2 mal X
Der Sommer (ja, technisch gesehen haben wir Sommer) scheint eine gute Zeit für spannende neue Kameras zu sein. In den letzten Tagen hatte ich Gelegenheit, mir die Fuji X-T2 und die Hasselblad X1D genauer anzuschauen.
Ich hatte es ja kürzlich schon angedeutet: Ende Juni war ich in Prag gewesen, um Fujis neue Systemkamera X-T2 in der fotografischen Praxis auszuprobieren. Da dieses Modell, das mit der im Januar 2016 eingeführten X-Pro2 nun eine Doppelspitze in Fujis spiegellosem Kamerasystem bildet, erst am 7. Juli offiziell vorgestellt wurde, konnte ich nicht früher darüber schreiben.
Am 8. Juli 2016 machte dann Hasselblad auf seiner Welttournee Station in den Hamburger Briese-Studios, um die erste spiegellose Mittelformatkamera X1D vorzustellen, die ebenso wie Fujis X-T2 noch nicht in der finalen Version verfügbar ist, aber verglichen mit dieser noch eine etwas weitere Strecke bis zur Marktreife zurückzulegen hat. Christoph Künne und ich nutzten die Chance, das neue Modell einmal in die Hand zu nehmen.
Hasselblad und Fuji verbindet eine langjährige Zusammenarbeit; die meisten Objektive für Hasselblads H-System werden von Fujinon gefertigt (mit Ausnahme von Zentralverschluss und Blende, die in Göteborg produziert werden), und dasselbe gilt für den Spiegelreflexsucher der H-Modelle. Beim Design der spiegellosen X1D hat Hasselblad dagegen auf eine Kooperation mit seinem japanischen Partner verzichtet und die Kamera vollständig im eigenen Haus entwickelt.
Hasselblad war in Hamburg hochkarätig vertreten, denn auch der CEO Perry Oosting war vor Ort. Der Niederländer hatte vor anderthalb Jahren den Interims-CEO Ian Rawcliffe abgelöst, der seinerseits Larry Hansen ersetzt hatte. Hansen war für die umgelabelten Sony-Modelle verantwortlich gewesen, die Hasselblad zum etwa fünffachen Preis verkaufte. Er hatte auch für einen Freund, der dringend eine zu seinem Ferrari passende Kamera brauchte, ein ferrarirotes Sondermodell der H5D eingeführt – auf der photokina-Pressekonferenz hatte das seinerzeit allgemeines Kopfschütteln ausgelöst. Perry Oosting ist zwar branchenfremd und stieß daher in der Fotoszene zunächst auf Skepsis, aber auf mich macht er den Eindruck, dass er Hasselblad auf einen guten Weg führt. Die Zeit der teuren Mätzchen und des Kokettierens mit der Schickeria ist vorbei; Hasselblad will offenbar wieder mit innovativen, technisch überzeugenden und vor allem selbst entwickelten Produkten auftrumpfen. Als einem der wenigen überlebenden Unternehmen der europäischen Kameraindustrie wäre ihnen der Erfolg zu wünschen.
Die X1D ist so klein und leicht, wie man es von einer spiegellosen Kamera erwartet; ihr Gewicht verglich Oosting mit einer Packung Knäckebrot. Im Handling ist sie sehr angenehm; es gab wohl noch keine Mittelformatkamera, die so gut in der Hand lag. Aufgrund ihres geringen Gewichts von 725 Gramm liegt der Schwerpunkt generell unter dem Objektiv, was der Handlichkeit aber keinen Abbruch tut. Die Bedienelemente sind auf das Nötigste beschränkt; es gibt zwei Rändelräder vorne und hinten, ein versenkbares Moduswahlrad und eine Reihe von Tasten neben dem Touchdisplay, mit dem man die Menüeinstellungen vornimmt. Da die Kamerasteuerung auf der für die Spiegelreflexkameras der H6D-Serie entwickelten neuen Elektronikplattform basiert, funktionierte sie bereits reibungslos. Etwas unglücklich ist nur, dass es zur Wahl des AF-Messfelds weder einen Mini-Joystick noch einen Vier-Wege-Controller gibt; das Messfeld wählt man auf dem Touchdisplay, das aber nicht verfügbar ist, während man durch den Sucher schaut.
Zu Hasselblads Baustellen im Vorfeld der photokina zählt neben dem Autofokus (der bereits präzise arbeitet, in dieser frühen Firmware-Version aber manchmal einige Fehlversuche brauchte) auch der elektronische Sucher. Die Bildfrequenz und die Latenzzeit will Hasselblad noch verbessern, und dasselbe gilt für die noch merkliche Dunkelpause nach jeder Aufnahme; im Serienbildmodus verdunkelt sich der Sucher komplett. Dabei soll es aber nicht bleiben, auch wenn Hasselblad nach Perry Oostings Aussage nicht die Absicht hat, im Mittelformat mit der Geschwindigkeit von Kleinbild- und APS-C-Kameras zu konkurrieren.
Die 50 Megapixel der X1D (die denselben Sensor wie die H6D-50c oder auch Ricohs Pentax 645Z enthält) werden auch schon im Kleinbildbereich erreicht, so dass eine Mittelformatkamera in anderen Bereichen punkten muss – beim Dynamikumfang etwa oder dem Objektivdesign, das bei gleichem Freistellungspotential entspanntere Rechnungen mit einem weniger extremen Öffnungsverhältnis erlaubt. In wieweit die X1D das einlösen kann, wird man in einigen Monaten sehen. Kleinbildkameras stehen ihrerseits im Wettbewerb mit immer weiter verbesserten APS-C-Modellen, für die Fujis X-T2 beispielhaft stehen kann. Ihr Sony-Sensor mit Fujis X-Trans-Farbfiltermuster löst 24 Megapixel auf.
Verglichen mit der vorigen Modellgeneration haben Fujis aktuelle Modelle X-T2 und X-Pro2 ganz erheblich an Geschwindigkeit zugelegt. Selbst gegenüber der erst ein paar Monate alten X-Pro2 wurde die mit demselben X Prozessor Pro ausgestattete X-T2 nochmals verbessert – erst recht, wenn man den optionalen Batteriehandgriff mit zwei zusätzlichen Akkus nutzt, der die Bildfrequenz von 8 auf 11 Bilder/s steigern kann und auch alle anderen Geschwindigkeitswerte leicht erhöht.
Zu den kritischen Werten bei den Suchern spiegelloser Kameras zählt neben der Bildfrequenz und der Latenzzeit vor allem die Dunkelpause: Wenn die Kamera ein Bild aufnimmt, muss die Erzeugung der Live-Bilder kurz – und manchmal auch länger – unterbrochen werden; die Kamera zeigt dann gar kein oder ein Standbild an. Im Serienbildmodus kann das dazu führen, dass man sein Motiv im Sucher aus den Augen verliert und faktisch blind agiert. Und das gilt nicht nur für den Fotografen; auch der Autofokus, der ebenso auf die Live-Bilder angewiesen ist, kann die Schärfe dann nicht mehr nachführen. Die X-T2 stellt hier einen wesentlichen Schritt nach vorn dar, denn die Dunkelpause ist bei diesem Modell stark geschrumpft. Zwar erreicht auch sie noch nicht ganz den Standard der schnellsten DSLRs (die ebenfalls eine Dunkelphase haben, da der Rückschwingspiegel dem Sucher ebenso wie dem Autofokus für kurze Zeit das Licht nimmt), aber der Unterschied schrumpft.
Wenn man die X1D und X-T2 vergleicht, liegt die Frage nahe, ob Hasselblad nicht mit Fujis Technologie – und vor allem Fujis längerer Erfahrung mit spiegellosen Kameras – ein noch besseres Ergebnis hätte erzielen können. Zugegeben: Die X-T2 muss nur halb so viele Pixel wie die X1D verarbeiten, aber sie scheint weit mehr als doppelt so schnell zu sein. Es ist bekannt, dass Fuji der Idee eines eigenen spiegellosen Mittelformatsystems positiv gegenübersteht, und wenn sie sich dazu entscheiden sollten, es tatsächlich einzuführen, dürfte die photokina im September 2016 der richtige Zeitpunkt dafür sein. Was immer in Köln passieren wird: Wir werden dort sein, um davon zu berichten.
Nach der Vorführung der Hasselblad X1D sprachen Christoph Künne und ich übrigens noch mit dem Hausherrn Hans Werner Briese, der uns seine neueste Entwicklung in der Blitzreflektortechnik vorführte. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.