Auge um Auge
Letzten Freitag war ich in der Augenklinik des hiesigen Universitätsklinikums, was mir noch einmal die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem menschlichen Auge und den Objektiven unserer Kameras … nun ja … vor Augen führte.
Als ich am Donnerstag (Himmelfahrt oder Vatertag, nur bin ich weder gläubig noch Vater, also einfach irgendein gesetzlicher Feiertag) aufwachte, irritierte mich zunächst ein neuer „Floater“ im linken Auge, so ein dunkler Kringel, der im Bildfeld vagabundierte. Aber solche Floater kenne ich seit Jahren, und man kann sich daran gewöhnen. Nur waren da dann noch helle Blitzer, so als flackerte eine Leuchtstoffröhre am oberen linken Rand des Gesichtsfelds, und das fand ich doch latent beunruhigend. Nachdem sich auch am Freitag nichts daran geändert hatte, wollte ich einmal einen Arzt danach schauen lassen, und da ich als gesetzlich Krankenversicherter erst in vielen Wochen mit einem Termin beim Augenarzt rechnen konnte, fuhr ich direkt zur Hamburger Universitätsklinik, deren Augenklinik eine Notfallambulanz hat.
Glücklicherweise ging es um mein linkes Auge – ich bin nicht nur Rechtshänder, sondern, wie die meisten Menschen, auch rechtsäugig. Lateralisationen betreffen nämlich nicht nur Hände und (was vor allem bei Fußballspielern relevant ist) Füße, sondern auch die Augen. Die Sucherokulare von Messsucherkameras sind generell für rechtsäugige Fotografen optimiert, und auch bei DSLRs und spiegellosen Kameras mit gleichem Formfaktor liegt der Sucher eher links von der Mitte. Die Minderheit der Fotografen mit dominantem linken Auge muss sich damit irgendwie arrangieren.
Allzu viel war in der Augenklinik nicht los, so dass ich schon nach einer halben Stunde auf dem Untersuchungsstuhl saß. Nach einem gründlichen Check-up beider Augen war klar, dass ich keine Netzhautablösung zu befürchten hatte – im Gegenteil war altersbedingt der sogenannte Glaskörper geschrumpft, der das Auge ausfüllt, weshalb er sich seinerseits stellenweise von der Netzhaut ablöste – daher die irritierenden Lichterscheinungen. Man spricht zwar von der Linse des Auges, aber tatsächlich ist unser Auge eine mehrlinsige Konstruktion – auch die Hornhaut, das Kammerwasser und der Glaskörper tragen neben der Linse zur Lichtbrechung bei. Im Zusammenspiel dieser optischen Elemente wird leider kein apochromatisches Objektiv daraus – unser Gehirn muss Abbildungsfehler im Nachhinein herausrechnen, so wie es heutzutage ja auch die meisten Kameras tun.
Bei den Objektiven der Spiegelreflexsysteme sind die Hinterlinsen stets mehrere Zentimeter vom Sensor entfernt, denn dazwischen muss ja Platz für den Rückschwingspiegel bleiben. Die neueren spiegellosen Kamerasysteme erlauben Abstände von weniger als 20 mm, so dass das Licht nur noch einen geringen Abstand bis zum Sensor zurückzulegen braucht. Im menschlichen Auge gibt es gar keine Lücke zwischen Hinterlinse und Sensor mehr, denn der Glaskörper schließt direkt an die Netzhaut an – oder eben, wie in meinem Fall, teilweise nicht mehr.
Für die eingehende Untersuchung des Augeninneren war es nötig, die Pupillen auf ihre maximale Größe zu erweitern, wozu der Arzt ein Mydriatikum in die Augen tropfte, das den die Iris zusammenziehenden Muskel lähmte. Die Wirkung hielt danach noch für einige Stunden an, während derer meine Augen sehr lichtempfindlich blieben und ich nicht besonders scharf sah – so wie man es von einem lichtempfindlichen, aber nicht besonders gut korrigierten Objektiv bei offener Blende erwarten würde. Da ich ohnehin mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs war, war das jedoch kein Problem. (Meine Schwester, die Beamtin und privat versichert ist, erzählte mir später, dass eine Pupillenerweiterung dank moderner Technik heute eigentlich überflüssig sei – tja.)
Die Schwarze Tollkirsche heißt auch „Belladonna“, vom italienischen „bella donna“, also „schöne Frau“, weil das darin enthaltene Atropin zur Pupillenerweiterung genutzt werden kann und erweiterte Pupillen attraktiv wirken sollen. Keine Ahnung, ob ich nun ein „bell’uomo“ war, aber ich war gerade nicht auf der Suche.
Der wesentliche Punkt ist jedenfalls, dass mein linkes Auge weiterhin seinen Dienst tun wird, wenn auch mit kleinen Macken. Und so lange es für das menschliche Auge noch keinen technischen Ersatz gibt, ist das auch besser so.
Eine Glaskörperablösung hatte ich letztes Jahr auch und es geht (im wörtlichen Sinne) spurlos vorüber! Überhaupt kein Problem! Trotzdem alles Gute für das Auge und vielen Dank für die tollen Blogbeiträge!
Lieber Michael,
wünsche Dir schnelle Genesung und auf dass Dein Linkes Auge Dich noch sehr lange begleiten möge 🙂
Immer wieder ineressant, wie das Auge aufgebaut ist. So einen gewölbten Sensor gibt es nur im Auge noch nicht in den Kameras. Damit kann die Linse einfacher gehalten werden.
Geniale Schöpfung das Auge und das Zusammenspiel mit dem Gehirn.
LG Bernhard
https://deramateurphotograph.de/
„…. Und so lange es für das menschliche Auge noch keinen technischen Ersatz gibt …“
Ach ja, die Jugend macht sich noch keine Gedanken über den Grauen Star.