In der Nachkriegszeit war Improvisationstalent gefragt, es fehlte an Maschinen und Material. Zeiss Jena kooperierte mit zahllosen Kleinbetrieben, weil dort jemand eine Drehbank besaß oder benötigte Materialien über den Krieg gerettet hatte. Zeiss in Oberkochen erhielt die 80.000 von den amerikanischen Besatzern requirierten Konstruktionszeichnungen nicht wie versprochen zurück. Vieles musste neu gerechnet und vereinfacht werden, um es mit den verfügbaren Mitteln herzustellen – was auch neue Freiheiten bot.
DDR-Patente mit Unterhaltungswert
Die Patentschriften überraschen oft mit vereinfachten mechanischen und optischen Konstruktionen, der Verwendung von günstigeren Glassorten und weiteren Kniffen, um Produktionskosten zu senken. Mitunter erfolgreich, aber auch oft technologischen Standards hinterherhinkend. So wurden beim Flektogon 20/2.8 Floating Elements „vorerst aus Kostengründen abgelehnt“. Das Patent DD129.582 konkretisiert Ziele: doppelte Lichtstärke ohne Produktionskosten wesentlich zu erhöhen und Verzicht auf hochpreisige Gläser. Als das Objektiv 1976 endlich erschien, verabschiedete sich der M42-Anschluss bereits in die Geschichte. Die Website ZeissIkonVEB bietet zahllose solcher Details. Zusammen mit den Ausführungen von Gerhard Jehmlich offenbaren fortlaufende Beschaffungskrisen ein eigenwilliges Gesamtbild.
Machtspiele
Zeiss Jena war der wichtigste Glaslieferant Osteuropas und hochwertiges optisches Glas hatte seinen Preis. Hinzu kam politisches Kalkül. Für das Domiron 50/2 aus Görlitz wurde ein Spezialglas nicht mehr zur Verfügung gestellt. Der Nachfolger Oreston begnügte sich 1965 mit einfacherem Glas. Vier Jahre später erschien eine mechanisch und optisch überarbeitete Version, als Pentacon 50/1.8 in Millionenauflage gefertigt. Der neu verordnete Name Pentacon beendete die Ära der unglücklichen O-Wort-Kreationen: Oreston, Orestor, Orestegor und Orestegon. Warum das Domiplan dieser Neuordnung entging, ist nicht bekannt.
Schmierige Geschäfte
Die weitgehend im Verborgenen arbeitende Gradführung des Schneckengangs einer Fokuseinheit eröffnet viel Einsparpotential. Von Minolta ist bekannt, dass bei überarbeiteten Objektiv-Serien Messing-Drehteile durch günstigeres Aluminium ersetzt wurden. Wer ein billiges M42-NoName-Objektiv zerlegt, wird feststellen, wie simpel Mechanik sein kann. Pentacon-Objektive wurden in sehr großen Stückzahlen auf zunehmend verschlissenen Maschinen produziert. Die Fertigungsqualität der Einzelteile wurde schlechter, eingekratzte Markierungen kennzeichnen Paarungen für die Montage. Zu großes Spiel im Fokusgewinde lässt sich mit mehr Fett ausgleichen, nur bleibt es in der Regel nicht dort, verteilt sich im Gehäuse und landet auch auf den Blendenlamellen. Einblicke in die Machenschaften rund ums Pentacon 29 macht diese Website möglich.
Blick hinter die Kulissen
Der Altglas-Report (Teil IV) beleuchtet in fünf Beiträgen ausführlich die Machenschaften im Objektivbau nach 1945. Zwei Videos im Anhang bieten weitere Eindrücke und Zeitzeugenberichte aus Ost und West.
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