Altglas

Normalbrennweiten mit Lichtstärke F/1.2

Altglas-Report

Wer heute ein altes 1.2er kauft, sollte seine Gründe und Erwartungen kennen. Hohe ISO-Werte machen die japanischen Prestige-Optiken verzichtbar. Nur zum 100. Planar-Jubiläum leistete Zeiss sich 1996 den Luxus eines Planar 55/1.2. Ansonsten überließen Zeiss und Leitz diese Spielwiese für Spiegelreflexobjektive anderen – sie fokussierten auf hochwertige 1.4er-Lichtstärken.

In Laufe der 1950er Jahre begann der Wettbewerb um die lichtstärkste Normalbrennweite für Messsucherkameras. 1961 stellte Canon ein 50er mit Lichtstärke F/0.95 vor. Dagegen mutet das Leica Noctilux 1:1.2/50 von 1966 im klassischem 6/4-Design fast wie Rückschritt an. Es wurde dennoch zum Maß der Dinge – zumindest für eine Weile. Auch für japanische Spiegelreflexkameras wurden prestigeträchtige Normalbrennweiten mit Lichtstärke F/1.2 entwickelt. Zwischen 1962 und 1968 stellten Canon, Konica, Minolta und Nikon die ersten Normalbrennweiten mit Lichtstärke F/1.2 vor, überwiegend im 7/5-Design – damals State-of-the-Art.

Minolta 50/1.2
Punktuell lässt sich die Schärfe auch bei Offenblende mit einer MFT-Kamera treffsicher setzen. Bei einem Meter Abstand beträgt die Schärfentiefe einen Zentimeter.
Minolta 50/1.2
Die Mauer ist ein vergleichsweise dankbares Motiv bei fast nicht vorhandener Schärfentiefe.
Minolta 50/1.2
Auf die Prägung der Fischkiste zu fokussieren gelingt relativ gut. Mögliche Unschärfe fällt allenfalls beim Pixelpeeping auf – was bei Lichtriesen selten Freude macht.
Minolta 50/1.2
Leicht abgeblendet wirkt der Stacheldraht recht überzeugend. Die Lichter auf dem Regas-Schiff im Lubminer Hafen zeigen aber bereits bei Blende F/2 das sechseckige Muster der Blendenlamellen. Bei Offenblende und niedrigster ISO-Stufe reichen Verschlusszeiten von 1/8000 s mit diesen Lichtverhältnissen oft nicht mehr aus.
Minolta 50/1.2
Hier spielt Abblenden keine Rolle. Jedes andere Objektiv mit geringer Lichtstärke würde kaum Unterschiede zeigen.
Minolta 50/1.2
Das zerfaserte rote Ende des Taus ist ungefähr drei Meter entfernt. Die Kaimauer definiert den Abstand zum Motiv. Die im Hintergrund sichtbare Mauer der Hafeneinfahrt liegt rund 100 Meter dahinter, selbst bei Blende F/2.8 wäre der Unterschied im Bokeh nur marginal.

Vergleiche wie Sand am Meer

Ken Rockwell und seine Statements polarisieren, zum aktuellen Nikon 58/0.95 Noct fürs Z-System bietet er unbestreitbar nützliche Vergleichsaufnahmen. Die Unterschiede im Bokeh bei Blende F/0.95 und F/1.4 sind gering – während Schärfe und Wirkung des vordergründigen Motivs deutlich gewinnen. Eine Site-Abfrage offenbart über 300 Beiträge im Digicamclub, doch der Erkenntnisgewinn hält sich in Grenzen. Lesenswert in diesem Kontext ist Michael Hußmanns Beitrag zum Bokeh-Überdruss.

Historisch-technische Entwicklung und Features

Normalbrennweiten mit Lichtstärke F/1.2 für Spiegelreflexkameras mussten zahlreiche Hürden bewältigen. Zunächst war mit 58 Millimeter Brennweite vorlieb zu nehmen. Von 1962 bis 1982 kamen rund 20 der prestigeträchtigen Objektive auf den Markt. Die japanischen Markenprodukte erreichten ab 1978 die 50-Millimter-Marke, während OEM-Hersteller am 55/1.2 festhielten.

Altglas-Report IV
Der Altglas-Report (Teil IV) berichtet ausführlich über die Entwicklung der Normalbrennweiten mit Lichtstärke F/1.2 und ihre technischen Highlights wie asphärische Linsen und Floating Elements.

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Bernd Kieckhöfel

Bernd Kieckhöfel hat einige Jahre für eine lokale Zeitung gearbeitet und eine Reihe von Fachartikeln zur Mitarbeiterführung veröffentlicht. Seit 2014 schreibt er für Fotoespresso, DOCMA, FotoMagazin sowie c't Digitale Fotografie.

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2 Kommentare

  1. Lieber Bernd,

    bei jedem Altgläsler gibt es so eine „Lichtstärke über alles Phase“, ich selber wurde davon nicht verschont 🙂

    Das legt sich allerdings nach einiger Zeit. Ich verwende diese eigentlich nie für die Low-Light Fotografie, sondern zum Freistellen, da ich ein bekennender Offenblende-Fotograf bin.

    Meine bisher lichtstärksten Optiken liegen bei f0.75. Diese habe ich allerdings noch nicht vernünftig adaptiert bekommen.

    LG Bernhard
    https://deramateurphotograph.de/

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