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Alte Technik auf dem Mars

Manche Reflexe funktionieren absolut zuverlässig … Wenn eine Raumsonde der NASA ihr Ziel erreicht und die ersten Bilder sendet, mokiert sich bestimmt jemand darüber, dass man für so viel Geld doch wohl eine anständige Kamera einbauen könnte. So war es auch, als jüngst Perseverance auf dem Mars landete, und eine an seiner Unterseite angebrachte Kamera (die vor allem Hindernisse erkennen soll) das erste schwarzweiße Bild lieferte. Das Gemecker stimmt aber auch, irgendwie, denn die Technik von Perseverance ist vergleichsweise uralt. Aber der Reihe nach …

Alte Technik auf dem Mars
Perseverance wird von einem Fallschirm abgebremst, gesehen vom Mars Reconnaissance Orbiter aus der Umlaufbahn. (Quelle: NASA)

Der Rover verfügt über insgesamt 19 Kameramodule mit unterschiedlichen Funktionen. Hinzu kommen Kameras in anderen Teilen des Raumfahrzeugs – wie dem Copter Ingenuity, der in der dünnen Mars-Atmosphäre fliegen soll, oder dem Skycrane, der den Rover auf der Oberfläche des Planeten abgesetzt hat. Diese Kameras haben schon die Landung aus mehreren Perspektiven gefilmt. Es gab zwar schon eine Art Video von der Landung des Rovers Curiosity vor neun Jahren, aber damals hatte die NASA bloß Einzelbilder zu einem ruckeligen Zeitrafferfilm zusammengesetzt. Diesmal lieferte das Raumfahrzeug richtige Videostreams, die die NASA mit dem Ton aus dem Kontrollzentrum zusammengeschnitten hat – das Team der Flugkontrolle konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Videobilder sehen, denn deren Übertragung nahm längere Zeit in Anspruch, und so musste es sich auf die Telemetriedaten der Sonde verlassen. Und auch diese brauchten gut 11 Minuten, bis sie die Erde erreichten, so dass es in dieser Phase keine Kontrolle gab – Perseverance musste sich selbst einen optimalen Landeplatz suchen.

Alte Technik auf dem Mars
Der Fallschirm aus der Perspektive des Rovers. (Quelle: NASA)

In der letzten Phase der Landung reduzierte ein „Himmelskran“ mit eigenen Raketentriebwerken die Sinkgeschwindigkeit auf Null und senkte den Rover an Seilen bis zur Oberfläche ab. Danach wurden die Seile gelöst und der Skycrane flog weg, um in sicherer Entfernung niederzugehen.

Perseverance aus der Perspektive des Skycrane, wenige Meter über der Marsoberfläche. (Quelle: NASA)

Aber um auf die Frage zurückzukommen, warum der extrem kostspielige Mars-Rover keine zeitgemäße Kameratechnik an Bord hat: Der Vorwurf – wenn man es so nennen kann – stimmt tatsächlich. In den Kameras von Perseverance gibt es keine CMOS-BSI-Sensoren, keine Bildstabilisatoren oder was die Kamerahersteller sonst noch an modernen Ausstattungsdetails anzubieten haben. Die wichtigsten Kameras des Rovers, die beiden Mastcam-Z, verfügen immerhin, erstmals bei einem Mars-Rover, über Zoom-Objektive – das „Z“ steht für „Zoom“ – mit einem Brennweitenbereich von 28 bis 100 mm, umgerechnet auf das Kleinbildformat. Der Sensor stammt ursprünglich von Kodak (mittlerweile ON Semiconductor); es ist ein CCD des Typs KAI-2020, das so alt ist, dass der Hersteller bereits das „end of life“ des Produkts angekündigt hat. Dessen Größe von 11,8 mm × 8,9 mm und die Auflösung von 1,9 Megapixeln (1600 × 1200 Pixel) beeindrucken ebenso wenig wie die Lichtstärke des Objektivs (f/8–10).

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Die Mastcam-Z mit einem Taschenmesser zum Größenvergleich. (Quelle: NASA)

Der Einsatz auf einem anderen Himmelskörper, dessen Atmosphäre nur einen Bruchteil der Dichte der Erdatmosphäre hat und dessen Temperaturen weit außerhalb der Spezifikation handelsüblicher Kameras liegen, stellt freilich auch besondere Anforderungen. Da der Mars im Gegensatz zur Erde über kein Magnetfeld verfügt, ist er der kosmischen Strahlung schutzlos ausgesetzt, die auch die Pixel von Bildsensoren schädigen kann. Die relativ großen Pixel (7,4 µm × 7,4 µm) des KAI-2020 dürften da viel robuster reagieren als die CMOS-Sensoren eines aktuellen Smartphone. Vor allem ist dieses CCD ein lange bewährtes Bauelement mit bekannten Eigenschaften, und das ist ein wichtiger Punkt, wenn es in eine Kamera eingebaut wird, die jahrelang störungsfrei arbeiten soll. Schließlich kann man keinen Servicetechniker schicken, wenn der Sensor ausfällt.

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Der Mars-Rover Perseverance mit seinen wichtigsten Instrumenten. (Quelle: NASA)

Der Mars-Copter Ingenuity ist schon eher auf der technologischen Höhe der Zeit. Er wird mit einem Qualcomm Snapdragon-801-Prozessor gesteuert, wie man ihn auch in älteren Smartphones wie dem Samsung Galaxy S5 findet. Seine vom JPL entwickelte Software ist Open Source und läuft unter Linux. Für den Rover verlässt sich die NASA allerdings auf das proprietäre Betriebssystem VxWorks von Wind River und zwei mit 200 MHz getaktete PowerPC-750-Prozessoren in einer speziellen, gegen Strahlung gehärteten Version. Die normale Version dieses Prozessors arbeitete schon in Apples ersten iMacs, ist also alles andere als leading edge. Aber das ist in der Raumfahrt der Normalfall: Man legt wenig Wert auf die höchste Leistung und die neuesten Features, denn entscheidend für den Erfolg einer Mission ist die Betriebssicherheit aller Komponenten. Auch Orion, das von NASA und ESA entwickelte Raumschiff für künftige bemannte Flüge jenseits der Erdumlaufbahn, wird von PowerPC-750-Prozessoren gesteuert.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. Ich war selbst in der Herstellung und Entwicklung von Geräten und Bauteilen für bemannte und unbemannte Raumfahrt beteiligt und kann das sehr gut verstehen. So mussten die Komponenten auf einem sogenannten Shaker/Rütteltisch über mehrer Minuten Schüttelfrequenzen von mehreren hundert Hertz überstehen. Im niedrigen Frequenzbereich haben wir bis zu 22 Fächer Erdbeschleunigung getestet. Das sind halt Vibrationen, die beim Start der Raketen auftreten. Das würden normale Sensoren und Linsen wahrscheinlich nicht mal Sekunden überstehen. Optische Systeme haben noch eine weitere besondere Anforderung. Es darf kein sogenanntes Outgasing geben. Aus keinem der eingesetzten Materialen dürfen in der Nähe noch Gase austreten oder was verdunsten. Das kann sich auf und in der Optik oder Sensor niederschlagen. Viele erinnern sich noch da noch das Hubble Telskop. Und dann wie schon geschrieben ist Zuverlässig jeder Komponente das Wichtigste von allen.

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