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Wer war Ludwig Bertele?

Altglas-Report

Sonnar- und Biogon-Objektive waren zu ihrer Zeit einzigartig. Die Namen finden sich noch immer im Zeiss-Programm. Ihre Grundlagen errechnete Ludwig Bertele in den 1930er Jahren für Zeiss-Ikon. Bereits 1924 war sein berühmtes Ernostar 85/1.8 auf den Markt gekommen. Doch der Name Bertele ist kaum bekannt.

Sonnar und Biogon. Wer war Ludwig Bertele?
Sonnar und Biogon: Berechnet von Ludwig Bertele mit Papier, Bleistift, Logarithmentafeln und Sinustabellen. Charakteristisch für seine Konstruktionen sind dominierende Glasblöcke.

Der 1900 geborene Bertele begann mit 16 Jahren eine Lehre als Optik-Rechner bei Rodenstock in München. Sein in Dresden bei Ernemann berechnetes Ernostar 1,8/85 ermöglichte mit der handlichen Ermanox-Kamera Freihandaufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen ohne Blitz. Für Aufsehen sorgten Aufnahmen von Hans Böhm in Wiener Theatern. Die virtuosen Bilder des Pressefotografen Erich Salomon erlangten Weltruhm, veränderten den Fotojournalismus und gehören heute zur Sammlung der Berlinischen Galerie.

Ermamox-Ernostar. Wer war Ludwig Bertele?
Berteles erster großer Wurf: Das Ernostar 85/1.8 kam 1924 auf den Markt.
Ernostar-Basic 1916. Wer war Ludwig Bertele?
Die Frontlinse des Cooke Triplets (links) ersetzte Charles C. Minor im Ernostar-Basic-Design durch zwei Einzellinsen und ließ es 1916 patentieren.
Ernostar 1926. Wer war Ludwig Bertele?
Diesen Aufbau des Ernostar 85/1.8 erläuterte Bertele 1926. Den mittleren Linsenblock beschrieb er als aus je zwei verkitteten Linsenpaaren bestehend – was ein außergewöhnliches 6/4-Design wäre.
Ernostar 85.1.8 Patent DE436260 von 1924
Das Patent DE436260 von 1924 zeigt einen Dreierblock und die vierte Linse freistehend. Seine weiteren Ernostar-Patente aus der Zeit von 1922 bis 1925 zeigen auch nicht die von ihm erläuterte Konstruktion.

Das für seine Zeit ungewöhnliche Ernostar-Design erzielte eine außerordentliche Abbildungsqualität: ausgeprägte Mittenschärfe, Randschärfe bis in die Ecken, kaum Verzeichnung und wenig Vignettierung. Zudem war es kompakt und einfach herzustellen. Bertele entwickelte es auf der Suche nach Einsichten in das Zusammenwirken der Komponenten einer optischen Konstruktion, die keineswegs der vorherrschenden Lehrmeinung entsprachen. Die Konstruktion und Berechnung des Objektivs beschrieb er 1926 in der Zeitschrift für wissenschaftliche Photographie ausführlich.

Bertele Buch Cover
Das von seinem Sohn Erhard 2017 verfasste Buch über das Lebenswerk seines Vaters. Neben Berteles technischen Ausführungen faszinieren historische Aufnahmen sowie Biogon-Bilder von NASA-Missionen und Luftaufnahmen mit Aviogon-Objektiven. Der oben erwähnte Artikel von 1926 ist ebenfalls enthalten.

1945 flüchtete Bertele mit seiner Familie aus dem zerstörten Dresden und nahm im Jahr darauf ein Angebot der Wild AG in der Schweiz an. Dort entwickelte er die legendären Luftbildobjektive Aviotar, Aviogon und Superaviogon, ab 1959 mit Unterstützung eines Zuse-Z22-Computers. Für das in Ulm neu gegründete Unternehmen von Albert Schacht, ebenfalls Zeiss-Ikon-Veteran, berechnete er die meisten Foto-Optiken.

Altglas-Report (Teil III)
Der Altglas-Report (Teil III) betrachtet in sieben Kapitel weitere Beiträge von Ludwig Bertele zur Fotografie. Der Button Leseprobe lesen ermöglicht den Blick ins Buch und zeigt das komplette Inhaltverzeichnis.

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Bernd Kieckhöfel

Bernd Kieckhöfel hat einige Jahre für eine lokale Zeitung gearbeitet und eine Reihe von Fachartikeln zur Mitarbeiterführung veröffentlicht. Seit 2014 schreibt er für Fotoespresso, DOCMA, FotoMagazin sowie c't Digitale Fotografie.

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