Bildkritik – nun mal langsam!

Natürlich kann man nicht erwarten, dass alle Leute DOCMA lesen und so nach jahrzehntelanger Lektüre kapieren, auf was man bei Bildmontagen achten muss. Und so gibt es, kaum zu glauben, noch immer Monteure, die nicht nur keine Ahnung von Perspektive haben, sondern auch für Auftraggeber arbeiten, die gravierende Fehler übersehen und so was auch noch veröffentlichen.

Gestern erreichte mich eine Mail unseres Lesers Peter Dynow mit dem kurzen Hinweis: „ohne weiteren Kommentar möchte ich auf diesen so wundervoll illustrierten Online-Artikel der „TV Movie“ aufmerksam machen:

<https://www.tvmovie.de/news/saug-und-wischroboter-bei-stiftung-warentest-befristeter-rabatt-auf-den-testsieger-134533>

Zuerst dachte ich: Der Mann hat recht mit seiner Ironie! Dieses Wunder an Zusammenstoppeln zweier Bilder mit völlig unterschiedlicher und unvereinbarer Perspektive bedarf eigentlich wirklich keines Kommentars mehr.

Aber dann überlegte ich: Diese Zeitschrift gibt es ja schon seit vielen Jahren. Die Leute dort sind Profis, die wissen, was sie tun. Wie professionell sie sind, belegt schon der beigefügte Text: „Den Roborock S7 Max Ultra gibt es gerade mit einem schicken Rabatt. Für beide Farbmodelle zahlst du aktuell deutlich weniger. Zwei starke Deals, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die hohen Preise einfach wegzusaugen.“ Solche ausgefeilten Formulierungskünste wie „schicker Rabatt“ oder Deals, die sich etwas zur Aufgabe gemacht haben … da muss einer erst mal drauf kommen!

Schön auch der Text zu einem anderen Produkt: „Auf Platz 2 landet auch direkt der Preistipp der Stiftung Warentest. Der Medion X40 SW hat sich die Note Gut (2,5) verdient und kann laut dem Expertenteam besonders beim Saugen von Hartböden und seinen Umwelteigenschaften punkten.“ Allerdings scheint da grammatisch was nicht – müsste es nicht heißen „und ihren Umwelteigenschaften“? Oder … ähhh …

Angesichts dieser Ballung genialer Professionalität mag ich wirklich nicht glauben, dass diese Montage durchgerutscht sein könnte. Das muss einfach Absicht sein. Also noch mal von vorn: Durch welche Eigenschaft überzeugt so ein Saugroboter? (Mal abgesehen vom missbräuchlichen : „Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur saugen kann.“)  Dadurch, dass er rück-zuck fertig ist, also durch seine Schnelligkeit.

Nun haben die Kollegen sicherlich Lessings Untersuchung über die Darstellbarkeit von zeitlicher Entwicklung, „Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie“ aus dem Jahre 1766 studiert, wo Lessing beschreibt, dass die Malerei keine Prozesse wiedergeben kann, sondern nur deren Höhepunkt, woraus der Betrachter das Vor- und Nachher erschließen kann.

Und schon fällt es einem wie Schuppen aus den Haaren: Der Saugroboter ist überhaupt nicht falsch dargestellt, sondern er ist so fix, dass er sich hier beim rasanten und rasenden Saugen nur elegant in die Kurve legt, um nicht versehentlich gegen die geschmackvolle Küchenzeile geschleudert zu werden.

Und das wissen wir ja nun: Bei einem gekippten Objekt konvergieren die Fluchtlinien natürlich nicht auf dem Horizont wie bei der ebenen Fläche darunter. Das hätte man, hier mal auf die Schnelle ganz grob demonstriert, mit Photoshops „Pfadweichzeichnung“ noch überzeugender visualisieren können.

Daher darf man zu dieser gelungenen Montage nur herzlich gratulieren und ein beherztes „weiter so!“ wünschen. Wahrscheinlich hat das unser Einsender das auch mit dem von mir zunächst missverstandenen „ohne weiteren Kommentar“ gemeint – gar nicht kritisch und ablehnend, sondern quasi überschäumend begeistert. Ich hatte sein „wundervoll illustriert“ einfach unzutreffend als Ironie interpretiert. In diesem Sinne …