Swingerparty im OEM-Club
Swingerparty im OEM-Club, das könnte das frühe Geschäft mit Fremdobjektiven aus heutiger Sicht auf den Punkt bringen. Bei Vivitar sollen die Teilnehmer namentlich bekannt gewesen sein. Die letzte Phase der M42-Ära ließe sich gar als polyamor umschreiben – bevor die deutschen Fotokatalog-Könige sich mit Bajonett-Anschlüssen endgültig verzockten und den Markt japanischen Anbietern überlassen mussten.
Als Marke wurde Vivitar mit Wechselobjektiven für Spiegelreflexkameras bekannt. Den nachhaltigsten Ruf erlangte das Unternehmen wahrscheinlich mit der heute noch gefragten Baureihe „Serie 1“. Doch keines dieser Objektive stammt aus eigener Herstellung, Vivitar beauftragte verschiedene OEM-Fertiger.
Party-Gäste
Im Gegensatz zur sonst üblichen Geheimniskrämerei werden Namen genannt. Die ersten beiden Ziffern der Seriennummer identifizieren den Hersteller. So steht beispielsweise 9 für Cosina, 37 für Tokina und auch Olympus wird genannt. Die komplette Liste hat Stephen Gandy auf seiner Website veröffentlicht. Er versichert, dass die Informationen von einem ehemaligen Vivitar Mitarbeiter stammen und von 1970 an ungefähr 20 Jahre gültig waren. Vom Vivitar 70-210 Serie 1 sind sechs Versionen bekannt, die von vier Herstellern stammen und sich von ihren technischen Daten teilweise deutlich unterscheiden. Mit der Produktion durch Cosina 1986 verschwanden diese Unterschiede weitgehend. Doch mit dem ursprünglichen, oben gezeigten Modell verband diese Produkte nur noch der Name.
Undisclosed Recipients
Polyamorie könnte die letzte Phase der M42-Ära umschreiben. Sie war prädestiniert für Bäumchen-wechsle-dich-Spiele mit vielen Teilnehmern. M42-Komponenten eigneten sich durch ihren universellen Anschluss besonders gut für Modifikationen. Mit anderem Frontring und leicht modifiziertem Gehäuse ausgestattet entstand schnell der Eindruck eines „neuen“ Objektivs. Handelsunternehmen wie Porst, Foto Quelle und andere stellten ihr komplettes Angebot auf diese Weise zusammen. Anfangs in Westdeutschland eingekauft, dann in der DDR und später in Japan. Die letzten Partys fanden möglicherweise in Korea statt. Aber „Made in Korea“ war – wenn überhaupt – unauffällig an wenig prominenter Stelle in kleinen Buchstaben zu lesen.
Moderne OEM-Ehen
Heute ist die Anzahl der Akteure im OEM-Geschäft ausgesprochen überschaubar. Es herrschen eheähnliche Verhältnisse: Man kennt einander und schätzt das Bekannte und Bewährte. Dennoch sind kaum Details bekannt. Bekannt ist hingegen, dass Zeiss nach eigener Aussage keine Foto-Objektive herstellt – auch wenn Wikipedia das Gegenteil behauptet. Das aktuelle Zeiss-Sortiment umfasst Premium-Produkte für Canon, Nikon, Fuji und Sony. Batis, Loxia, Milvus, Otus und Touit sind bekannte Marken. Einige lassen mit „Made in Japan“ ihre Herkunft erkennen. Ein Einblick in die Kooperation mit Sony gibt es hier.
Zeichen setzen
Als „Made in Germany“ gelten in Deutschland montierte Produkte, auch wenn die Komponenten aus dem Ausland stammen – was juristisch nicht zu beanstanden ist. Die Firma net SE, bekannt durch die erste Trioplan-Neuauflage von 2016, geriet dafür in die Kritik. Weit weniger Interesse erregen dagegen tiefgekühlte Chicken-Wings in Discounter-Kühltruhen, die importiert, in Deutschland weiterverarbeitet und eingetütet werden.
Schöner Artikel, gut geschrieben…da hätte ich noch ein paar Stunden weiterlesen können!
Danke für die Blumen. Im Blog und im Buch finden sich weitere Geschichten dieser Art: Stichwort „Zoll“ und „Objektiv-Talk“.