hören war, dass Fuji ein Mittelformat-Schwestermodell zur X100VI plante – eine aus dem GFX-System abgeleitete Kompaktkamera mit 102-Megapixel-Sensor und fest verbautem Weitwinkelobjektiv. Letzten Donnerstag wurde die GFX100RF nun auf dem Fujifilm X Summit in Prag vorgestellt.

Einmal werden wir noch wach … Mittwochabend in Prag (mit dem iPhone aufgenommen)

Das Kürzel „RF“ in der Modellbezeichnung steht nicht etwa für „Rangefinder“ – für Kameras im Messsucher-Formfaktor mit dem Sucherokular am linken Rand verwendet Fuji nur den Buchstaben „R“, wie bei der schon etwas älteren GFX50R, die bislang keinen Nachfolger gefunden hat. „RF“ ist vielmehr die Abkürzung für „Rangefinder Fixed lens“. Es handelt sich also um ein Modell mit dem Suchereinblick links und einem fest verbauten Objektiv.

Yuji Igarashi, General Manager von Fujis Professional Imaging Group, stellte die GFX100RF vor. (Aufnahme mit dem iPhone)

Fuji verfolgt schon seit Jahren mit der X100-Baureihe ein ähnliches Konzept, allerdings auf Basis eines APS-C-Sensors; das neueste Modell ist die X100VI mit 40 Megapixeln. Leica ist in derselben Nische mit der Q-Baureihe vertreten, aktuell der Q3 mit einem 28 mm-Weitwinkel mit Lichtstärke f/1,7 sowie der Q3 43 mit einem Normalobjektiv (43 mm, f/2); beide haben den gleichen 60-Megapixel-Kleinbildsensor.

Mit der GFX100RF, die ich am Donnerstag bereits ausprobieren konnte, geht Fuji nun noch einen Schritt weiter und verspricht „More than Full Frame“ – konkret einen Mittelformatsensor mit 43,8 mm × 32,9 mm (flächenmäßig 67 Prozent größer als ein Kleinbildsensor) und 102 Megapixeln. Die Brennweite von 35 mm ist äquivalent zu 28 mm einer Kleinbildkamera wie der Q3; die Lichtstärke des Objektivs von f/4 entspricht f/3,2 beim Kleinbildformat.

Takeo Hyodo, der Designer der GFX100RF (Quelle: Fujifilm)

Wenn die GFX100RF im April in den Handel kommt, ist sie bei einem empfohlenen Verkaufspreis von rund 5500 Euro trotz des größeren und höher auflösenden Sensors 700 Euro günstiger als die Leica Q3; die Q3 43 kostet sogar 1250 Euro mehr.

In Prag konnte ich die GFX100RF einen knappen Tag lang im Praxistest erproben.

Gegenüber der eigentlich eng verwandten X100VI unterscheidet sich die GFX100RF in ihrer Konstruktion erheblich. Statt eines wahlweise optischen oder elektronischen Hybridsuchers ist die große Schwester mit einem rein elektronischen Sucher ausgestattet, der 5,76 Millionen Bildpunkte auflöst und bei einer Vergrößerung von 0,84fach ein sehr großes Sucherbild erzeugt; dank eines großen Augenabstands von 24 mm lässt es sich dennoch gut überblicken. Das Touchdisplay mit einem Seitenverhältnis von 3:2 löst 2,1 Millionen Bildpunkte auf und ist nach oben und unten kippbar; eine dritte Kipprichtung – wie bei Fujis X-T5 möglich – wird nicht unterstützt.

Die GFX100RF (links) im Vergleich mit meiner X70 mit einem APS-C-Sensor (rechts)

Die Abmessungen von 133,5 mm in der Breite, 90,4 mm in der Höhe und 76,5 mm (mit Objektiv) in der Tiefe sind für Mittelformatverhältnisse gering, was auch für das Gewicht von nur 735 Gramm (mit Akku und Speicherkarte) gilt. Zum Vergleich: die Leica Q3 misst 130 mm × 80 mm × 93 mm und wiegt betriebsbereit 743 Gramm. Zum Lieferumfang gehören ein Filteradapter, ein Schutzfilter (das auch den Witterungsschutz vervollständigt) und eine Streulichtblende.

Die GFX100RF mit abgenommenem Filterdapter und Streulichtblende
Die Fertigungsschritte der Oberschale einer GFX100RF,
vom massiven 500-Gramm-Aluminiumblock bis zum
silbernen beziehungsweise schwarzen Endprodukt

Die GFX100RF ist in einer silbernen und einer schwarzen Gehäusevariante erhältlich. Die Oberschale beider Varianten wird aus einem massiven Aluminiumblock von 500 Gramm gefräst. Die Farben der Einstellräder, des Objektivtubus, des Adapters und der Streulichtblende – alle Komponenten sind ebenfalls aus Metall – entsprechen jeweils der Farbe der Oberschale.

Bei der Steuerung der Kamerafunktionen hat man die Wahl zwischen konfigurierbaren Rändelrädern und dedizierten Einstellrädern für Blende, Verschlusszeit, ISO-Empfindlichkeit, Belichtungskorrektur und das Seitenverhältnis. Alle dedizierten Räder haben eine C- beziehungsweise A-Stellung, in der man ihre Aufgabe auf eines der Rändelräder übertragen kann. Das hintere Rändelrad lässt sich durch Drücken zwischen verschiedenen Funktionen umschalten.

Als Neuerung im Design von Fuji-Kameras sind vorne mehrere Bedienelemente zu einer zylindrischen Konstruktion zusammengefasst, vom Auslöser (mit klassischem Gewinde für Drahtauslöser und anderes Zubehör) oben über ein walzenförmiges Rändelrad bis zu einem Zoomhebel darunter, mit dem man zwischen 35 mm, 45 mm, 63 mm und 80 mm umschalten kann. Dies ist natürlich nur ein Digitalzoom, aber selbst der maximale Beschnitt bei 80 mm lässt noch rund 20 Megapixel der Sensorauflösung übrig. Wohlgemerkt: Raw-Dateien enthalten stets die volle Sensorauflösung, so dass sich der Bildausschnitt nachträglich anpassen lässt.

Die Wirkung des digitalen Telekonverters auf die Zahl der genutzten Sensorpixel – nur für JPEGs; Raw-Dateien enthalten stets alle Sensorpixel (Quelle: Fujifilm)

Dasselbe gilt für die Wahl des Seitenverhältnisses zwischen 4:3 (dem nativen Seitenverhältnis des Sensors), 3:2, 16:9, 65:24, 17:6, 1:1, 7:6, 5:4 und 3:4. 65:24 und 17:6 sind eine Reverenz an Fujis einstige analoge Panoramakameras mit diesen Bildformaten. Mit einem Hebel an der Vorderseite kann man wählen, ob der Ausschnitt mit einem Sucherrahmen angedeutet (bei der Leica Q3 die einzige Option), das Umfeld abgedunkelt oder nur der vergrößerte Ausschnitt im Sucher oder auf dem Display zu sehen sein sollen. Derselbe Hebel dient auch der Wahl zwischen Sucher, Display und der automatischen Umschaltung mit dem Augensensor. Insgesamt kann dieser Hebel fünf frei konfigurierbare Funktionen erfüllen.

Die Kamera von allen Seiten betrachtet, hier in der schwarzen Version (Quelle: Fujifilm)
Das Einstellrad für das Seitenverhältnis verführt dazu, auch einmal die Panoramaformate auszuprobieren.

Das Objektiv der GFX100RF weist gegenüber den Wechselobjektiven in Fujis GFX-System zwei Besonderheiten auf. Es enthält einen Zentralverschluss für Belichtungszeiten bis 1/4000 s; mit einem elektronischen Verschluss wird 1/16000 s erreicht. Der Zentralverschluss macht sehr kurze Blitzsynchronzeiten möglich, so dass sich der Blitz auch bei Tageslicht als dominierende Lichtquelle einsetzen lässt. Für die kürzeste mechanische Verschlusszeit muss man auf f/8 abblenden; bei offener Blende sind Belichtungszeiten bis 1/2000 s möglich. Allerdings lässt sich optional ein ND-Filter (−4 EV) in den Strahlengang schwenken, um auch bei guten Lichtverhältnissen mit offener Blende arbeiten zu können.

Der Aufbau des Objektivs mit einer großen Hinterlinse dicht vor dem Sensor (Quelle: Fujifilm)

Da sich der Zentralverschluss – seinem Namen entsprechend – mitten im Objektiv in der Blendenebene befindet, kann die Hinterlinse des Objektivs nahe an den Sensor heranrücken. Damit verkürzt sich nicht nur die Bautiefe der Kamera; auch der Strahlengang lässt sich so optimieren. Dazu ist allerdings ein großer Durchmesser der Hinterlinse nötig, die praktisch den gesamten Sensor abdecken muss. Dies ist gleichzeitig ein wichtiger Grund für Fujis Entscheidung, auf einen integrierten Bildstabilisator mit beweglichem Sensor (IBIS) zu verzichten. Da ein beweglicher Sensor zur Stabilisierung um mehrere Millimeter in jeder Richtung ausgelenkt würde, hätte das Objektiv für einen entsprechend größeren Bildkreis gerechnet werden müssen – und wäre dann insgesamt deutlich größer und schwerer geworden.

Die Entscheidung gegen einen IBIS zählt neben der relativ geringen Lichtstärke des Objektivs zu den kontroversesten Entwurfentscheidungen bei diesem Kameramodell, die Fuji deshalb auch schon während der Vorstellung offensiv angesprochen hat. Die Frage, ob ein Bildstabilisator in der Praxis fehlt, lässt sich nicht so einfach beantworten. Nach meiner Erfahrung ist man bei einer Verschlusszeit von 1/125 s auf der sicheren Seite, obwohl die 102 Megapixel des Mittelformatsensors ja schon minimale Verwacklungsunschärfen sichtbar machen. Aufgrund der kurzen Brennweite können auch mit 1/30 s noch Aufnahmen gelingen, zumal die Kamera recht gut in der Hand liegt, aber für längere Belichtungszeiten ist ein Stativ nötig.

Selbst wenn man die Kamera bei einer Verschlusszeit von 1/30 s ruhig hält, entsteht Bewegungsunschärfe durch bewegte Motive.

Allerdings kommt man bei längeren Zeiten als 1/125 s ohnehin in den Bereich, in dem die Motive Bewegungsunschärfen erzeugen, wogegen weder ein Bildstabilisator noch ein Stativ etwas ausrichten können. Fujis Position, dass ein Bildstabilisator aufgrund der kurzen Brennweite durchweg nicht gebraucht würde, ist insofern nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings gibt es Aufnahmesituationen in der Architektur- oder Landschaftsfotografie, in denen ein IBIS noch recht lange Belichtungszeiten aus der Hand ermöglichen und die Mitnahme eines Stativs überflüssig machen würde.

So lange die Touristen gebannt auf die astronomische Uhr des Prager Rathauses starren, lassen sie sich auch noch mit 1/30 s einfrieren.
Die ruhig schlendernden Passanten auf der Karlsbrücke machten als Kompromiss immerhin 1/60 s nötig.

Vergleicht man die GFX100RF mit der lichtstärkeren Leica Q3, deren größte Öffnung das 1,9-fache misst, wird der Kompromiss deutlich, für den sich Fuji hier entschieden hat: Das Leica-Summicron ist auch in seinen äußeren Abmessungen erheblich größer und erfordert dennoch starke digitale Eingriffe zur Korrektur von Verzeichnung und Vignettierung. Das Objektiv der GFX100RF bringt eine hohe Abbildungsleistung bei kompakten Abmessungen, wofür man dann auf ein Freistellungsvermögen verzichten muss, wie es die Q3 trotz der ebenfalls kurzen Brennweite bietet. Angesichts der hohen Preise beider Kameras muss sich ein prospektiver Käufer also sehr genau überlegen, ob deren jeweilige Stärken und Schwächen zu den eigenen Anforderungen passen.

Das weiche Hintergrundbokeh des Objektivs der GFX100RF zeigt sich nur bei Aufnahmen im Nahbereich (hier des Denkmals für die Kindertransporte 1938/39, mit denen jüdische Kinder vom Prager Hauptbahnhof in das sichere Großbritannien gelangten; ihre Eltern wurden von den Nazis ermordet).

Zwei Entwurfsdetails der GFX100RF, bei denen ich zunächst skeptisch war, haben mich in der Praxis dann doch überzeugt: Der digitale Telekonverter – optische Telekonverter sind, anders als bei der X100-Baureihe, von Fuji nicht vorgesehen – funktioniert erstaunlich gut, und die Ergebnisse lassen nicht vermuten, dass man mit einem starken Beschnitt arbeitet. Das spricht auch für die Qualität des Objektivs. Anders als die Leica Q3, die bei stärkeren digitalen Zoomstufen kaum noch erkennen lässt, was man eigentlich fotografiert, zeigt der Sucher der GFX100RF auch dann noch ein aussagekräftiges Sucherbild. Perfekt ist es dennoch nicht, denn das digitale Sucherbild wird dazu einfach vergrößert, statt die tatsächlich genutzte Mitte des Sensors feiner auszulesen; das Sucherbild ist also nicht mehr so scharf. Vielleicht kann ein künftiger Firmware-Update hier noch eine weitere Verbesserung erzielen.

Das Einstellrad für die Wahl des Seitenverhältnisses ist ebenfalls nützlicher als erwartet – vor allem, weil man das Bild leichter komponieren kann, wenn schon der Sucher einen Eindruck vom angestrebten Bildausschnitt vermittelt. Es spricht aber auch nichts dagegen, sich im Nachhinein im Raw-Konverter für einen etwas anderen, noch ein wenig besseren Ausschnitt zu entscheiden. So habe ich es in der Praxis dann oft gehandhabt. Nebenbeibemerkt: Adobe unterstützt die GFX100RF bereits seit geraumer Zeit; ich habe Lightroom Classic für die Raw-Entwicklung genutzt.

Justin Stailey von Fuji und Chris Niccols von PetaPixel präsentieren die beiden Varianten der GFX100RF.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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