Altglas

Spiegellinsen-Objektive alt oder neu kaufen?

Spiegellinsen-Objektive lockten zu Zeiten der analogen Fotografie mit geringer Baugröße bei enormer Brennweite, 500er mit Lichtstärke F/8 waren weit verbreitet. Markenware von Canon, Minolta und Nikon kostete zwischen 800 und 1000 D-Mark. Keine Schnäppchen, doch im Vergleich zu konventionellen Objektiven dieser Brennweiten preiswert, dazu ausgesprochen handlich und heute oft günstig zu haben. Auch wenn man ihre Eigenheiten und Problemzonen kennt, stellt sich die Frage: Ist manuelles Neuglas in diesem Fall die bessere Wahl?

Spiegellinsen-Objektive alt oder neu kaufen?

Auch wenn sich viele bauartbedingte Einschränkungen dieser Gattung in der Digitalfotografie umgehen lassen, birgt der Gebrauchtkauf zusätzliche Risiken. Primär bestehen die Objektive aus zwei Spiegeln und einer Handvoll Linsen. Einfallendes Licht wird von einem großen auf einen kleinen Spiegel reflektiert und gelangt von dort über ein Loch im hinteren Spiegel durch eine Linsengruppe auf das Aufnahmemedium. Die Qualität der Spiegel und ihre korrekte Justierung sind entscheidend für gleichmäßige Lichtverteilung und scharfe Aufnahmen. Durch Reinigungsversuche, Stoß oder Sturz dejustiert, lassen sich die Spiegel mit haushaltsüblichen Mitteln nicht mehr sinnvoll einstellen. Darüber hinaus altern Spiegel anders als Linsen und können matt werden.

Spiegellinsen-Prinzip. Spiegellinsen-Objektive alt oder neu kaufen?
Spiegellinsen-Objektive: Einfallendes Licht wird „gefaltet“ und ermöglicht 500 Millimeter Brennweite in einem circa zehn Zentimeter langen Gehäuse bei 600 bis 800 Gramm Gesamtgewicht.
Spiegellinsentele alt. Spiegellinsen-Objektive alt oder neu kaufen?
Selbstverständlich hatte auch Foto Quelle in den 1980er Jahren ein 500er Spiegel-Tele im Programm (Deutsches Kameramuseum).

Einschränkungen umgehen

Dass Spiegellinsen-Objektive in den Aufnahmen weder die Schärfe eines hochwertigen Linsen-Objektivs, noch eine vergleichbare Brillanz zeigen, ist durch Nachbearbeitung am PC heute akzeptabel korrigierbar. Hohe ISO-Werte und kamerainterne Bildstabilisatoren minimieren mögliches Verwackeln. Das primäre durch Spiegel erzeugte Bokeh lässt sich mittels geschickter Bildgestaltung und einem Blick auf die Lichtverhältnisse steuern. Einen ausführlichen Vergleich der beiden grundverschiedenen Objektiv-Typen gibt es hier.

Weiches Licht. Spiegellinsen-Objektive alt oder neu kaufen?
Spiegellinsen-Objektive zeigen im weichen Licht nur wenig vom typischen Donut-Bokeh (Walimex 300/6.3).

Prinzipbedingte Grenzen

Spiegellinsen-Objektive besitzen keine Blende, was die Schärfentiefe bei 500 Millimeter Brennweite und Blende F/8 zu einem knappen Gut macht. Präzises Fokussieren ist unabdingbar. In der Summe entstand früher vermutlich viel unscharfer Ausschuss, der diese Objektive irgendwann im Schrank verstauben ließ.

Bildfehler
Für eine überzeugend scharfe Abbildung des vorderen Kabinenfensters reicht die spärliche Schärfentiefe bei diesem Motiv mit Blende F/6.3 nur bedingt. Den Hintergrund dominiert das unruhige Donut-Bokeh, auch die seitliche Verglasung der Kabine zeigt Spuren davon. Zusätzlich ist an der Vorderkante des Seitenleitwerks oben eine für Spiegellinsen-Objektive typische Geisterkante erkennbar (Walimex 300/6.3).

Altglas oder manuelles Neuglas kaufen?

Die eBay-Preise alter 500er Spiegellinsen-Objektive bewegen sich zwischen 100 und 300 Euro. Das Minolta 250/5.6 ist um 1.000 Euro noch ein echtes Schnäppchen. Daneben finden sich auch Modelle mit 1000 Millimeter Brennweite. Für weit weniger bekommt man heute Neuware, beispielsweise von Walimex, Tokina und anderen. Mit mindestens zweijähriger Garantie und Brennweiten, die mehr Spielraum für Freihandaufnahmen erlauben. Da Spiegel bei diesen Objektiven das Bokeh dominieren, kann vom typischen Altglas-Look kaum die Rede sein.

Walimex 300-6.3
Manuelles Neuglas: Das Walimex 300/6.3 ist winzig, nur 74 mm lang und knapp 300 Gramm schwer. Die Naheinstellgrenze erlaubt einen Meter Abstand zum Motiv. Die präzise Fokussierung erfordert Fingerspitzengefühl.
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Bernd Kieckhöfel

Bernd Kieckhöfel hat einige Jahre für eine lokale Zeitung gearbeitet und eine Reihe von Fachartikeln zur Mitarbeiterführung veröffentlicht. Seit 2014 schreibt er für Fotoespresso, DOCMA, FotoMagazin sowie c't Digitale Fotografie.

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