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Aufregung um den iPad-Pro-Werbespot

„Kritik an Werbespot – Apple entschuldigt sich“ (ZDF). „Niemand sagt so schön ‚Wir zerstören alles, was du liebst‘ wie Apple“ (Spiegel). Was ist da los?

Aufregung um den iPad-Pro-Werbespot

Der iPad-Pro-Werbeclip

Der Protagonist im Video ist eine große Hydraulikpresse, die lauter Gegenstände zerstört, die durch das neue Gerät ersetzt werden könnten. Die Idee ist nicht neu – 2008 hatte LG in ähnlicher Form schon einmal ein Smartphone so beworben (Link). Im computergenerierten Apple-Clip trifft es Musikequipment und Kamerazubehör, einen Videospielautomaten, Spielzeug, Bücher … während das Lied „All I Ever Need Is You“ von Sonny and Cher läuft. All das wird verdichtet zu dem neuen iPad Pro, das nach dem Öffnen der Presse erscheint.

Crush! Werbeclip für das dünnste iPad Pro aller Zeiten.

Für mich war die Botschaft klar: Alle durch die Objekte in der Hydraulikpresse visualisierten Möglichkeiten werden zu einem extrem flachen Gerät voller kreativer Möglichkeiten verdichtet. Der Kurzfilm ist witzig gemacht und es wurden keine echten Gegenstände (CGI!) zerdrückt. Tatsächlich ist das iPad ein klasse Kreativwerkzeug für Fotobearbeitung, Illustration, Video und Sounddesign. Was war jetzt also genau der Aufreger?

Die Empörung

Was wurde nicht alles in den Clip hineingelesen:

  • das kleine Tablet als Kultur-Zerstörer
  • ein Kreativitätskiller,
  • „zu einer Zeit, in der Künstler, Musiker und Kreative besorgter denn je sind, dass Tech-Unternehmen versuchen, sie aus Profitgründen zu Staub zu zermalmen, kommt Apple daher und macht eine Werbung, deren ganze Botschaft lautet: Ja, das ist genau das, was wir tun“ (Link).

Und Apples Reaktion:

Wir haben mit diesem Video das Ziel verfehlt und es tut uns leid.

Tor Myhren, Apple-Manager

Der Werbeclip wird in der Folge nicht für die Fernsehwerbung verwendet werden. So verständnisvoll! 😆

Meinung zur Kontroverse

Empörungskultur

Aus meiner Sicht gibt es dazu nur zwei Dinge zu sagen:

  1. Ich bin diese ganze Empörungskultur unserer heutigen Zeit leid.
  2. Noch mehr bin ich das Einknicken gegenüber dieser Empörungskultur leid.

Das Ganze wirft für mich einige Fragen auf, die ich hier nur einmal in den Raum werfen, aber nicht beantworten möchte:

  • Muss man wirklich bei jeder Produktion vorhersehen, wie ein Bild, ein Video, ein Werbeclip … ein Kunstwerk durch freudlose oder frustrierte Menschen bösartig interpretiert oder missverstanden werden kann?
  • Muss man sich für so einen harmlosen Werbeclip wirklich entschuldigen?
  • Sollte nicht jeder Mensch lernen, mit abweichenden Meinungen/Geschmäckern/Humor umzugehen, statt von allen anderen einzufordern, bitte mit Samthandschuhen angefasst zu werden?
  • Können wir nicht einfach mal die Kirche im Dorf lassen?

Mehr Lockerheit …

… im Umgang mit Medien und im öffentlichen Diskurs. Denn letztlich hat Apple genau das erreicht, was sie wollten: Die „kontroverse“ Werbung hat Reichweite erzielt, der Clip geht durch die Decke. Insofern ist die Distanzierung vom Werbe-Video dann doch etwas scheinheilig. Das ist der Vorwurf, den ich Apple machen würde (und dass ein klein wenig dickeres iPad auch eine noch längere Akku-Laufzeit ermöglicht hätte).

Dass neue Technologien (Maschinen, Computer, KI …) disruptiv wirken und alte Berufsbilder ändern oder gar zerstören können, ist nicht den Herstellern dieser Technologien anzulasten. Nur weil das iPad jetzt flacher ist und nur in der Werbung dafür ein Klavier „platt gemacht“ wurde, wird es dennoch weiter Klaviere geben. Es sei denn, niemand würde mehr Konzerte besuchen und niemand wäre mehr willens, den Aufwand auf sich zu nehmen, das Instrument spielen zu lernen. Das hat dann aber eher gesellschaftliche Gründe – vom Weltbild, das Heranwachsenden vermittelt wird, hin zu den alternden Konsumenten, die sich zwischen dem Konsum von Kultur oder profanem Materialismus entscheiden können. Wer für sein Befinden immer nur andere Menschen, Schule, Firmen (hier: Apple und der böse Werbeclip), Staat … verantwortlich macht, suhlt sich vielleicht in einer Opferrolle und ist damit Teil einer Empörungskultur geworden, die nichts außer Stresshormonen hervorbringt.

Wie zuvor erwähnt: Ich bin diese Empörungskultur leid, die manche offenbar zum Beruf gemacht haben. Einfach mal durchatmen und lächeln. Das würde heutzutage vielen wirklich guttun.


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Olaf Giermann

Olaf Giermann gilt heute mit 20 Jahren Photoshop-Erfahrung sprichwörtlich als das »Photoshop-Lexikon« im deutschsprachigen Raum und teilt sein Wissen in DOCMA, in Video­kursen und in Seminaren.

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11 Kommentare

  1. Um es vorab zu sagen, den Clip finde ich richtig geil. Als Rezipient für diese Werbebotschaft habe ich auch so verstanden, dass im Gerät die ungeheure Vielfalt der Möglichkeiten steckt mit diesem Gerät, den passenden, sicheren Apps aus dem Apple AppStore kreativ eine Vielzahl von Aufgaben und Ideen umzusetzen.
    Nein, in diesem Spot ist keine Musikerin mit Geige, Fotograf mit Balgenkamera und Grafiker mit Pinsel und Marker vor den Augen des werten Zuschauers zu Tode gequetscht worden. Wie kommen diese verirrten Geister zu solchen Empfindungen? Das iPad ist nur ein Werkzeug die Aufgaben dieser Kreativen zu unterstützen. Und wer mir jetzt mit Ki kommt, der sollte wissen, dass die KI, ausgelöst als Prompt über dieses Gerät ja auch keine Kreativität ist, sondern die KI nur das zusammenwürfelt, was man ihr vorher antrainiert hat. Es mag eine Kunst sein, ein iPad mit einem entsprechenden Prompt ansprechende Ergebnisse zu erzeugen. Mehr nicht.

  2. Die Werbung ist klasse gemacht und wer sich über so einen Unsinn wirklich Gedanken macht dem ist nicht mehr zu helfen. Da es sich noch um CGI handelt, mal ganz den Ball flach halten. Mir geht es langsam ganz gewaltig auf den Senkel, ja nicht auf jeden und alles bei jeder Aussage zu achten, dass sich nicht jemand noch angesprochen fühlt. Apple soll dazu stehen und fertig. Jemand der jammert soll es seinem Frisur erzählen und andere mit seiner Meinung in Ruhe lassen.

  3. Hallo Herr Giermann,
    ich teile ebenfalls Ihre Meinung. Es sind die Kreativlosen, die hier gegen diesen Clip oder andere Clips geifern und alles niedermachen, was nur irgendwie kontrovers auszusehen scheint. Niemand denkt mehr nach, bevor er das Mundwerk einschaltet … oder die Tastatur malträtiert.
    Herzliche Grüße

  4. Wieder ein so angenehm sachlich formulierter Artikel von Ihnen, lieber Herr Giermann. Danke dafür!
    Warum Apple sich für das Video entschuldigt, ist mir ein Rätsel, zumal der Gründer von Apple meines Wissens nach kein Mensch war, der sich jemals für irgendwas entschuldigt hat. Warum auch? Er hat ein grandioses Produkt entwickelt (ich bin MAC-Userin seit 1985) und die Kreativität von Apple ist grandios! Deshalb gibt es auch so viele Nachahmer …
    Die üblichen Verdächtigen (die Kritiker des Videos) sollten sich mal ein paar Gedanken darüber machen, worüber und warum überhaupt sie meckern? Werbung funktioniert nur durch Aufmerksamkeit.
    Und genau die hat dieses Video erreicht.
    PS: Worüber wir uns wirklich mal empören sollten, ist diese scheiß Gendersprache, die ich hier Gottseidank noch nicht entdeckt habe, und die ich auch nie in meinem Leben benutzen werde. Obwohl ich eine Frau bin. (Wenigstens kann ich von mir sagen, dass ich eine Frau bin … on y soit qui mal y pense)

  5. Tja, heutzutage muss man AUF ALLES Rücksicht nehmen, selbst die kleinste Befindlichkeit der kleinsten Randgruppe muss berücksichtigt werden.
    Andernfalls droht ein massiver Umsatz-u./oder Imageschaden.

    ICH BIN MITTLERWEILE NUR NOCH GENERVT!

  6. Einfach nur „genervt“ von etwas zu sein, ist ein recht dünnes Argument, nicht wahr? VERSAL schreiben macht’s auch nicht besser.

    Leider ist es auch die Rhetorik gewisser politischer Gruppen.

    1. „ICH BIN MITTLERWEILE NUR NOCH GENERVT!“ ist ja auch kein Argument, sondern eine Meinungsäußerung. Leider gehört das Deligitimieren anderer Meinungen als der eigenen ebenfalls zur typischen Rhetorik gewisser politischer Gruppen.

  7. Delegitimationsversuche zu identifizieren, wo keine sind, ist ähnlich, wie angeblich relevante Fragen in den Raum zu werfen und im gleichen Zuge anzukündigen, sich um die Beantwortung nicht zu scheren.

    Ebenfalls eine Eigenart gewisser… Aber lassen wir das. Die Sinnhaftigkeit, sich über (fremde) Empörung (selbst) zu empören, ist nicht gegeben, diese Prozesse sind doch eher Thema anderer Plattformen.

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