Langzeitbelichtungen
Langzeitbelichtungen erzeugen unwirkliche, mystische Stimmungen in Bildern, die das menschliche Auge ohne den Umweg über eine lange Belichtungszeit nicht wahrnehmen kann. Besonders gut eignet sich bewegtes Wasser, und besondere Lichtstimmungen entstehen häufig kurz vor Sonnenaufgang oder kurz nach Sonnenuntergang.
Eine Langzeitbelichtung ist keine typische Altglas-Anwendung, weil in der Regel stark abgeblendet wird und die sonst geschätzten Abbildungseigenschaften sich nur noch wenig von modernen Objektiven unterscheiden. Aber da für jede Aufnahme nur einmal fokussiert wird und der Fokus danach tunlichst nicht mehr berührt wird, eignet sich Altglas genauso gut wie für das sogenannte Intentional Camera Movement (ICM), über das hier berichtet wurde.
Natürliche Kontraste finden
Langzeitbelichtungen lassen Bewegungen ineinander verlaufen. Damit dieser Effekt zur Geltung kommt, ist ein massiver und unbeweglicher Gegenpol nötig. Am Wasser eignen sich dazu Brücken, Buhnen, Stege, Steine und Ähnliches.
Stativ, ND-1000-Filter und Fernauslöser bilden die Grundausstattung für Langzeitbelichtungen. 30 Sekunden Belichtungszeit bei Blende 11 sind für Vollformatkameras ein guter Ausgangswert. Pi mal Daumen wird diese Zeit mit Filter erreicht, wenn sich ohne ihn eine Belichtungszeit von 1/30 s ergibt. Dann wird fokussiert, in den Belichtungsmodus B geschaltet und vorsichtig der ND-Filter montiert – ohne den Fokus zu verstellen. Apps wie Exposure Calculator können die Kalkulation der Belichtungszeit mit ND-Filtern unterstützen.
Belichtungszeit anpassen
Je nach Wind, Wolkenbewegung, Wellengang und gewünschter Wirkung können andere Werte erforderlich werden. Schnellere Bewegungen oder stärkeres Verwischen erfordern mehr Zeit und vice versa. Zur Kalkulation der Belichtungszeit ist eine Handy-App hilfreich, besonders wenn sie sich nach Ablauf der Zeit akustisch bemerkbar macht. Eine Uhr mit Sekundenzeiger oder die Timerfunktion des Handys eignen sich ebenso.
Mit den Kamerafunktionen zur Rauschunterdrückung bei Langzeitbelichtungen sollte man sich vorab vertraut machen. Da sich der Zeitbedarf pro Aufnahme durch ihre Anwendung verdoppelt, ist das zu Verfügung stehende Zeitfenster von gefühlten 30 bis 60 Minuten für die ersten Versuche nicht allzu üppig. Meine D700 macht in dieser Hinsicht keine Probleme, nur das Sucherokular will gegen Streulichteinfall verschlossen werden. Die Lumix GX7 liefert ohne die Funktion Rauschunterdrückung auch bei tiefen Umgebungstemperaturen ausnahmslos mit Hotpixeln durchsetzte und unbrauchbare Bilder.
Location und Jahreszeiten
Ein wenig Locationscouting im Vorfeld sorgt später für entspanntes Fotografieren. Hat man eine halbe Stunde vor Sonnenauf- oder Sonnenuntergang seine Ausrüstung aufnahmebereit am ausgewählten Ort aufgebaut, lässt sich entspannt auf das passende Licht warten.
Langzeitbelichtungen im Hochsommer erfordern für den Sonnenaufgang unchristlich frühes Aufstehen und nicht immer spielt das Wetter mit. Es kann vorkommen, dass die Sonne nach wenigen Minuten wieder hinter Wolken verschwindet – oder überhaupt nicht zum Vorschein kommt. Im Herbst oder Frühjahr reicht es, gegen sechs Uhr an Ort und Stelle zu sein. Gegen Abend ist die Situation meistens entspannter, Sonne und Wolken lassen sich vorab besser einschätzen.
Joel Tjintjelaar
Über den in den Niederlande aufgewachsenen Indonesier Joel Tjintjelaar erfährt man nur wenig, weltweit bekannt sind hingehen seine Langzeitbelichtungen. Seine Motive findet er im Bereich der Architektur und zeigt sie ausschließlich als Schwarzweiß-Umsetzungen. Eine Google-Suche verschafft schnell einen ersten Eindruck.