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Adobes vergessene Kinder

Anwendungen wie Photoshop und Lightroom werden von Adobe regelmäßig aktualisiert, wohingegen kostenlose Hilfsprogramme vernachlässigt werden und langsam verrotten. Damit gehen auch nützliche Funktionen der bezahlten Adobe-Anwendungen verloren.

Die Benutzung von Adobes Creative-Cloud-App, über die man seine Adobe-Software aktuell hält, ist in der letzten Zeit immer umständlicher geworden. Updates installierter Anwendungen erfordern auf verschlungenen Wegen unnötig viele Mausklicks. Aber immerhin gibt es dort regelmäßige Updates, die die Software auf dem neuesten Stand halten. Für die kostenlosen Dienstprogramme, die Adobe auf seiner Website zum Download anbietet, gilt das leider nicht. Der DNG Profile Editor, mit dem man eigene Kameraprofile anlegen kann, ist bereits 12 Jahre alt, und ebenso der Lens Profile Creator für die Erstellung von Objektivprofilen. Allein der Adobe DNG Converter (derzeit bei Version 16.5) wird noch aktualisiert.

Adobes rund 12 Jahre alte Dienstprogramme werden bis heute zum Download angeboten, obwohl sie unter macOS schon lange nicht mehr funktionieren.

Wie die Situation unter einer aktuellen Windows-Version auf einem neueren PC aussieht, weiß ich nicht, aber unter macOS sind die beiden Profil-Utilities längst unbenutzbar. In der Informatik spricht man scherzhaft von software rot oder bit decay – so als würde Software ohne regelmäßige Pflege langsam vermodern. Tatsächlich handelt es sich darum, dass Software immer wieder an neue Betriebssystemversionen, neue Prozessoren und deren wechselnde und wachsende Ansprüche angepasst werden muss, wenn sie nicht irgendwann ihren Dienst einstellen soll.

Die macOS-Version des Adobe Lens Profile Creators ist eine 32-Bit-Anwendung für Intel-CPUs, die sich auf Macs mit aktuellem Betriebssystem gar nicht mehr starten lässt – dazu ist schon lange eine 64-Bit-Version nötig. Aber die Anwendung ist ja auch von 2012, als 32 Bits noch reichten.

Der ebenso alte DNG Profile Editor war immer schon buggy. Seit ich damit arbeite, ließ er sich nach dem Start nicht regulär mit Cmd-Q, sondern nur zwangsweise über Cmd-Alt-Esc beenden. Er hätte auch ein bisschen komfortabler sein können, aber immerhin tat er früher seinen Job: Man konnte auf Basis von Testaufnahmen der ColorChecker-Farbpalette Profile für die eigenen Kameras erstellen, um deren Farbwiedergabe aneinander anzugleichen, einschließlich der komplexeren Dual-Illuminant-Profile für ein breites Spektrum von Farbtemperaturen zwischen Tages- und Glühlampenlicht. Auch die völlig freie Konfiguration von Profilen war möglich. Doch mit all dem ist es seit einiger Zeit vorbei.

Einen ersten Startversuch des Profil-Editors verweigert macOS, weil der Programmcode nicht verifiziert werden kann und daher nicht vertrauenswürdig erscheint. Mit einigen Klimmzügen über die Systemeinstellungen lässt sich das Betriebssystem zwar dazu bringen, die Anwendung trotzdem zu öffnen, aber das nützt nicht viel.

macOS gibt die nicht verifizierbare Anwendung erst nach einiger Überzeugungsarbeit frei.

Der DNG Profile Editor startet dann zwar, aber ist praktisch unbenutzbar. Viele Elemente der Benutzeroberfläche erscheinen gar nicht mehr, und die anderen sind weitgehend funktionslos.

Der DNG Profile Editor einst (links) und jetzt (rechts)

Nach 12 Jahren wäre es eigentlich an der Zeit, zeitgemäße Versionen der beiden Profil-Dienstprogramme zu entwickeln, aber dazu scheint es Adobe an Entwicklerressourcen oder schlicht am Willen zu fehlen. Windows-Anwender sind derzeit wohl noch besser dran; wie ich hörte, funktioniert zumindest der DNG Profile Editor auch noch unter Windows 11. Aber der software rot wird auch auf dieser Plattform über kurz oder lang zuschlagen.

Übrigens könnte auch der bis heute voll funktionsfähige DNG Converter eine Auffrischung gebrauchen: Die Optionen, ein lineares DNG oder eine unkomprimierte Datei zu speichern, findet man bestenfalls nach einigem planlosen Herumprobieren an einer Stelle, an der sie niemand vermutet.

Daneben gibt es weitere Baustellen, bei denen sich schon länger nichts mehr tut. Adobes hochtrabend als „SDK“ (also Software Development Kit) bezeichnete englischsprachige Anleitung zur Erzeugung erweiterter Profile für Lightroom (Classic) und Camera Raw wirkte von Anfang an wie eine lästige Pflichtübung und wurde in nunmehr sechseinhalb Jahren nie überarbeitet. Bis heute heißt es darin, für eine eigene Look Table im Profil solle man sich einfach selbst eine Software programmieren:

The easiest way to make a Look Table is to write some code to generate it for you. It doesn’t matter what language you use, it just needs to support loops and writing text files. To generate the entries, you’ll want three nested loops.

Solche für die Mehrzahl der Anwender wenig hilfreichen Texte entstehen, wenn man Programmierer dazu nötigt, so etwas wie ein Benutzerhandbuch zu schreiben, obwohl sie weder Neigung noch Talent dafür mitbringen. (Ich hatte übrigens in DOCMA 84 und 85 beschrieben, wie man eigene erweiterte Profile anlegt.)


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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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